5.5.-13.7.2024, Shelter Bay Marina, Deutschland und Schweiz.
Es ist schon lange still auf unser Blog gewesen und das hat einen Grund. Kurz nach dem Veröffentlichen des letzten Blogbeitrags müssen wir aus familiären Gründen kurzfristig für sechs Wochen nach Europa reisen.
Biggi verbringt die ganze Zeit mit ihrer Familie in Deutschland
Ich verbringe die ersten fünf Wochen in der Schweiz und bin ein paar Tage in Bayern, wo Biggi dazustösst.
Am 1. Juli ist es soweit und wir fliegen von Berlin über Paris zurück nach Panama. Wie immer sind die Koffer voller Ersatzteile und Sachen, die man hier nicht bekommen kann. Das Gewichtslimit ist bis zur Grenze ausgereizt und so nehmen wir gerne das Angebot an, unser Handgepäck gratis mit einzuchecken. So reist es sich doch wesentlich angenehmer.
Kaum zurück an Bord haut es uns beide mit einer Grippe(?) um. Biggi trifft es härter als mich und sie schläft fast fünf Tage lang mehr oder weniger durch. Aber auch das geht vorüber und nach etwas mehr als einer Woche können wir langsam anfangen unsere To Do Liste anzupacken.
Kurz vor unseren Rückflug entwickelt sich der erste schwere Hurrikan in dieser Saison. Beryl liegt genau in unserer Flugbahn und das Flugzeug macht einen grossen Bogen über die Grossen Antillen um dem Unwetter aus dem Weg zu fliegen.
Leider kommt es zum schlimmstmöglichen Szenario und Beryl ’s Auge geht direkt über die Insel Carriacou wenige Meilen nördlich von Grenada. Dort gibt es eine kleine dicht von Mangroven umgebene Bucht, die bis dahin als sehr sicheres Hurrican Hole galt. In den zwei Hurrikansaisons, die wir in Grenada verbracht haben, war die Flucht dorthin immer eine der möglichen Optionen für uns. Die Segler, die statt nach Trinidad zu fliehen, diese Option gewählt haben, hatten keine Chance. Beryl hat dort alle kurz und klein gemacht.
Auch wenn wir mit allen Bootsbesitzern, die ihr Boot verloren oder schwer beschädigt haben, ist es doch die Lokalbevölkerung, die den grossen Teil der Schäden ausbaden muss. Neben Carriacou hat es die meisten der Inseln im Umkreis von ca 50 Meilen sehr stark betroffen. Es hat wieder einmal die Ärmsten der Armen getroffen.
Der Plan ist nach wie vor bis ca. November hier in der Shelter Bay Marina zu bleiben. Hier hat die Regensaison inzwischen richtig angefangen und wir haben fast tägliche Gewitter und teilwiese richtig viel Regen. Es ist entsprechend warm und schwül und ohne unsere Klimanlage wäre ein Leben an Bord echt unangenehm – nicht zuletzt weil mit dem Regen auch die Mosquitos immer zahlreicher werden.
Stellvertretend für unsere Bastelaktivitäten möchte ich am Beispiel des Ersatzes von den Wasserhähnen in Bad und Küche aufzeigen, wie ein kleiner Punkt in der To Do Liste in eine mehrtägige Aktion ausarten kann. Meine Erfahrung als „Klempner“ beschränkt sich bis dahin auf meine eher unrühmliche Aktion in Grenada, als ich beim Ausbau vom Warmwasserboiler unsere Achterkabine in ein Erlebnisbad verwandelte… Entsprechend skeptisch gehe ich diese Aufgabe an. Als allererstes muss die Druckwasserpumpe abgestellt und der Absperrhahn am Auslauf des Wassertanks verschlossen werden (diesen Absperrhahn gibt es übrigens auch erst seitdem ich damals mit dem Boiler rumgespielt habe – denn Man(n) lernt am Besten aus seinen Fehlern…). Das heisst, während der Arbeiten haben wir kein fliessendes Wasser mehr an Bord. Man ist als bestrebt, diese Arbeiten in einem Rutsch zu erledigen. Man definiere „Rutsch“…
Unser Boot ist inwischen 22 Jahre alt und der Originalwasserhahn im Bad war an seinem Lebensende angekommen. Wir haben natürlich sowohl einen neuen Küchenhahn, wie auch einen neuen Badezimmerhahn aus Deutschland mitgebracht. Erste Lernerfahrung: das hätten wir uns getrost sparen können, denn die Auswahl an Wasserhähnen ist auch hier in Panama mehr als genug gross, wie sich später herausstellen wird.
Metallteile, wie zum Beispiel dieser Wasserhahn, die seit 22 Jahren in der salzhaltigen Umgebung eines Bootes montiert sind, sitzen fest – bombenfest! Da braucht man schon ziemlich viel ÜberzeugungsKRAFT um das wieder zu lösen. Und genau das ist bei den beengten Verhältnissen an Bord gar nicht mal so einfach. Als erstes muss eine Wasserpumpe zum leeren des Duschsumpfs demontiert werden um überhaupt an die Unterseite vom Wasserhahn ranzukommen. Zudem muss ich alles quasi im Blindflug machen, da ich unmöglich zwei Hände und einen Kopf in den Unterschrank reinbringe. Beim Hahn selber ist es egal, wenn er dabei kaputtgeht (was auch prompt passiert) aber bei den Anschlüssen zu den Wasserleitungen, darf auf keinen Fall etwas kaputtgehen, denn das wäre der SuperGAU. Alle Leitungen sind nämlich beim Bau des Bootes VOR der Fertigstellung des Innenausbaus so verlegt worden, dass sie nachträglich zu grossen Teilen komplett unzugänglich sind. Wie ich das liebe…
Irgendwann ist der Hahn dann entfernt und sogar die Anschlüsse ohne Beschädigung gelöst und dann kommt die zweite Lernerfahrung: Wasseranschlüsse sind zwar (vermute ich wenigstens…) normiert, aber es scheint mehrere Normen zu geben. Die neuen Anschlüsse sind 3/8 Zoll gross, aber an Bord haben wir 1/2 Zoll Anschlüsse.
Zum Glück fangen wir solche Arbeiten immer morgens an, denn erstens ist es dann etwss kühler und zweites gibt es um 13 Uhr einen Shuttelbus zum Einkaufszentrum und den Baumärkten in Colon. Hier in der Marina gibt es sozusagen nichts. Der Ausflug dauert immer bis ca. 15:30 bis der Bus wieder in der Marina ist.
Wie zu erwarten gibt es in den Baumarkt kein passendes Reduzierstück, aber mit zwei Passstücken können wir die benötigte Reduzierung zusammenbasteln. Und siehe da, kurz vor 18 Uhr ist der neue Badhahn mit passenden und dichten Anschlüssen montiert und es sprudelt wieder Wasser im Boot. Noch schnell die Pumpe wieder einbauen und der Feierabend ist gerettet. War ja doch nicht so schlimm.
Mit den Erfahrungen vom Vortag (jetzt wissen wir ja wie es geht…) wird am nächsten Tag der leckende Hahn in der Küche in Angriff genommen. Nein, halt, stopp, zuerst müssen wir uns den Zugang zur Rückseite des Spülbeckens frei machen. D.h. als erstes wird unser Bett im Salon abgebaut und in der Achterkabine verstaut. Danach werden die Sitzbankpolster weggeräumt und eine Sitzbank komplett leergeräumt (die Sitzbänke im Salon sind der Hauptstauraum für unsere haltbaren Lebensmittel). Und zuletzt noch die kleine runde Zugangsklappe zur Rückseite von Spülbecken und Unterseite des Hahns öffnen.
Die Demontage geht dieses Mal trotz den etwas abstrusen Körperhaltungen ziemlich fix. Und auch der Einbau des neuen Hahns ist morgens um 10 Uhr schon fertig. Nur Wasser will keins kommen… Nach längerer Fehlersuche stellen wir erstaunt fest, dass der Hahn inwändig blockiert ist! Das lässt sich leider auch nicht reparieren, denn der Hahn (mit ausziehbarer Brause) ist derart schlau konstruiert, dass man ans Innenleben nicht rankommt.
Also wird wieder ein Ausflug zum Baumarkt fällig um einen neuen Küchenhahn zu erstehen. Und jetzt wissen wir auch, dass es hier in Colon keinen Mangel an Wasserhähnen in allen Formen und Farben hat. Es sei denn, man verguckt sich ausgerechnet in das chicke mattschwaze Modell, dass leider gerade ausverkauft ist. Und die Idee, dass man dem Kunden das Ausstellungsmodell verkaufen könnte, ist hier offenbar völlig unvorstellbar. Naja, dann wird es halt ein mattes silbriges Modell. Schnell die Anschlüsse visuell kontrolliert und sie „scheinen“ die richtige Grösse zu haben. Dritte Lernerfahrung: NIEMALS nur „gucken“, IMMER genau nachmessen…
Zurück an Bord ist der neue Hahn relativ schnell montiert, aber beim Anschliessen an den Wasserleitungen stellen wir fest, dass unsere Annahme „scheint die richtige Grösse zu sein“ eben nicht zutreffend war. Na, dann nehmen wir doch einfach die Zuleitungen vom Hahn der blockiert war (die Zuleitungsschläuche waren nicht blockiert). Also Hahn wieder demontieren. Geht inzwischen richtig fix von der Hand. Und danach die Zuleitungsschläuche beider Hähne abmontieren und austauschen, denn die Anschlüsse im Hahn selber sind doch standardisiert, oder? Sind sie nicht. Zum Glück passen schlussendlich die Schläuche vom urspünglichen leckenden Hahn mit dem Neuen aus Colon und so wird nach drei Anläufen endlich die Montage abgeschlossen und abends heisst es endlich wieder Wasser marsch an Bord von RARE BREED. Lernerfahrung Nummer vier: Entsorge nie ein Altteil, bevor du nicht sicher bist, dass das Neue wirklich funktioniert.
Und nach diesen zwei Tagen ist schon mal einer der vielen Punkte auf unsere To Do Liste erledigt. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.
Kurz nach unserer Rückkehr von der Reise mit dem Mietwagen, sitzen wir zusammen mit Tom und Hajo von der Segel.BAR im Marina Restaurant „The Dock“. Es ist Mittwochabend und damit “Pizza Special Night”, wo die ohnehin ziemlich preiswerten Pizzen mit 25% Rabatt angeboten werden. Irgendwie habe ich keine rechte Lust zu essen, und mir wird von Minute zu Minute mieser. Als die Pizza schlussendlich serviert wird, bekomme ich keinen Bissen runter und gehe stattdessen zurück an Bord, wo ich sofort einschlafe. Auch am nächsten Tag bin ich krank. Anfänglich denken wir uns nichts Grosses dabei, die üblichen Grippesymptome halt. Aber irgendwie wird es auch nach ein paar Tagen nicht wirklich besser – im Gegenteil, ich schlafe fast nur noch. Zu allem Überfluss fällt Biggi noch die Treppen zum Backbordrumpf runter – sie kommt mit nassen Füssen ins Boot und zack, sitzt sie mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der untersten Stufe. Zum Glück gibts ausser blauen Flecken keine weiteren Schäden zu verzeichnen. Inzwischen haben unsere Nachbarn natürlich auch mitbekommen, dass unser Boot eine Art Krankenstation geworden ist und sie erkundigen sich täglich nach dem werten Befinden. Als ich dann auch den Appetit verliere, besteht Biggi darauf, dass ich mal Fieber messe. Selbstverständlich bedeutet das, im Notfallset nach dem Thermometer zu graben und zu sehen, ob es überhaupt noch tut. Es tut – und wie es tut: Es zeigt nämlich 40,3° Fieber an!
Inzwischen ist es Freitagabend (wie könnte es anders sein…) und stockdunkel draussen. Biggi berät sich mit den anderen Seglern (inzwischen stehen sechs Leute neben unserem Boot rum, inklusive einer Krankenschwester) und plötzlich fällt das Wort “Denguefieber!” Meine Symptome passen anscheinend ziemlich gut auf Denguefieber und da diese Krankheit manchmal mit inneren Blutungen einhergeht, bin ich – wenn auch nur widerwillig – überredet, dass es Zeit ist ins Krankenhaus zu fahren.
Jetzt merken wir wieder einmal, wie die sprichwörtliche Solidarität unter den Seglern zum Tragen kommt. Während Biggi in aller Eile die nötigsten Sachen zusammen packt, falls wir im Krankenhaus bleiben müssen, organisiert unser Nachbar Dietmar ein Taxi für uns. Ich bin ziemlich apathisch, aber nicht so sehr, wie ich angesichts der hohen Temperatur hätte sein müssen. Trotzdem begleitet Dietmar uns zum Taxi und stellt sicher, dass ich nicht unterwegs ins Wasser plumpse. Quer durch die Nacht geht es dann nach Colon ins Krankenhaus. Dort angekommen werden zuerst die Vitalwerte von einer Krankenschwester gemessen, die danach – ohne uns die Ergebnisse zu zeigen – wortlos verschwindet. Irgendwie erstaunt uns das, denn bei über 40 Grad Fieber würde man meinen, dass dies irgendwelche Massnahmen auslösen würde. Stattdessen kommt irgendwann ein Arzt und fragt mich, was denn das Problem sei. Wir erklären es ihm und bitten um einen Bluttest, um sicherzugehen, dass es kein Denguefieber ist. Ich schlafe immer wieder ein und habe kein richtiges Zeitgefühl, aber es wird ein Test gemacht und auch vor Ort ausgewertet. Nix Denguefieber, sondern eine ganz normale Virusinfektion, welche hier anscheinend auch nicht ganz unüblich ist. Unser Taxifahrer wartet die ganze Zeit geduldig auf uns und fährt noch mit uns zu einer nachtoffenen Apotheke bevor er uns schlussendlich zurück zur Marina bringt – inkl. persönliche Begleitung bis zum Boot. Als wir zahlen wollen (also eigentlich Biggi, denn ich will nur ins Bett), winkt er nur ab und meint, dass das alles schon passiert sei. Am Tag darauf weigert sich auch Dietmar, Geld von uns zu nehmen. “Das sei doch selbstverständlich und schon gut, für das seien sie schliesslich da!”
Inzwischen geht es Biggi auch langsam schlechter – das Virus hat auch sie erwischt und auch bei ihr zeigt das Thermometer knapp 40 Grad an. Sie ist aber trotzdem noch halbwegs fit und so fangen wir langsam an, die Messwerte vom Thermometer anzuzweifeln.
Auch ein Batteriewechsel im Thermometer ändert nichts an den Ergebnissen.
Unsere Nachbarn erkundigen sich alle immer wieder nach uns, aber das Ganze scheint eine zähe Angelegenheit zu sein. In diesen Tagen bewährt sich die Klimaanlage übrigens hervorragend, denn so können wir wenigstens das Boot ein wenig runterkühlen und uns etwas Linderung verschaffen. Als Dietmar und Susan uns so rumhängen sehen, bekommen sie wohl noch mehr Mitleid und eines Abends klopft es an der Bordwand und wir bekommen zwei schön gefüllte Teller mit einem leckeren Nudelgericht mit Hähnchen rüber gereicht. Was für coole Nachbarn wir doch haben!
Irgendwann beschliessen wir, dass wir fit genug sind, um wieder einkaufen zu gehen, und als erstes wird ein neues Fieberthermometer besorgt. Und siehe da – das neue Thermometer zeigt durchs Band 1,5 Grad weniger an als das Alte! Jetzt verstehen wir auch, wieso wir trotz dem hohen Fieber funktioniert haben und auch wieso sie im Krankenhaus so entspannt waren. Was für eine Aufregung für nichts! (Als nächstes schauen wir nach einer Waage, die auch ein paar Kilo weniger anzeigt 🙂 …)
Frank und Heike von der MANATEE haben uns schon seit längerem gefragt, ob wir ihnen helfen könnten, wenn sie durch den Panamakanal gehen. Jedes Boot, welches den Panamakanal durchfährt, muss nämlich neben dem Skipper vier weitere Personen als Line Handler an Bord haben. Jedes Boot braucht vier 40m lange Leinen und pro Leine eine Person, der dieselbe bedient. Zum Glück ist unsere Grippe rechtzeitig vorbei, damit wir unser Versprechen, bei ihnen als Line Handler mitzukommen, einlösen können.
Am Sonntag, 28. April fahren wir mit der MANATEE am frühen Nachmittag aus der Marina raus, um den Lotsen draussen in den “Flats” in der Limon Bay an Bord zu nehmen. Wie fast erwartet, verspätet er sich um zwei Stunden und wir dürfen vor Anker warten. Als er dann kommt, stellt er sich als Rick vor und fragt nach unseren Namen. Von da an spricht er jeden an Bord mit dem Namen an. Als er Biggi fragt, wie oft sie schon durch den Kanal gefahren sei und sie antwortet, dass es ihr erstes Mal sei, meint er: “ Ja, für mich auch – heute! 😉 ”. In bester Laune machen wir uns auf den Weg zur ersten Schleuse. Mit so einem Lotsen macht es richtig Spass.
Vom Atlantik kommend wird man in den Gatunschleusen in drei Stufen auf das Niveau des Gatunsees hoch geschleust, um auf der Pazifikseite durch die zwei Schleusen „Pedro Miguel Locks“ und „Miraflores Locks“ auf das Niveau des Pazifiks runtergeschleust zu werden.
Dabei werden wir vor der Schleuse zusammen mit einem grossen Katamaran und einer weiteren Yacht zu einem Verbund zusammengebunden. Als Dreierpäckchen mit dem grossen Kat in der Mitte fahren wir in die erste Kammer rein.
Auf jeder Seite der Schleusenkammer (gaaaanz weit über uns) warten jeweils zwei Mitarbeiter vom Kanal. Weil es nicht möglich ist, unsere dicken Leinen so weit zu werfen (die Kammer ist riesig und wir sind ca. 10-20 m von der Wand weg) werden uns stattdessen von den Kanalmitarbeitern dort oben dünne Leinen mit einer sog. “Affenfaust” am Ende zugeworfen. Die Affenfaust ist eine von Schnur ummantelte Bleikugel in der Grösse eines Golfballes. Die ist entsprechend schwer und ermöglicht ein halbwegs zielgenaues Werfen. Die Kanalmitarbeiter versuchen natürlich so genau wie möglich zu zielen, aber wenn die Affenfäuste durch die Luft sausen heisst es unten auf dem Boot gut aufzupassen, damit man sie nicht an den Kopf kriegt. Uns hat es nicht erwischt, aber leider ist eine der Affenfäuste auf eine der Decksluken von der MANATEE gelandet, die prompt einen grossen Riss bekommt.
Jetzt werden die dicken Festmacher von den Line Handlern mit den dünnen Leinen zusammengebunden und von den Kanalmitarbeitern hochgezogen. Während des Schleusenvorgangs wird das Dreierpäckchen Boote von vier Festmacherleinen in der Mitte der Kammer gehalten. Dabei sind nur zwei der Line Handler der beiden äusseren Booten in Aktion, um die Leinen schön straff zu halten, die restliche Mannschaft kann sich derweil ausruhen.
Wenn die Kammer voll ist, ertönt ein Ton und die Line Handler holen die Festmacher so schnell wie möglich wieder ein. Dabei bleiben die dünnen Leinen an den Festmachern dran, damit die Verbindung für die nächste Kammer schon da ist.
Zwischen den Kammern fahren wir langsam als Dreiergespann weiter während die Kanalmitarbeiter oben mitlaufen und uns an den dünnen Leinen “festhalten”. Das Ganze wiederholt sich drei Mal und dann sind wir auf dem Niveau des Gatunsees.
Der Gatunsee ist beim Bau des Kanals künstlich aufgestaut worden und ist von dichtem Dschungel umgeben. An sich ist nur schon die Durchfahrt durch den See ein Erlebnis für sich, denn es wimmelt von Vögeln und anderen Tieren, die man aber nicht immer sieht. Freizeitboote dürfen nachts hier nicht fahren und so ist bei uns nach der Gatunschleuse schon fertig für heute und wir binden uns im letzten Abendlicht für die Nacht an eine grosse Festmachertonne im See. Rick wird mit einem Pilotboot abgeholt und wir richten uns für die Nacht ein.
Eigentlich hätte ich gerne ein Bad im See genommen (wann bin ich zum letzten Mal in Süsswasser geschwommen?), denn es ist stickig warm, aber das ist wegen der Krokodile untersagt. Rick meinte noch, ich solle mir vorher überlegen, was ich den Krokodilen anbieten möchte, einen Arm oder ein Bein. Ich nehme Rick das nicht wirklich ab, aber halte mich an die Vorgaben.
Am nächsten Morgen kommt der neue Lotse schon um 06:30 an Bord und ab jetzt ist es fertig mit der Ruhe. Im Gegensatz zu Rick, der völlig entspannt war und mit dem wir viel Spass hatten, hat Jose wohl einen Stock geschluckt und nimmt sich selbst sehr wichtig. Kaum an Bord (eine Vorstellung gab es keine, denn unsere Namen haben ihn nicht interessiert) verlangt er von Frank, den er übrigens immer mit „Captain“ anspricht, dass er sofort mit Höchstgeschwindigkeit losfahren soll. Wir schauen uns alle etwas verwundert an, und trauern schon bald Rick nach.
Vor uns liegen ca. 40 Seemeilen bis zu den beiden Schleusen an der Pazifikküste des Kanals. Der grösste Teil der Strecke geht durch den See und ist alles andere als eng. Jose zwingt uns ganz nah an den Tonnenstrich, also am Rand des Fahrwassers zu fahren, und zwar so nahe ran, dass wir fast die Tonnen touchieren. Das ist erstens gar nicht nötig und zweitens müssen wir deswegen ständig den Kurs anpassen. Alle paar Minuten kommt ein “Port!” oder “Starboard!” von Jose. Irgendwie hat er wohl noch nicht verstanden, dass der Autopilot einer Yacht immer leichte Kursschwankungen hat. Irgendwann wird es uns zu blöde und wenn er wieder mal eine unnötige Kurskorrektur verlangt, drückt der Rudergänger einfach je einmal auf 1° Steuerbord und danach auf 1° Backbord, so hört Jose zwei Piepser und ist zufrieden.
Auf dem Weg durch den See sehen wir tatsächlich insgesamt fünf zum Teil richtig grosse Krokodile vorbeischwimmen. Hat vielleicht doch was mit dem Badeverbot… Schni, schna, schnappi… 😉
Unterwegs lässt Jose nach und nach die Geschwindigkeit reduzieren und will, dass wir auf ein Zehntelsknoten genau seine Vorgaben einhalten. Wir tun wie geheissen, aber innerlich können wir nur über ihn lachen. Hier hat er mit Leuten zu tun, die schon seit Jahren mit ihrem Boot um die Welt segeln und schon x Mal durch enge Fahrwasser gefahren sind und bereits diverse Schleusen bewältigt haben, und er verhält sich wie wenn es ohne ihn gar nicht gehen würde. Naja, irgendwie muss er seine Anwesenheit an Bord wohl rechtfertigen.
Am Ende des Sees müssen wir dann doch warten, weil wir zu schnell waren und zu früh am engeren Teil, dem “Gaillard Cut”, angekommen sind. Sowas aber auch…
Gegen Mittag kommen wir vor den Schleusen auf der Pazifikseite an und binden uns wieder mit denselben beiden Booten zu einem Päckchen zusammen.
Jetzt geht es wieder abwärts, zuerst durch die Einzelkammer der Pedro Miguel Schleuse und nach einer kurzen Weiterfahrt zu den beiden Kammern der Miraflores Schleuse. Auch hier fliegen die Affenfäuste, aber wir haben dazugelernt und alle Fenster und Luken mit Kissen und anderem Material abgedeckt.
Nach dem letzten Schleusengang wird Jose vom Pilotboot abgeholt und wir müssen es tatsächlich schaffen, die letzten paar Meilen ohne seine Anweisungen weiter zu fahren…
Gegen 15 Uhr machen wir in der Flamenco Marina in Panama Stadt fest. Nach einem etwas traurigen Abschied – es wird wohl eine Weile dauern, bis wir Frank und Heike wiedersehen – machen wir uns per Uber auf den Rückweg zur Shelter Bay, wo wir gerade noch rechtzeitig zur Happy Hour ankommen 🙂
In der Woche bevor wir durch den Kanal fahren und auf dem letzten Drücker der Grippe, hat unser Spanischunterricht angefangen. Drei Mal die Woche kommt Anisha, eine junge, sehr sympathische Inderin, die in Indien ein Sprachinstitut aufgebaut hat, zu uns in die Marina. Vor kurzem hat sie geheiratet und ist zu ihrem Mann nach Panama gezogen, wo sie Privatunterricht in Spanisch und Englisch und sogar auch Deutsch gibt. Es hat hier einen klimatisierten Aufenthaltsraum mit Arbeitstischen und anderen Sitzgelegenheiten. Dort findet der Unterricht statt und wir verbringen zusätzlich einige Stunden pro Tag dort, um zu repetieren und die Hausaufgaben zu machen. Wir haben die Schulungsintensität für die erste Zeit bewusst hoch angesetzt, um eine Art “Kick-start” zu bekommen. Inzwischen haben wir realisiert, dass unser Programm wirklich SEHR anspruchsvoll ist, denn wir kommen daneben zu fast gar nichts mehr. Dieser Bericht entsteht in einer kurzen Lernpause wegen des lokalen Feiertags. Anisha wollte den freien Tag zwar kompensieren indem wir drei Tage nacheinander Unterricht hätten, aber wir haben dankend abgelehnt. Irgendwie müssen sich unsere Hirne zuerst an dieses Lerntempo anpassen. Nichtsdestotrotz merken wir erstaunlicherweise, wie wir nach nur zwei Wochen Unterricht schon in der Lage sind, einfache Konversationen zu betreiben. Und jeder Panamaer, der nicht bei “drei auf’m Baum“ sitzt, wird gnadenlos von mir auf “Spanisch” angequatscht.
Welcome to Panama! – Oder wie ein Mietwagen einfach verschwindet…
23.02.-09-04.2024, San Blas – Panama Festland, Logstand seit Start 8‘369 sm
Unser Lieblingsankerplatz in San Blas vor der Insel Banedup hält uns fast auf den Tag genau einen Monat „gefangen“. Viele Ankerplätze in den San Blas sind relativ ungeschützt oder man ankert in eher tiefem Wasser, und viele der Inseln sind bis ans Wasser mit dichtem Gestrüpp bewachsen, sodass man nicht wirklich an Land gehen kann. Banedup in den Holandes Cays bietet einen gut geschützten Ankerplatz in eher flachem Wasser und es hat einige Inseln, die man komplett am Strand entlang umrunden kann. Dass es auch noch eine kleine Strandbar, ein Restaurant und sogar zwei Beachvolleyballfelder hat ist natürlich ein Extrabonus, den wir und viele andere Segler gerne schätzen. So ist hier immer etwas los und schwupps ist ein Monat um 😉
Die Kunas dort kennen uns auch langsam und so entstehen immer wieder nette Begegnungen und Gespräche. Mit unserem (noch) sehr holperigem Spanisch ist es manchmal etwas schwierig, aber irgendwie versteht man sich dann doch. Als wir einen Dinghyausflug zur Nachbarinsel machen, werden wir sofort von einigen Kunakindern in Empfang genommen und händchenhaltend zeigen sie uns ihre schöne Insel. Rein „zufällig“ endet der Ausflug neben einer Hütte, wo handgemachter Schmuck verkauft wird. Ganz schön geschäftstüchtig die Kleinen 😉 Logisch, dass wir ein Armband kaufen wollen. Es kostet 5.- Dollar, aber auf der ganzen Insel findet sich niemand, der eine 20.- Dollar Note wechseln kann. Kein Problem – mit Händen und Füssen erklären wir, dass wir zum Boot zurückfahren um einen passenden Schein zu holen. Die Kunakinder wachsen sozusagen auf dem Wasser auf und so wollen sie alle natürlich zu unserem Boot mitkommen. Die inzwischen auf 8 Kinder angewachsene Gruppe hilft eifrig mit, das Dinghy ins Wasser zu ziehen und völlig überladen tuckern wir mit der ganzen Kinderschar zu RARE BREED zurück. Der Kleinste ist gerade mal vier Jahre alt und der Älteste 14. Da wir keine Ahnung haben, ob die Kinder schwimmen können sind wir natürlich extra vorsichtig und halten den kleinsten Mitfahrer die ganze Zeit an der Hand. An Bord finden alle rasch einen Sitzplatz im Cockpit und schauen sich etwas scheu um. Als dann ein Teller Kekse auf den Tisch kommt ist der Bann gebrochen und es dauert keine Minute und alles ist aufgefuttert. Auch der Inhalt vom zweiten Teller verschwindet in rekordverdächtiger Geschwindigkeit in den Mündern der Krümelmonster. Nach der Rückreise und Bezahlung des Armbandes winkt uns die ganze Schar zum Abschied vom Strand aus zu. Ein schönes Erlebnis, welches uns wieder vor Augen führt, dass wir dringend Spanisch lernen sollten.
Gegen Ende unserer Zeit in den San Blas kaufen wir nochmals einen lebendigen Hummer von einem lokalen Fischer. Erst nach dem Kauf wird uns bewusst, dass bereits Schonzeit ist und gar keine Hummer gefangen, geschweige denn verkauft werden dürften. Also beschliessen wir eine gute Tat zu machen und lassen das Tier wieder frei.
In den San Blas ist die Versorgung mit Benzin nur an wenigen Orten möglich und wir hatten daher alle Kanister vor der Abfahrt in Linton Bay gefüllt. Schlussendlich haben wir nur sehr wenig Benzin gebraucht und konnten damit einem anderen Segler eine grosse Freude machen, indem wir ihm kurz vor der Abfahrt 45 l Benzin verkaufen.
Aber auch der schönste Ankerplatz muss irgendwann verlassen werden. Unsere Aufenthaltsbewilligung in Panama läuft Ende März aus und wir müssen aus- und wieder einreisen, um wieder ein neues Touristenvisum zu bekommen.
Nach den vier Wochen am gleichen Ort, dauert es eine ganze Weile, bis wir den tief vergrabenen Anker wieder an Deck bekommen. In zwei Tagestörns mit einem Übernachtungsstopp in Portobelo wollen wir nach Colon in die Shelter Bay Marina. In Portobelo besucht uns abends noch ein Delfin in der Ankerbucht und die Brüllaffen geben ein lautes Abendkonzert.
Tags darauf geht es bei diesigem Wetter die wenigen Meilen nach Colon weiter. Schon von weitem sind die vielen Pötte zu sehen, die draussen auf Reede liegen und auf ihre Kanalpassage warten. Die Einfahrt nach Colon ist gleichzeitig die Zufahrt zur Atlantikseite vom Panamakanal und wird entsprechend genau überwacht und geregelt.
Ca. 8 Seemeilen vor der Einfahrt muss man sich über Funk bei der Balboa Pilot Station anmelden und bekommt kurz vor der Einfahrt dann von ihnen das OK, um im riesengrossen Vorhafen einzufahren. 15 Minuten später sind wir schon an unserem Liegeplatz in der Marina angekommen. Die Einfahrt in der Box gestaltet sich wegen den engen Verhältnissen und dem Seitenwind etwas schwieriger als erwartet, aber mit Ruhe und einem weiteren Anlauf hat Biggi RARE BREED ohne Schrammen an den Steg gebracht.
Nach so langer Zeit vor Anker ist der Kontrast zum Marinaleben schon krass. Man kann jederzeit an Land steigen, hat Strom und Wasser im Überfluss und vor allem Nachbarn unmittelbar neben dem eigenen Boot. Am ersten Abend gibt es ein schönes Wiedersehen mit den Crews von der USI und der SEGEL.BAR, die wir zuletzt vor mehr als einem Jahr in St. Martin getroffen haben.
Da wir auf dem Weg von Curaçao nach Panama Kolumbien ausgelassen haben, bietet es sich an, zwecks Erneuerung des Touristenvisums einen Kurzausflug nach Cartagena zu machen, um diese schöne Stadt auch zu sehen.
Nach einem kurzen Flug landen wir am 22. März in Cartagena. Zuerst müssen wir am Flughafen einen Bankautomaten finden, um Kolumbianische Pesos für das Taxi in der Stadt zu ergattern. Bei dem geringen Wert des Pesos wird man dabei schnell zum Millionär 😉
Mit einem Bündel Geld im Hosensack lassen wir uns mit dem Taxi zu unserem Airbnb bringen, welches sich mitten in Getsemani, DAS Ausgehviertel von Cartagena befindet. Von der Terrasse von unserem Zimmer aus sieht man direkt auf die bekannte Gasse mit den vielen aufgehängten Schirmen, zentraler geht nimmer!
Wir waren vorgewarnt, dass es hier laut sein würde und die Ohrenstöpsel, die uns der Vermieter auf den Kopfkissen bereitgelegt hat, sprechen eine deutliche Sprache… So ist es dann auch, das Quartier pulsiert vor Lebensfreude und der Salsasound ist allgegenwärtig. Die Party geht JEDE Nacht bis in die frühen Morgenstunden und danach kommen die Jungs von der Strassenreinigung, die selbstverständlich ihre Arbeit mit lautem Salsasound aus grossen Bluetoothlautsprechern versüssen… Irgendwann kann man auch beim grössten Lärm einschlafen, aber wie die Ortsansässigen das tagaus, tagein aushalten ist uns ein Rätsel.
Abends und nachts sind die Strassen voll mit feiernden Menschen, es gibt unzählige Bars, die ihre Sitzgelegenheiten auf dem Trottoir haben und das Durchkommen dadurch noch schwieriger machen.
Man wird quasi dazu „genötigt“ 😉 einen der vielen Cocktails zu probieren… Zwei Mojitos kosten gerade mal 20‘000.- Pesos was ungefähr 5.- Dollar entspricht. Die Preise sind überhaupt erstaunlich tief, was man wegen den immensen Beträgen auf den Preislisten erst mal realisieren muss. Und die Küche ist vielseitig und gut. Die Auswahl ist ebenfalls riesig und von wirklich sehr günstigem Street Food über Tapas bis zum Steak bekommen wir alles was das Herz begehrt.
Cartagena hat, neben dem Kunst- und Partyviertel Getsemani, auch eine schöne ummauerte Altstadt und einen kleinen Stadtpark, wo wir sogar Faultiere und Affen frei rumwuseln sehen. Wobei man bei den Faultieren wohl eher von „Abhängen“ reden sollte 😉
Mit dem „Hop on, hop off“-Bus erfahren wir (im wahrsten Sinn des Wortes) alle Sehenswürdigkeiten von Cartagena.
Ein Besuch im bekannten Caféhaus „San Alberto“ darf natürlich auch nicht fehlen. Dort erfahren wir viel über den Kolumbianischen Kaffee und können über unterschiedliche Zubereitungsarten die verschiedenen Geschmacksnoten erleben.
Vollbepackt mit neuen Eindrücken und feinem kolumbianischen Kaffee, fliegen wir nach fünf Tagen wieder nach Panama zurück.
Bei der Passkontrolle werden wir von einem Beamten angewiesen, in einer gesonderten „Expressschlange“ anzustehen. Erst nach ein paar Minuten dämmert es uns, dass Senioren hier (wie an vielen anderen Stellen in Panama auch) ungefragt bevorzugt behandelt werden. Ist ja grundsätzlich nett, aber irgendwie ist es ernüchternd feststellen zu müssen, dass wir inzwischen offenbar zu den „senior Citizens“ gehören. Immerhin ist der Panamaische Begriff „Jubilado“ irgendwie sympathischer als Rentner…
Nach einer Nacht in einem Hotel in Panama City wollen wir am nächsten Tag unseren schon vor Wochen reservierten Mietwagen bei Avis abholen. Aber daraus wird nix, denn die Dame bei Avis erklärt uns, dass sie keine Autos mehr haben! Das gibt es doch nicht!? Wir fallen aus allen Wolken, so etwas haben wir beide noch nie im Leben erlebt! Da nützt alles Bitten, Toben und Fluchen nichts. Kein Auto da – weder in der Stadt noch am Flughafen und ihr Chef sei schon in den Osterferien verschwunden… „Lo siento!“ Ich koche vor Wut, aber das bringt ja nichts. Es ist wie es ist und Biggi meint nur lakonisch „Welcome to Panama!“
In unserer Not – wir brauchen wirklich ein Auto, da wir eine Reise entlang der Panamaischen Pazifikküste mitsamt vorreservierten Unterkünften geplant haben – mieten wir einen Wagen bei der Konkurrenz auf der anderen Strassenseite. Teurer, kleiner und nur für 11 statt 30 Tage. Grummel!
Dass wir offenbar kein Einzelfall sind wird uns klar, als wir bei „Crown Rent a Car“ ein Pärchen treffen denen genau dasselbe widerfahren ist, aber bei einem anderen Vermieter. Später haben uns andere panamaerfahrene Leute erzählt, dass das tatsächlich nicht so ungewöhnlich sei – vor allem so kurz vor den Feiertagen in der Hauptsaison. Anscheinend werden vorreservierte Autos von der Mietstation in Eigenregie kurzfristig zu höheren Preisen an Laufkundschaft vermietet. Welcome to Panama.
Wir haben inzwischen entschieden, die Regen- und Gewitterzeit von April bis November in der Shelter Bay Marina zu verbringen. Die Idee nach Bocas del Toro zu segeln, uns dort in die Marina zu legen und die Sprachschule vor Ort zu besuchen, haben wir verworfen. Erstens können wir dort keinen Platz reservieren (Strictly first come, first served) und zweitens haben wir von mehreren Seglern zu hören bekommen, dass es dort wegen dem intensiven Taxi-Bootsverkehr in der Marina sehr unruhig sei. Da ist es hier in der Shelter Bay Marina wesentlich ruhiger.
Panama hat zwar keine tropischen Wirbelstürme, stattdessen gibt es während der Regenzeit heftige Gewitterstürme, gegen die man sich auf einem Boot fast nicht schützen kann. Wenn ein Blitz im Mast einschlägt kann der Schaden sehr gross werden. In einer Marina gibt es rund um uns herum viele höhere Masten, und wir denken uns, dass das Risiko, dass es ausgerechnet uns trifft, hier kleiner ist, als wenn wir irgendwo alleine vor Anker liegen. Wir hoffen, dass wir uns da nicht täuschen…
Zudem bietet die Marina einige Annehmlichkeiten, die sehr praktisch sind, wenn man länger an einem Ort bleibt. Es gibt einen kleinen Lebensmittelladen und einen Gemüsestand in bzw. vor der Marina, ausserdem fährt der kostenlose Shuttlebus zwei Mal täglich zum grossen Einkaufzentrum Cuatro Alto in Colon. In der Marina selber gibt es einen Pool und sogar ein kleines klimatisiertes Fitnesscenter, einen klimatisierten Aufenthaltsraum mit WLAN und Arbeitstischen und eine überdachte Grillstelle. Alles das ist in den Liegeplatzgebühren enthalten.
Die Marina liegt mitten in einem Naturschutzgebiet und unmittelbar vor dem Tor fängt der Regenwald an, wo es Brüllaffen, Faultiere, Nasenbären und sehr viele Vögel usw. zu sehen bzw. hören gibt. Und gelegentlich schwimmt sogar ein Krokodil durch die Marina…
Es ist also kein Wunder, dass es viele Yachten hier hat, und die Seglergemeinschaft ist wirklich sehr aktiv und unternehmungslustig. Alle sind in der Shelter Bay WhatsApp-Gruppe und es wird täglich rege diskutiert, gefragt, geholfen und Aktivitäten angeboten. Sonntags ist ein regelrechter „Stresstag“: Morgens um 10 ist Gottesdienst (wer das möchte) und um 13 Uhr kann man beim Mexican Domino Train mitspielen. Um 17 Uhr wird der Grill eingeheizt und jeder der will bringt sein Grillgut, etwas zu trinken und eine Beilage zum Teilen.
Das Restaurant hat täglich von 16:30-18:30 Happy Hour, wo ein Bier für gerade mal 1.75 Dollar zu haben ist und mehrmals die Woche wird ein Special Menu angeboten, welches um die 12 bis 15.- Dollar kostet. Also leisten wir uns auch ab und zu ein Auswärtsessen.
ABER, das Leben an Bord in der Marina hat auch seine Herausforderungen. Das Klima ist hier nämlich während der Regenzeit brutal warm und feucht. Im Schiff hat es locker 35 Grad und der Schweiss läuft einem nur schon vom Nichtstun in Strömen runter. Das ist einerseits sehr anstrengend und andererseits fängt alles im Boot an zu schimmeln. Die einzige sinnvolle Lösung ist eine Klimaanlage im Boot. Dadurch wird es nicht nur weniger heiss – „nur“ noch 30 Grad, aber vor allem viel trockener im Boot.
Auf dem Rückweg von Panama City kaufen wir uns daher eine portable Klimaanlage, die wir mit dem Mietwagen einfach zum Boot bringen können. Nachdem wir sie endlich zum Laufen bekommen (ich dachte irrtümlicherweise, dass sie 110 Volt braucht, dabei ist es ein 220V Gerät…) ist es wieder möglich tagsüber im Boot zu sein, ohne tropfnass zu werden. Wir haben sie bewusst auf kleiner Stufe laufen, da wir keinen zu grossen Unterschied zur Aussentemperatur wollen, aber bereits 5 Grad weniger als draussen und es ist richtig angenehm im Boot.
Am 30. März fahren wir nach Coronado bzw. San Carlos an der Pazifikküste um diesen Teil von Panama zu sehen.
Wir haben ein herziges Airbnb mitten im Nirgendwo gebucht. Vor unserer Terrasse ist ein Fischteich, die Hühner laufen durch den Garten und die drei Katzen werden auf der Stelle von Biggi „adoptiert“. Aber das coolste ist die Aussenküche auf der Terrasse, so etwas hätten wir auch gerne an Bord.
Hier bekommen wir neben einem Dutzend Bio-Eier auch sofort Familienanschluss und Ayana, die erwachsene Tochter erzählt uns bei einem Kaffee auf unserer Terrasse viel über Panama und die Umgebung. So haben wir schnell ein paar Ausflugsziele ausgemacht und verbringen die nächsten Tage damit die Gegend zu erkunden.
Dieser Teil von Panama wird auch der „Dry Arch“ (Trockener Bogen) genannt, weil es hier wesentlich trockener als im übrigen Land ist. Aber sobald man die Küste verlässt und ins Hochland im Landesinneren fährt wird es wieder grüner und fruchtbarer. Die dichten Regenwälder, die wir von der Atlantikseite kennen, sind hier aber nicht vorhanden, es wirkt eher subtropisch.
Nach Rückgabe des Mietwagens richten wir uns auf einen längeren Aufenthalt in der Marina ein. Rare Breed wandelt sich vom Segelboot zum Haus und vieles was beim Segeln verstaut ist, kann jetzt stehen bleiben. Mit einem „geregelten“ Tagesablauf hoffen wir die Zeit hier gut dazu nutzen zu können um z.B. unsere To Do Liste abzuarbeiten. Viele kleinere und weniger wichtige Aufgaben/Verbesserungen sind schon länger drauf und es wäre cool, wenn wir die mal abhaken können. Ausserdem machen wir täglich ein bisschen Sport und haben auch schon das Fitnesscenter in unser Sportprogramm eingebaut. Und ab übernächster Woche fängt unser Spanischunterricht an. Wir haben eine Privatlehrerin engagiert, die drei Mal in der Woche zu uns in die Marina kommt um uns jeweils für zwei Stunden zu unterrichten. Schlussendlich war das günstiger als einen Klassenkurs zu buchen, den es sowieso nur in Bocas del Toro gegeben hätte.
20.01.-22.02.2024, San Blas, Logstand seit Start 8‘285 sm
Je weiter südlich man in den San Blas geht, desto trüber wird das Wasser. Nicht weil es verschmutzt wäre, aber weil die vielen Flüsse vom Festland Sediment ins klare Atlantikwasser schwemmen. Diese Flüsse mäandern sich durch dichten Dschungel bis sie ins Meer münden. Da es dort Trinkwasser gibt, liegen auch die „grösseren“ Kuna-Siedlungen in der Nähe solcher Flussmündungen. Einen solchen Fluss wollen wir erkunden und machen uns auf den Weg zum Rio Diablo, der direkt neben den beiden Inseln „Nargana-Yandup“ und „Corazon de Jesus-Akuanusatupu“ mündet. Die beiden Inseln sind über eine Brücke miteinander verbunden und so dicht bebaut, dass man vor lauter Häuser und Hütten fast keinen Flecken Land mehr sieht. Die äusserste Reihe von kleinen Häuschen liegt durchwegs über dem Wasser und es braucht nicht viel Fantasie um zu verstehen, was deren Zweck ist. Baden (oder Wasser machen) wollen hier auf keinen Fall…
Die Flussmündung ist im Dickicht vom Dschungel fast nicht zu finden und ausserdem ist es so flach, dass wir den Aussenborder hochklappen und mit den Paddeln einen Weg ertasten müssen.
Einmal drin, ist es wie wenn man in eine völlig andere Welt eintaucht. Es ist sehr ruhig. Ausser das Knacken der Äste und das Zwitschern der Vögel ist nichts zu hören. Tiere sehen wir nicht sehr viele, vermutlich, weil der Fluss doch einiges an Verkehr hat, da die Wasserquelle weiter oben fleissig von den Kunas angesteuert wird.
Nach der Flussfahrt gehen wir auf den Inseln an Land. Es wimmelt regelrecht von Menschen und wir wundern uns ein bisschen, dass die Leute alle so eng beieinander leben, wo es doch auf dem Festland, nur wenige Bootsminuten weg unendlich viel Land hätte, wo sie auch eine Hütte hinstellen könnten.
Von Nargana im Süden segeln wir via Canbombia zu den Lemon Cays.
Karin von der Deutsch/Schweizer Yacht MABUL fliegt für ein paar Tage in die Schweiz und ist so lieb wichtige Post von uns wieder mit zurück nach Panama zu bringen. Nach sechs Wochen in den San Blas machen wir uns anfangs Februar auf den Weg nach Linton Bay, wo wir Alex und Karin treffen wollen. Das sind rund 45 Seemeilen (ca. 7 Stunden) entlang der Panamaischen Festlandküste gegen Westen. Nach der langen Zeit in den geschützten Gewässern der San Blas segeln wir zum ersten Mal wieder in der Atlantikdünung und das Boot rollt ganz ordentlich. Ich freue mich über die gute Fahrt, Biggi leider weniger… Sie wird dieses Mal richtig seekrank und muss sich mehrfach übergeben. Weil wir wieder auf dem offenen Meer sind, haben wir auch wieder die Angel draussen und prompt beisst ein Fisch an. Biggi ist nicht in der Lage ihre Umklammerung vom Eimer zu lösen und so muss ich den Fisch alleine reinholen. Es ist der grösste Gelbflossenthunfisch, den wir bis jetzt gefangen haben. In dieser Hitze muss das Fleisch so schnell wie möglich in den Kühlschrank. Das Riesenvieh passt nicht mal ansatzweise dort rein und so muss ich den Fisch zuerst fiLletieren und auch die Filets in Stücke schneiden, damit alles an die Kälte kommt. Das tönt jetzt nicht so wild, aber das Ganze muss wegen der Sauerei draussen auf der Heckplattform gemacht werden, während das Boot mit 7-8 Knoten durch die Wellen schaukelt. Wenn wir das zu zweit machen, geht es noch, aber alleine artet es in einen Jonglier- und Balanceakt aus, damit ich nicht den Fisch verliere oder die Messer über Bord gehen. Dabei bleibt sogar das obligate Bild vom Fisch auf der Strecke. Aber sechs Kilo Thunfischfilet im Kühl- bzw. Gefrierschrank ist schon was Tolles und die Mühe wert.
Die erste Nacht ankern wir in der Linton Bay. Das wird die bisher schlimmste Nacht vor Anker. Das Boot rollt derart (obwohl es ein Katamaran ist!), dass wir kaum schlafen können und Biggi gar nie richtig fit wird. Um neun Uhr am nächsten Morgen sind wir schon in der Marina festgemacht. Endlich Ruhe im Boot!
Am Tag darauf kommt Karin mit unserer Post und bekommt als kleines Dankeschön dafür ein grosses Paket mit gefrorenem Thunfischfilet, win-win Situation.
Die Linton Bay Marina liegt mitten im Dschungel und morgens werden wir vom Gebrüll der Brüllaffen geweckt. Das ist schon speziell, eine Gruppe am Festland hat mit einer anderen auf der Isla Linton kommuniziert und das Brüllen ging hin und her über unser Boot. Gesehen haben wir allerdings keinen einzigen Affen.
Wenige Meilen weiter östlich liegt die Panamarina. Das ist eigentlich keine Marina mit Stegen, sondern eher eine Werft mit einem Trockenstellplatz und ein paar Bojen davor, wo die Boote im Wasser festgemacht werden können. Rund herum ist dichter Dschungel und Mangroven. Es gibt eine innere Zufahrt zwischen Linton Bay und der Panamarina, die durch einen kleinen Mangrovenfluss führt. Dieser Fluss ist nur mit Kanus oder kleinen Motorbooten befahrbar und streckenweise wölbt sich das Blätterdach der Mangrovenbäume zu einer geschlossenen Decke über dem Fluss. Norbert und Kerstin von der ODINE liegen schon länger in Linton Bay und wir machen uns gemeinsam auf den Weg mit den Dinghys. In der Flussmündung liegt ein anderes Dinghy mit hochgeklapptem Motor und die Insassen paddeln wie wild. Da wir vermuten, dass sie Motorprobleme haben, fahren wir zu ihnen hin um zu helfen. Und laufen beide prompt auf’s Riff auf, denn sie haben nicht Motorprobleme sondern sind einfach auf Grund gelaufen – wie wir jetzt auch… Im trüben Wasser ist nichts zu erkennen und so stochern jetzt drei Dinghy-Crews mit den Paddeln durch die Untiefen, bis sie endlich den Weg ins tiefere Wasser und den Fluss finden.
Mit Norbert und Kerstin machen wir auch einen Sonntagsausflug zu Isla Grande mit den Dinghys.
Der Weg von Linton Bay zum nächsten grösseren Ort Sabanitas führt über eine asphaltierte, aber sehr hügelige und kurvige Strasse durch den Dschungel. Es sind zwar nur etwa 50 km, aber es dauert mit dem lokalen Bus manchmal 2 Stunden – für einen Weg!
Dafür ist die Fahrt schon sehr abenteuerlich und beim ersten Mal schwitzen wir Blut und Wasser und fragen uns was wohl das Letzte ist, was wir sehen werden, bevor wir sterben. Die Busse sind bunt bemalt und auch die Windschutzscheibe ist davon nicht ausgenommen.
Innen ist alles mit Plüsch, Federn und sonstigem Schnickschnack geschmückt, sodass dem Fahrer gerade mal ein kleiner Sehschlitz übrig bleibt um die Strasse zu sehen.
Die Busse selber sind alles uralte ehemalige US-Schulbusse und da es in Panama wenig bis gar keine Regulationen oder Motorfahrzeugkontrollen gibt, muss man davon ausgehen, dass die Busse niemals kontrolliert worden sind.
Was aber mit Garantie funktioniert ist die Hupe (laut wie ein Schiffshorn) und die Musikanlage. Gehupt wird gefühlt alle 2-3 Minuten, sei es um mögliche Fahrgäste zu informieren, dass jetzt der Bus kommt, oder um jemand am Strassenrand zu begrüssen. Die Musik ist nicht einfach laut – sie ist teilweise ohrenbetäubend. Welcome to Latin America…
Dazu kommt, dass der Fahrer in der Regel während der Fahrt unaufhörlich mit seinem Handy spielt. In einem Fall ist es besonders krass: Der Fahrer ist nonstop am Nachrichten Schreiben und Lesen, dafür kriecht er regelrecht die Strasse entlang. Kaum legt er das Handy weg, drückt er derart auf’s Gaspedal, dass wir zu Gott beten, dass ihm jemand doch bitte eine Nachricht schreiben möge, damit er endlich weniger rasen wird. Aber auch diese Fahrt überleben wir irgendwie.
Bezahlt wird am Schluss und zwar $2.75 pro Person. Echt ein Spottpreis. In jedem Lunapark würde man ein Vielfaches für ein ähnliches Erlebnis bezahlen. Das würde dann aber nur ein paar Minuten und nicht zwei Stunden dauern…
Eine unserer Starterbatterien hat in den letzten Tagen in San Blas den Geist aufgegeben und es muss eine Neue her. Das geht dann doch besser mit einem eigenen Mietwagen, den man wiederum nur in Colon bekommt. Zum Glück kann man heutzutage alles über’s Internet buchen und wir reservieren uns einen Kleinwagen für drei Tage. Um ihn zu holen müssen wir natürlich zuerst drei Stunden mit dem Bus nach Colon fahren. So schön die Dschungelmarina ist, praktisch ist es nicht, wenn man für’s Einkaufen 4-6 Stunden Fahrzeit einplanen muss.
Der günstige Tagespreis für die Mietwagen entpuppt sich als ein richtiges Lockvogelangebot. Wenn alle Versicherungen und Steuern dazu kommen werden aus $ 16.- plötzlich $ 70.- pro Tag. Das muss natürlich amortisiert werden und wir fahren kreuz und quer rum, um neben den Besorgungen auch möglichst viele Sehenswürdigkeiten mitzunehmen.
Am Samstag den 10.2. fahren wir zur Shelter Bay Marina, wo Uschi und Albert von der USI an Land stehen. Sie sind am Vorabend mit dem Flugzeug angekommen und haben uns freundlicherweise einen Ersatz für unser defektes Garmin InReach Gerät aus Deutschland mitgebracht. Die Wiedersehensfreude mit ihnen und Tom und Hajo, die mit ihrer SEGELBAR unmittelbar danebenstehen, ist gross. Leider bleibt uns nicht so viel Zeit, denn wir müssen den Mietwagen um zwei Uhr nachmittags in Colon wieder abgeben.
Der Autovermieter fährt uns von seinem Büro zum Busterminal in Colon. Colon ist eine Stadt mit einigen Gegenden in denen man nicht unbedingt zu Fuss unterwegs sein sollte. Und das Büro liegt in einer solchen Gegend, was auch unschwer zu erkennen ist, wenn man die heruntergekommenen Gebäude und die Stacheldrahtzäune sieht.
Wir haben uns entschieden mit dem Expressbus nach Panama City zu fahren, um die Stadt anzuschauen. Mitunter auch, weil es gerade Karnevalszeit ist und wir uns diesen gerne anschauen wollen. Ab Colon auf der Atlantikseite bis nach Panama City auf der Pazifikseite dauert es auf der Schnellstrasse gerade mal eine Stunde. Welch ein Kontrast zu der Dschungelstrasse zwischen Colon und Linton Bay!
Unser Hotel liegt zentral und wir können in zwanzig Minuten zu Fuss zur Altstadt Casco Viejo laufen. In der anderen Richtung geht es zur grossen Strand Avenue Cinta Costera. Beide Gebiete sind sehr schön, aber dazwischen kommt der zerfallene Teil von Panama City zum Vorschein. Es wimmelt regelrecht von Polizisten und so fühlen wir uns eigentlich ziemlich sicher, auch wenn wir alleine im Dunkeln zu Fuss unterwegs sind.
Das Hotelzimmer ist hingegen etwas speziell. Es ist gross und sauber und hat sogar eine kleine Bar und eine Küchenzeile mit Microwelle und Kaffeemaschine. Aber es hat keine Fenster nach draussen und damit kein natürliches Tageslicht. Das einzige Fenster geht einfach zum Hotelkorridor raus. Dafür ist die Zimmerbeleuchtung umso greller und verbreitet den Charme eines Operationssaales… Kein Wunder, dass wir nur zum Schlafen dort sind. Mangels Fenster ist es aber wirklich ruhig. Dafür hat das Hotel eine grosse Roof-Top Bar mit Swimmingpool und ohrenbetäubend lauter Musik.
In Casco Viejo haben sie extra für den Karneval eine kleine Bühne auf dem Platz vor der Kathedrale aufgestellt, wo wir allerlei Tanzdarbietungen anschauen können. Jede Region von Panama hat seine eigenen Trachtenmuster, welche in den Tänzen stolz vorgeführt werden. Es ist alles sehr klein und ein bisschen improvisiert, sodass man hautnah an die Mitwirkenden rankommt.
Selbstverständlich haben wir uns als Touristen ausgetobt und neben diversen Kirchen und Museen haben wir auch den ein oder anderen Kaffee genossen. Sowohl Panama wie das nahegelegene Kolumbien sind für ihren Kaffee berühmt. Wie auch für die echten Panamahüte, welche aber tatsächlich in Ecuador hergestellt werden.
Am zweiten Abend wollen wir den grossen Karnevalsumzug entlang der Cinta Costera anschauen. Kaum dort, sehen wir eine riesenlange Schlange von Menschen, die für etwas anstehen. Da wir nicht so recht wissen warum sie dort stehen suchen wir uns jemand, der aussieht, als ob er Englisch sprechen würde um zu erfahren, ob wir uns auch dort anstellen sollen. So lernen wir David, einen Belgier, der schon seit 12 Jahren in Panama lebt kennen. Er ist mit seinem Hund und seine panamaischen Freundin Natalia dort. Natalia spricht auch sehr gut Englisch und die beiden nehmen uns unter ihre Fittiche. Die Schlange führt zur Sicherheitskontrolle um auf’s Festgelände zu kommen. Da es eine Leibesvisitation umfasst, müssen die Frauen und Männer getrennt anstehen. Da ist es gut, dass jeder von uns Nicht-Spanischsprechenden von jemand begleitet wird, der sich hier auskennt. David und ich sind schnell durch und Natalia und Biggi stossen ein paar Minuten später auch zu uns. Zusammen gehen wir durchs Festgelände und warten auf den Umzug, der eigentlich schon vor einer knappen Stunde hätte anfangen sollen. Nach einer weiteren Stunde in der wir uns mit den beiden sehr gut unterhalten haben, aber vom Karnevalsumzug noch weit und breit nichts zu sehen ist, reisst sogar ihnen der Geduldsfaden. Kurzentschlossen laden sie uns zu sich nach Hause ein. David hat ein Appartement unmittelbar an der Cinta Costera und wir können das Festgelände auch von dort sehen. Was uns dann erwartet, hat unsere kühnsten Erwartungen gesprengt. Das Appartement liegt im 19. Stock eines Appartementblocks im typisch amerikanischen Stil. Unten ist der Conciergebereich und es kommen nur Zutrittsberechtigte rein. Auf der Dachterrasse befindet sich ein grosser Pool und das hauseigene Fitnesscenter ist direkt daneben. Alles ist natürlich voll klimatisiert, denn die Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind in Panama City recht krass. Die Wohnung selber ist auf der einen Seite voll verglast und hat eine formidable Aussicht auf den Pazifik und die Skyline von Panama City. Und wenn man direkt runter schaut sieht man die Cinta Costera und das gesamte Festgelände. Wir sind ziemlich geflashed und quetschen die beiden im Laufe des Abends über das Leben und die Gebräuche in Panama regelrecht aus. Vor allem seine Sicht als Europäer, der die letzten 20 Jahre in verschiedenen Ländern in Lateinamerika gelebt hat ist für uns sehr interessant. Die Wohnungen in Panama City sind im Vergleich zu USA oder Europa sehr günstig. Der Leerwohnungsbestand ist sehr gross, dass ist sogar uns aufgefallen, als wir durch Panama City gelaufen sind, und es wird weiterhin sehr viel gebaut. So kostet seine 100 qm Wohnung voll möbliert inkl. Gas und Wasser und einem Garageneinstellplatz unter 1‘000- US$ im Monat. Eine vergleichbare Wohnung an einer solchen Top Lage wäre in USA oder Europa um ein Mehrfaches teurer.
Am nächsten Tag wollen wir eine Tour mit dem Hop-on Hop-off Bus machen. An der Haltestelle werden wir von einem Taxifahrer angesprochen, der uns dieselbe Tour für einen günstigeren Preis als reine Privattour offeriert. Nach kurzer Überlegung schlagen wir ein und haben danach mit Junior unseren eigenen Privatchauffeur. Da wir einige Sehenswürdigkeiten, wie den Panama Kanal bereits auf der Colonseite angeschaut haben, können wir die Tour auf unsere Wünsche anpassen. Junior spricht ungefähr so gut (bzw. schlecht) Englisch wie ich Spanisch und so gestaltet sich die Unterhaltung mitunter etwas holprig. Gemeinsam schaffen wir das aber und das eine oder andere Missverständnis führt zu viel Gelächter im Auto.
Abends gehen wir nochmals zum Festgelände und heute sind wir schon wie alte Hasen, was das Anstehen usw. angeht. Dieses Mal ist der Umzug tatsächlich halbwegs pünktlich unterwegs, aber im grossen Ganzen finden wir es jetzt nicht unbedingt sooo toll. Es wurde uns im Vorfeld schon gesagt, dass es bessere Orte als Panama City gäbe um den Karneval zu erleben. Der Karneval-Hot-Spot schlechthin sei Las Tablas, aber das war uns mit mehreren Stunden Autofahrt von Panama City aus definitiv zu weit weg.
Tags darauf machen wir uns auf die Rückreise. Das Expressbus Terminal von Panama City ist unmittelbar neben der Albrook Mall, einem riesigen Einkaufszentrum. Und mit riesig meinen wir auch riesig! So etwas haben wir bis jetzt noch nie gesehen. Es sei das zweitgrösste Einkaufzentrum auf dem gesamten amerikanischen Kontinent (also inkl. USA…). Da sind sogar diverse Autohäuser im Einkaufszentrum drin.
„Schatz hol auf dem Heimweg bitte etwas Käse und Milch und bring auch gerade ein neues Auto mit!“ Alles ist einfach gigantisch und wir sind schlichtweg überfordert.
Mit dem Expressbus geht es zurück nach Colon bzw. Sabanitas, wo wir auf den altbekannten Ex-US-Schulbus umsteigen und die letzten zwei Stunden über die Dschungelpiste nach Linton Bay gondeln.
Der Kulturschock könnte nicht grösser sein – morgens noch im immensen Shoppingparadies und abends wieder in der Dschungelmarina bei den Brüllaffen. Panama ist wirklich ein Land der Extreme.
Kaum zurück an Bord haut es Biggi im wahrsten Sinn des Wortes um. Sie wird krank und schläft 36 Stunden einfach durch, dann ist sie ein paar Stunden wach (kurz das Schiff rauswischen und Wäsche waschen 🙂 ), nur um nochmals für 12 Stunden wegzudösen. Sie ist quasi vom Mittwochabend bis Freitagmittag komplett ausgefallen. Wir können uns nicht erklären, was das gewesen sein könnte, aber zum Glück ist der Spuk danach vorbei. Zum Glück auch, weil ein Wetterfenster mit schwachen nordwestlichen Winden für den Sonntag vorhergesagt wird. Die Strecke von Linton Bay zurück zu den San Blas ist nämlich im Normalfall gegen Wind und Welle und das wollen wir natürlich gerne vermeiden.
Am Samstag fahren wir nochmals mit dem Bus nach Sabanitas um unseren Frischwarenvorrat aufzustocken. Der Busfahrer übersieht uns fast und legt dann eine Vollbremsung hin, sodass die Hinterräder blockieren und es nach verbranntem Gummi riecht. Im Bus drin lachen alle als wir an Bord springen. Das muss man sich mal in Europa vorstellen… So ein Manöver und der Fahrer hätte vermutlich eine Anzeige am Hals. Hier löst das nur Heiterkeit aus. Uns ist Panama langsam richtig sympathisch.
Anstatt „nur“ ein paar Frischwaren zu kaufen, machen wir den Fehler nochmals in ein grossen Heimwerkermarkt rein zu laufen. Natürlich haben sie die lange von uns gesuchte Bratpfanne, eine grosse Plastikwanne (für zukünftige Fischfänge) und sonst einige Sachen, die auf unsere „Möchten wir gerne haben“-Liste stehen. Am Schluss stehen wir bepackt wie die Mulis an der Bushaltestelle um nach Linton Bay zurück zu kommen. Die Schulbusse haben keinen Gepäckraum und sind meistens völlig überfüllt, also müssen wir durch die Türe am Heck einsteigen und zurückfahren. Biggi ergattert noch einen normalen Sitz, aber ich muss auf einer grossen Holzbox neben unserem Gepäck sitzen. Jetzt verstehe ich auch woher die wummernden Bässe der Musikanlage kommen. Ich sitze nämlich auf der vibrierenden Holzbox mit dem Subwoofer drin… Die Musik geht wahrlich durch Mark und Bein und die ohnehin anstrengende Fahrt kommt mir unendlich vor…
Mit dem ersten Tageslicht und dem Morgengebrüll der Brüllaffen tuckern wir aus der Marina raus. Der Wind hat tatsächlich komplett nachgelassen und die See ist ungewöhnlich ruhig.
Nach acht Stunden ruhiger Motorfahrt (ohne Seekrankheit!) fällt der Anker im klaren Wasser und wir sind wieder an unserem Lieblingsankerplatz in den San Blas hinter der Insel Banedup in den Hollandes Cays angekommen.
Endlich wieder im klaren Wasser baden und die neu erstandene Hängematte ausprobieren
Unsere ursprünglichen Pläne Mitte März durch den Panama Kanal zu gehen haben wir inzwischen begraben und den Kanaltermin abgesagt. Wir wollen lieber etwas mehr Zeit in Panama verbringen. Dieses Land fasziniert uns und wir haben bis jetzt nur einen kleinen Teil davon gesehen. Die Südsee muss warten.
24.12.2023 – 19.01.2024, San Blas, Logstand seit Start 8’156 sm
Wir sind nun seit kurz vor Weihnachten in San Blas bzw. Kuna Yala (oder Guna Yala) wie die Indianer ihr Territorium lieber nennen. Die Guna- (oder Kuna-, beide Schreibweisen scheinen OK zu sein) Indianer verwalten dieses Gebiet mehrheitlich autonom, obwohl es eigentlich zu Panama gehört. Das führt dann auch zu einem etwas kuriosen Anmeldeprozedere, da beide „Nationen“ ihre Administration haben. Nachdem man es verstanden und alles korrekt gemacht hat, ist man frei ein wahrhaft traumhaftes Inselparadies zu erkunden.
Dieses Gebiet umfasst fast 365 kleine bis sehr kleine Inseln unweit des Panamaischen Festlandes und erstreckt sich von der Kolumbianischen Grenze bis nach Colon. Das dahinterliegende Festland ist der „Darien“ und ist meistenteils völlig unwegsames Dschungelgebiet. In dieser Inselwelt gibt es eine Vielzahl von Ankerplätzen, wie man sie aus Ferienprospekten kennt – ausser, dass es keinerlei Infrastruktur hat. Lass alles weg, was wir so als selbstverständlich kennen und du bekommst eine Vorstellung davon wie es hier ist. Hier gibt es keine Autos – und daher natürlich auch keine Verkehrsstaus – nicht mal Roller sieht man hier. Es gibt hier schlichtweg gar keine Fahrzeuge oder ausgebaute Strassen. Das braucht es gar nicht, denn die Inseln sind so klein, dass man sie locker zu Fuss umrunden kann – manchmal in weniger als 10 Minuten. Schuhe braucht man übrigens auch keine, denn meistens läuft man barfuss entlang den Sandstränden oder über von Hand angelegte Pfade auf den Inseln, wo es anscheinend keine stacheligen Pflanzen gibt.
Ausser auf ganz wenigen Inseln nahe am Festland gibt es nirgends Strom oder fliessend Wasser. Auch Häuser sucht man vergebens, die meisten Behausungen sind aus Holz, Bambus und Palmwedeln gemacht. Als Boden dient ein Erdboden und auch Möbel sind unbekannt – ein paar Hängematten und grob zusammengezimmerte Holzbänke ist alles was es braucht. Apropos brauchen – es gibt hier auch keine Supermärkte, auf den allermeisten Inseln gibt es nicht mal einen kleinen Laden. Es gibt einfach nichts zu kaufen. Wir gehen davon aus, dass der Januar 2024 der billigste Monat unsere bisherigen Reise sein wird. Auch mal gut.
Viele der Kleinstinseln sind trotzdem bewohnt, wenn auch nur von einer Familie. Alles was sie vom Festland benötigen, wird mit kleinen offenen Motorbooten oder sogar mit von Hand gepaddelten Einbäumen gebracht. Denn ausser Fisch und Kokosnüssen gibt es auf den Inseln nichts, nicht mal Trinkwasser! Abends gehen manchenorts ein paar vereinzelte Solarlampen an. Manchmal hört man einen kleinen Benzingenerator surren, aber meistens ist es dunkel und still. Das einzige Geräusch was immer zu hören ist, ist die Brandung auf den vorgelagerten Riffen – ein ewiges Rauschen und Grollen, das niemals aufhört.
Mehr als einmal werden wir von den Kunas nach Wasser gefragt, was wir ihnen selbstverständlich gerne geben. Einen eigenen Wassermacher zu haben ist hier ein wahrer Segen. Aber um den zu betreiben braucht man Energie was hier ebenfalls Mangelware ist. Obwohl wir es mit eigenen Augen sehen, ist es schwer zu verstehen, wie die Leute in so einfachen Verhältnissen leben können und trotzdem sehr zufrieden und glücklich wirken. Wie anders sind wir doch, die wir denken ohne all diesen Luxus nicht auskommen zu können? Solche Erlebnisse stimmen nachdenklich und führen uns wieder einmal vor Augen, wie unendlich privilegiert wir sind.
Etwas was hier auch komplett „fehlt“ ist Kriminalität. Die Kunas sind extrem friedlich, freundlich und unaufdringlich und wir haben uns selten irgendwo so sicher gefühlt, wie hier. So wie es scheint ist die Kunagesellschaft in dieser Hinsicht selbstregulierend und Verstösse gegen ihre Ordnung werden intern vom Ältestenrat im „Congresso“ beraten und gegebenenfalls Massnahmen zur Wiedergutmachung verhängt. Obwohl es inzwischen einige Hundert Yachten hier hat, ist seit Jahren kein einziger Fall von einem Diebstahl bekannt.
Auf einigen Inseln haben die Kunas einfache Strandbars oder Restaurants eröffnet, die von den Yachties gerne besucht werden. So auch auf Banedup, eine Insel, vor der wir einige Tage lagen. Die Strandbar wird abends zum Treffpunkt und auch wir besuchen sie gerne. Eines Abends wollen wir wieder zur Strandbar fahren als wir feststellen, dass unser Portemonnaie fehlt. Schnell wird uns klar, dass wir es am Vorabend in der Bar haben liegen lassen (Man soll seine Sachen IMMER sofort einpacken…). Kaum dort angekommen, werde ich von der Barbetreiberin, eine ältere Kuna freundlich angelächelt und mit einem „Billetera?“ begrüsst. Auf mein aufgeregtes „Si, Si!“ bekomme ich unseren Geldbeutel ausgehändigt – inkl. des gesamten Inhalts! Es wurde nichts rausgenommen, vermutlich haben sie nicht mal reingeschaut. Selbstredend, bekommt sie einen grosszügigen Finderlohn.
Die Strecken zwischen den Ankerplätzen sind hier schon fast absurd kurz, oft weniger als 5 Seemeilen. Bei diesen Abständen lohnt sich das Segeln nicht wirklich. Das liegt jetzt weniger an unserer (zugegeben) ausgeprägten Faulheit, sondern daran, dass wir unsere Motoren nur dann anstellen, wenn wir das Boot bewegen. Viele andere benutzen ihre Maschinen um die Batterien zu laden. Das haben wir mit genügend Solarzellen bewusst anders gelöst, weil es ziemlich ineffizient ist, einen grossen Dieselmotor laufen zu lassen nur um die Batterien zu laden. Im Gegenzug schauen wir, dass unsere Maschinen – wenn sie denn gebraucht werden – auch richtig warm werden. Da ist es sinnlos die Motoren sofort nach dem Anker heben wieder abzustellen, 4 Meilen zu segeln und sie dann wieder anzustellen. So mutiert RARE BREED hier ein wenig zum Motorboot.
Die Ankerplätze die wir aufsuchen sind oft wirklich im Niemandsland, wo es ausser unbewohnten Palmeninseln (für Strandspaziergänge und vielleicht ein abendliches Strandfeuer) und Riffe (zum Schnorcheln) nichts gibt.
Manchmal kommen ein paar Kunas in einem Cayuco (Einbaum) angepaddelt und bieten Fisch, Krabben oder Lobster an. Alles zu sehr moderaten Preisen. Ab und zu kaufen wir ihnen etwas ab, denn so können sie etwas dazu verdienen und wir haben dafür etwas Besonderes zum Abendessen. So bekommen wir z.B. im Coco Bandero Atoll eine grosse Krabbe angeboten. Erst nachdem wir mit der Krabbe alleine sind und uns überlegen, wie wir das Riesenvieh zubereiten sollen, wird uns klar, dass es sich um eine Königskrabbe (auch Monsterkrabbe genannt) handelt. Diese Krabben sollen anscheinend eine heiss begehrte Delikatesse sein. Uns schmeckt sie auf jeden Fall sehr gut und die fünf(!!) Dollar, die wir dafür bezahlt haben stehen in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Wert. Das wissen wohl auch die Kunas nicht, denn die Lobster (Hummer) werden üblicherweise für den dreifachen Preis angeboten, was aber immer noch sehr moderat ist. Bisher haben wir erst einmal einen Lobster gekauft, denn meistens sind die angebotenen Tiere viel zu klein und hätten gar nicht erst gefangen werden dürfen. Leider hält sich niemand an diese Regeln, aber wir wollen es wenigstens nicht noch fördern indem wir solche Babylobster kaufen.
Regelmässig kommen fliegende (oder eher schwimmende) Händler mit ihren Booten vorbei und bieten Gemüse, Früchte, Eier und manchmal auch Bier, Wein, Softdrinks, Benzin und sogar ganze Hühner inkl. Kopf und Füsse an. Da es die einzige Einkaufsmöglichkeit ist, wird dieser Service von den Yachties sehr geschätzt.
Das Schnorcheln ist hier schon anders als in der östlichen Karibik. Das Wasser ist oft nicht wirklich klar, da die Flüsse vom Festland Sediment bis zu den Inseln raustragen. Die Riffe sind mit vielen Weichkorallen oft in einem besseren Zustand und man sieht hier öfter mal grössere Spezies wie Adlerrochen und Ammenhaie. Fische sieht man leider wenig, was uns wundert und traurig stimmt. Die Befischung ist wohl auch hier zu stark.
Anscheinend soll es hier auch Bullen- und Zitronenhaie und sogar vereinzelte Krokodile geben, von dem wir bisher (zum Glück) keine gesehen haben. Die beiden grossen Ammenhaie, die in Coco Bandero immer wieder um unser Boot schwimmen, sind für Biggi schon Grund genug auf’s Schnorcheln zu verzichten. Ich hätte wohl besser nichts gesagt, als ich die Tiere unter dem Boot entdecke just in dem Moment wo sie sich zum Schnorcheln bereit macht…
Ein Ankerplatz wird der „Hot Tub“ genannt. Es ist eine Art Pool zwischen den Riffen. Da das Wasser zuerst relativ weit über das flache Riff strömt, wärmt es sich entsprechend in der Sonne auf. Leider kann man dort aber gar nicht ins Wasser, da es mit einer Strömung von etwa drei Konten durch den Ankerplatz „düst“. Ich wundere mich noch, dass RARE BREED beim Ankern so schnell nach hinten treibt. Als wir dann still liegen gurgelt es von der Wasserströmung am Heck, wie wenn wir noch segeln würden. Wer da unvorbereitet ins Wasser springt (z.B. um den Anker zu kontrollieren) findet sich urplötzlich weit hinter dem Boot ohne Chance selbst zurück zu kommen… Unangenehme Vorstellung…
Unser SUP hat sich hier leider auch „in Luft aufgelöst“. Plötzlich macht es draussen ein lautes „Pffsschhh“ und das prall aufgeblasene SUP verwandelt sich in eine runzelige Wurst. Eine Reparatur ist zwecklos, denn die Klebenähte weisen an viel zu vielen Stellen Ablöseerscheinungen auf. Gerade mal zwei Jahre alt und schon futsch, obwohl es die meiste Zeit unter Deck in seinem Sack verbracht hat – das ist ärgerlich. Getreu dem Motto „Jeder Schaden hat auch sein Gutes“ wird die Aufnahme für die kleine Finne unten am SUP weggeschnitten und stattdessen an „Pinky“, unserem kleinen Kajak aus Grenada geklebt, damit das Ding endlich einen etwas besseren Geradeauslauf bekommt. Doof nur, dass wir erst nach dem Ankleben merken, dass wir die Aufnahme 180 Grad verkehrt herum angebracht haben – jetzt schaut die Finne halt nach vorne statt nach hinten. Shit happens…
Gewisse Ankerplätze sind regelrechte „Cruiser-Hot Spots“, wo es eine Strandbar oder vielleicht sogar ein kleines Restaurant hat. Nach ein paar Tagen Robinsonleben ist es manchmal ganz schön wieder andere Yachties zu treffen. Von den Booten, die wir in Curaçao kennen gelernt haben, sind noch einige hier und daneben haben wir hier auch ein paar neue Freunde gewonnen. Über WhatsApp tauscht man sich aus und schaut, dass man sich immer wieder irgendwo trifft. „Isla Banedup“ in den Cayos Holandeses ist so ein Ort. Dort gibt es Ibin’s Restaurant, eine rustikale aus Holzbrettern zusammengebastelte Hütte am Strand bzw. über dem Wasser.
Gekocht wird auf uralten Gasherden, abgewaschen mit Meerwasser (es gibt auf Banedup kein fliessend Wasser) und der Kühlschrank und das Licht wird von Sonnenzellen und einem kleinen Benzingenerator mit Energie versorgt. Eine Speisekarte gibt es nicht, denn gekocht wird, was jeweils gerade verfügbar ist und das ist was Elmer, der Besitzer vom Gemüseboot, in Panama bekommen und was die anderen Kunas im Meer fangen konnten. Auf den ersten Blick würde man dort bestenfalls einfachstes Essen erwarten, aber weit gefehlt! Ibin (ebenfalls ein Kuna) ist ausgebildeter Koch und hat früher in wirklich guten Restaurants gearbeitet. Was er mit diesen begrenzten Mitteln auf den Teller zaubert grenzt schon bald an ein Wunder! Hier verbringen wir auch Weihnachten und geniessen zusammen mit vielen Freunden ein hervorragendes, wenn auch etwas ungewohntes, Weihnachtsdinner.
Jeder, der schon eine Zeit in den San Blas ist, kennt die „Molas“. Das sind bunte von Hand bestickte Vierecke aus mehreren Stofflagen. Ursprünglich dienten sie als Schmuck auf den Vorder- und Rückseiten auf den Blusen der Frauen. Inzwischen werden sie vor allem als kunstvolle Souvenirs verkauft. Sie sind allesamt sehr schön anzuschauen und haben verschiedene Muster mit Tier- oder Pflanzenmotiven, geometrische Muster oder spirituelle Symbole. Die Qualitätsunterschiede sind erst beim genauen Hinschauen zu entdecken. Die „einfacheren“ Molas werden für USD 15-20.- gehandelt, es gibt aber durchaus solche, die 100.- oder mehr kosten.
In Waisaladup in den westlichen Cayos Holandeses kommt Venacio, ein etwa 70-jähriger Kuna zu uns ans Boot um Molas zu verkaufen. Anfänglich lehnen wir dankend ab, da wir ein paar Tage zuvor zwei (in unseren Augen) schöne Molas erstanden hatten. Aber Venacio gibt so leicht nicht auf. Er hat eine verschmitzte und doch überzeugende Art, spricht ein wenig Englisch und so dauert es nicht lange bis er bei uns im Cockpit sitzt und seine Schätze ausbreitet. Was folgt ist eine ca. zweistündige „Mola-Ausbildung“ und nach und nach kommen immer teurere und tatsächlich auch wirklich viel aufwändigere Molas zum Vorschein. Es kommt wie es kommen muss – am Schluss kaufen wir ihm doch zwei Molas ab und zwar für USD 180.- (!!) Das nenne ich einen super Verkäufer! Aber wir müssen wirklich zugeben, dass diese beiden Molas in einer ganz anderen Liga als die ersten beiden sind, die wir vorher erstanden haben. Diese Molas sind bis ins Detail haargenau gefertigt und eine wahre Pracht zum Anschauen. Im nachfolgenden Gespräch (mit unseren begrenzten Spanischkenntnissen teilweise ziemlich holperig) versucht Venacio uns einige Brocken der Kuna-Sprache beizubringen. Alles in allem ein teurer, aber doch sehr lehrreicher und vergnüglicher Nachmittag.
Ein Wermutstropfen bleibt aber. Obwohl so abgelegen und von der Zivilisation unberührt, sind die San Blas Inseln leider von Plastikabfall übersäht. Dabei ist es kein selbergemachtes Problem, sondern die Tatsache, dass die Riffe und Inseln der San Blas wind- und strömungstechnisch gesehen „am Ende“ vom Karibischen Meer liegen. Hier wird täglich neuer Plastikabfall angeschwemmt. Die Strände sind von Petflaschen, Crocs, Flipflops, Styropor, Plastiksäcken, Rucksäcken und sonstigem Müll übersäht. Es sind unvorstellbare Mengen, die hier rumliegen und es kommt täglich Neues hinzu. Anfänglich sammeln wir es noch ein, aber nachdem es keine Möglichkeit gibt, es hier los zu werden müssen wir schweren Herzens damit aufhören. Wenn man das sieht fällt es einem sehr schwer daran zu glauben, dass unser Planet nicht im Müll ersticken wird.
Um dem beschaulichen Leben hier etwas entgegen zu setzen, haben wir wieder angefangen jeden Morgen Sport zu machen. Das ist auch bitter nötig, denn ausser ein paar Strandspaziergängen und etwas Schnorcheln bewegen wir uns viel zu wenig. Im Heimaturlaub haben wir ausserdem beide (wen wundert‘s…) ein paar Pfunde zugelegt, also muss etwas gemacht werden. Mit der Wiederaufnahme vom 16/8 Speiseplan und dem Sport, merken wir langsam erste Ergebnisse. Yess! Ein positiver Nebeneffekt ist, dass wir wegen 16/8 tatsächlich weniger essen und unsere Vorräte an Frischwaren länger herhalten. Das ist etwas was hier durchaus von Vorteil ist. Unsere Gefriertruhe, die wir letzten Frühling in St. Martin gekauft haben, wird plötzlich zum richtigen Luxusgut. So haben wir immer noch Fleisch vom Thunfisch eingefroren, den wir auf dem Weg hierher gefangen haben.
Die ruhigen Tage hier in den San Blas geniessen wir ganz bewusst, denn danach wird es mit grösseren Segelstrecken losgehen. Wenn die Planung aufgeht wollen wir Mitte März durch den Panamakanal gehen und dann liegt das grösste Meer der Welt – der Pazifik – vor uns. Dann ist für lange Zeit nichts mehr mit kurzen Tagestörns.
29.11. – 23.12.2023, Curaçao – San Blas, Logstand seit Start 8103 sm
Die beiden Wochen nach unserer Rückkehr aus Europa haben wir in der Marina in Curaçao verbracht. Einerseits, weil wir noch zwei Sachen am Boot machen mussten, für die wir gerne externe Hilfe in Anspruch genommen haben und andererseits, weil die Gemeinschaft unter den Seglern dort so angenehm war.
Projekt 1: Neues UKW Kabel in den Mast einziehen
Geschätzter Zeitaufwand: 1 Stunde… Wir hatten bemerkt, dass unser UKW und AIS Empfang, welche beide von der gleichen Antenne im Masttopp abhängen, immer schlechter wurden. Die Antenne hatten wir vor einem Jahr in Grenada schon erneuert, aber das Kabel im Mast war so alt wie das Boot. Das neue Kabel hatten wir aus Deutschland mitsamt zugehörigem Spezialstecker mitgebracht. Die Bedienungsanleitung für den Steckerzusammenbau entsprach leider nicht dem Modell, welches wir hatten. Zum Glück gibt es für fast Alles Instruktionsvideos auf YouTube…
Das neue Kabel war ausserdem etwa doppelt so dick wie das alte, entsprechend schwierig war es dann auch, es durch die Löcher im Mast zu bekommen. Das alte Kabel wurde oben im Masttopp mit dem neuen mittels Schnur und extrastarkem Klebeband verbunden. Der Rigger hing oben im Masttopp und fütterte das Kabel Zentimeter um Zentimeter rein während ich unten am Mastfuss am alten Kabel gezogen habe. Es ging alles gut, bis wir mit dem neuen (dickeren) Kabel durchs kleine Loch unten im Mast mussten. Die Verbindung hielt den Belastungen nicht stand und ich sass plötzlich mit dem abgerissenen Ende vom alten Kabel da und das neue war unerreichbar im Mast drin! Typisch Bootsarbeiten: Wie aus einer stündigen Arbeit plötzlich deren drei werden. Nachdem wir mit einem Endoskop (ja, haben wir tatsächlich an Bord!) das neue Kabel im Mast drin identifiziert hatten konnte ich ein neues grösseres Loch oberhalb vom alten bohren und irgendwann war das Werk dann vollendet.
Projekt 2: Abdichten vom Plexiglasdom über dem Niedergang
Geschätzter Zeitaufwand: 1 Stunde… Da der „Klebefuzzi“ nach dem ersten Augenschein erst wieder nach gut einer Woche an Bord aufgetaucht ist, war die Zeitplanung mal wieder im Eimer. Leider war nur eine Art Notreparatur möglich indem von aussen und innen neue Klebenähte gelegt wurden. Ich hätte den Dom am liebsten ganz ausgebaut und komplett neu verklebt. Aber das Risiko, dass der selbige dabei beschädigt wird, war einfach zu gross. Ein Ersatz des in zwei Ebenen gewölbten Doms wäre auf Curaçao nicht aufzutreiben bzw. herzustellen gewesen. Hoffen wir, dass der Spezialkleber so gut hält, wie es auf der Verpackung versprochen wird…
Dies ging natürlich – wir sind in der Karibik – alles viel länger als geplant und plötzlich waren wir schon zwei Wochen in der Marina. Das war (abgesehen von den lästigen Stechmücken dort) gar nicht so schlimm, denn die bunte Mischung aus Seglern, die fast alle ihr Boot auf den Pazifik vorbereiteten, war wohltuend anders als die, die wir bis jetzt in der Karibik oft getroffen hatten. In der östlichen Karibik waren viele grosse Katamarane mit wohlhabenden Amis oder Kanadiern, die zwar auch nett waren, aber sich mehr für die sozialen Anlässe als fürs Segeln interessierten. Es waren oft Rentner, die das Winterhalbjahr auf ihren Booten in der Karibik verbrachten, kurze Tagestörns zwischen den Inseln machten und das Sommerhalbjahr zuhause bei den Enkeln verbrachten. Ein längerer Schlag war nie vorgesehen und die Segelerfahrung der Skipper, die ihre Boote zum Teil in der Karibik gekauft hatten war zum Teil erschreckend gering.
Hier in Curaçao, 400 sm westlicher als die kleinen Antillen waren nur diejenigen, die entweder in den Pazifik wollten, oder den Aufwand auf sich nahmen die langen und anspruchsvollen Strecken quer über das Karibische Meer zu den grossen Antillen Inseln zu segeln. Es waren oft ältere und manchmal auch kleinere Boote, wir waren der einzige Katamaran in der Runde. Die Segler wirkten entspannter und die Gespräche drehten sich um Themen wie Reparaturen, Segelrouten, Proviantierung usw. Alle hatten etwas zum Reparieren an ihren Booten und man half sich gegenseitig. Abend sass man häufig in der „Palapa“, eine gedeckte Hütte mit einer Grillstelle, zusammen und hat gemeinsam gegrillt und gequatscht.
Einer der Segler, Moritz, ein Deutscher aus der Schweiz, hatte seine alte Segelyacht an Land und zudem ein kleines Auto gemietet. Dieses Auto hat er freundlicherweise jedem ausgeliehen, der etwas besorgen musste – und das waren viele! Das Auto bekam schnell den Namen „Die Werftschlampe – jeder darf bei ihr auf- (bzw. ein-) steigen!“
Gerne haben wir uns bei Moritz erkenntlich gezeigt und neben einigen Spaghetti Essen bei uns an Bord konnte er mit unserer starken Winkelbohrmaschine zwei grosse Löcher in seinen Edelstahltank bohren. Win-win Situation.
Gegen Mitte der zweiten Woche kam bei vielen die Aufbruchsstimmung auf. Es kündigte sich ein Wetterfenster für die Strecke von Curaçao nach Panama an. Diese Strecke ist bei Seglern berühmt berüchtigt und am ehesten mit der Biskaya im Atlantik zu vergleichen. Jeder wusste eine Story zu erzählen, wie Leute auf dieser Strecke „gehämmert“ worden sind. Der Grund für diese Sorgen ist sehr berechtigt, denn die Passatwinde sind um diese Jahreszeit (Christmas Winds) meistens sehr stark und der Seegang kann sich auf einer Strecke von knapp 1000 sm über die offene See zu gewaltigen Höhen aufbauen. Dazu kommt der Kontinentalschelf vor der Küste von Kolumbien, der (wie in der Biskaya) die Wellen noch höher werden lässt. Von Curaçao sind es ca. 650 sm bis Panama, eine Strecke, die – je nach Boot – vier bis fünf Tage dauert.
Das Wetterfenster versprach eine Periode von 3-4 Tagen mit schwachen bis moderaten Winden und eine starke mitlaufende Strömung. Besser als so kann es hier eigentlich nicht werden. Also haben wir uns auch Gedanken gemacht, ob wir nicht doch jetzt schon gehen wollten… Ich hatte diese Strecke vor 30 Jahren schon mal gemacht und wusste was auf uns zukommen könnte und wollte Biggi mit ihrer Anfälligkeit für Seekrankheit nicht unnötig leiden lassen. Also statt nochmal zurück nach Spanish Water und Weihnachten auf Curaçao zu verbringen und danach nach Kolumbien zu gehen, haben wir entschieden, jetzt sofort die ganze Strecke nach Panama in einem Rutsch zu machen. Und damit haben wir wieder einmal unsere Pläne selber umgekrempelt.
Der Exodus aus der Marina war eindrücklich. Es sind insgesamt sechs Boote mehr oder weniger zusammen aufgebrochen. Am Freitag den 15.12. haben wir die Marina verlassen und sind die 20 sm zu einer Bucht namens Santa Krus im Nordwesten von Curaçao gesegelt.
Dort habe ich die Propeller und Rümpfe nach der langen Liegezeit in der Marina gereinigt, während Biggi Essen für die nächsten Tage vorgekocht hat.
Auf dem Weg in die Bucht ist unser Garmin InReach-Gerät ausgestiegen bzw. gar nicht erst angesprungen. Das Gerät dient zwei Zwecken. In erster Linie ist es ein Satellitenkommunikationsgerät mit dem wir SMS und Emails via dem Iridium Satellitennetzwerk verschicken können – im Notfall auch von der Rettungsinsel aus, da es eine eingebaute Batterie hat und wasserdicht ist. Zweitens schickt es alle 30 Minuten auch via den Iridiumsatelliten eine Positionsangabe zu Garmin, mit der jeder unsere aktuelle Position sehen kann. Letzteres ist natürlich eine coole Sache, aber ersteres ist sicherheitsrelevant. Ohne dieses Gerät gibt es keine Möglichkeit von der Rettungsinsel aus nach Aussen zu kommunizieren. Verständlich, dass uns das Sorge bereitet und geärgert hat und wir sogar überlegt haben, ob wir deswegen den Törn verschieben sollten. Schlussendlich verbrachten wir etwa zwei Stunden mit diversen Garmin Supportleuten im Chat und haben versucht, das Gerät zu wieder zum Leben zu erwecken. Nichts zu machen, alle Versuche es zurückzusetzen schlugen fehl, weil es sich gar nicht erst zum Leben erwecken liess. Ziemlich frustrierend, aber deswegen auf dieses Wetterfenster zu verzichten wollten wir dann doch nicht. Mittelfristig müssen wir uns überlegen, ob wir das Gerät ersetzen (wer weiss ob das Neue nicht auch grundlos aussteigt?) oder eine andere Lösung suchen. Um wenigstens die monatlichen Kosten zu sparen, haben wir das Satelliten-Abo online gekündigt.
Ironie des Schicksals: Am letzten Tag vom Törn hat es sich plötzlich wieder starten lassen. Jetzt lassen wir es einfach laufen, aber ohne ein aktuelles Abo ist es nicht viel mehr als eine ziemlich teure Geschwindigkeitsanzeige im Boot drin…
Die Nacht in Santa Krus war nicht ganz so erholsam wie erhofft, denn es war ziemlich schauklig – dafür waren wir die elende Stechmückenplage endlich los.
Am Samstag den 16. gingen wir Anker auf. Der erste Wegpunkt führte uns nach NW damit wir etwa 100 sm weit von der Küste weg kamen. Erstens wollten wir im tiefen Wasser bleiben (Kontinentalschelf!) und zweitens wollten wir möglichst in der mitlaufenden Strömung bleiben, die in einem grossen Bogen Richtung Panama läuft.
Der Wind war die ersten drei Tage moderat bis schwach, aber die Strömung war tatsächlich gewaltig. Am ersten Tag haben wir unser bisher grösstes Etmal (die Strecke, die man innerhalb von 24 Stunden mit dem Boot zurücklegt) erreicht: 187 sm. Das ist gewaltig für unser kleines Boot. Das war dann schliesslich doch kein Wunder, denn dank der Strömung waren wir mehrmals mit gut über 11 kn unterwegs.
Diese ersten Tage vom Törn waren reinstes Traumsegeln. Kaum Welle, moderate Winde von hinten und, wegen der Strömung, trotzdem schnelles Vorankommen.
In der Nacht auf den vierten Tag ist der Wind dann vollends eingeschlafen. Wir mussten in der Nacht sogar alle Segel runternehmen, weil sie in der Dünung lautstark hin und her geschlagen haben und die eine Maschine mitlaufen lassen.
Am nächsten Morgen hat noch alles gut angefangen, moderater Wind und wir konnten wieder gut segeln. Just haben wir noch einen zweiten Fisch gefangen. Dieses Mal war es ein Gelbflossenthunfisch von einem Meter Länge! So etwas Grosses hatten wir bisher noch nie reingeholt.
Eine Bemerkung am Rande: Dort wo wir segeln ist es meistens sehr warm und um nicht ständig alle Kleider salzig zu machen haben wir oft – ausser dem Sicherheitsgurt und Handschuhen – gar nichts an. Wenn ich beim Arbeiten an Deck eine Salzwasserdusche abbekomme ist das ohne Kleider kein Problem, weil ich mich einfach abtrocknen kann. Beim Fisch fangen und ausnehmen trifft das ebenfalls zu, denn bei einem grossen Fisch ist danach alles mit Blut vollgespritzt. Blutflecken auf der Haut lassen sich leicht abduschen, aber aus den Kleidern wären sie wesentlich mühsamer zu entfernen.
Noch während wir den Fisch filetierten, fing der Wind an spürbar zuzunehmen. Biggi hat tapfer bis zum Schluss durchgehalten, aber als das letzte Stück im Kühlschrank war, war sie ganz bleich im Gesicht… Sukzessive haben wir die Segelfläche verkleinert bis wir nur noch mit einem gerefften Grossegel und einer halb ausgerollten Fock unterwegs waren. Der Wind kam auch nicht mehr von hinten sondern von der Seite. Eigentlich eine gute Windrichtung, denn das Boot ist bei dieser Richtung am schnellsten, aber leider laufen wir dann auch quer zu den Wellen. Und diese haben sich erstaunlich schnell aufgebaut. Bald hat das Boot derart gebockt, dass auch ich nicht mehr machen konnte als das absolut Nötigste.
Es waren nur noch ca. 150 sm übrig, aber die hatten es in sich und es hat sich bestätigt, wieso diese Strecke einen so schlechten Ruf hat. Wir haben sozusagen nur dahinvegetiert. Abends konnten wir nicht mal richtig kochen (Sushi adieu!) und ich habe nur etwas Wasser für zwei Schüsseln Nudelsuppe heiss gemacht, damit wir etwas Warmes intus bekamen. Das Boot hat erbärmlich gebockt und ist immer wieder im freien Fall ins Wellental geknallt. Das sind so Momente, wo man sich wundert, was das Material alles aushält. Irgendwann in der Nacht hat Biggi völlig entnervt gemeint „Menschen sind dafür gemacht an Land zu leben und nicht fürs Segeln!“ Am nächsten Morgen sah es leider nicht besser aus – grau in grau und heulender Wind und diese ungezügelte See – aber wir waren wenigstens kurz vor dem Ziel.
Im Lee der Inseln mussten wir „nur noch“ die Segel einrollen und reinfahren, aber die Fock hat geklemmt, da liess sich nichts mehr drehen. Das ist eine der dümmsten Situationen, wenn sich ein Segel bei soviel Wind nicht eindrehen lässt. Mir blieb nichts anderes übrig als zum Bug zu krabbeln und das Leinengetüddel zu lösen (Stichwort Salzwasserdusche…) und zwar subito, denn wir standen ja unmittelbar vor der Einfahrt der Lagune. Ein paar Kraftausdrücke später war die Leine soweit befreit, dass ich das Segel von dort vorne wenigstens notdürftig einrollen konnte. Immerhin ist das nicht nachts draussen beim Geschaukel passiert.
Um kurz vor 11 Uhr lokale Zeit (Panama ist um eine Stunde später als Curaçao) sind wir – immer noch bei starkem Wind aber im Lee des Riffes – in ruhigeres Wasser in die Lagune von den Holandes Cays in den San Blas Inseln eingelaufen. Der Ankerplatz wird der „Swimmingpool“ genannt. Er ist dem Wind immer noch ausgesetzt, aber das Saumriff bricht die Wellen, sodass man halbwegs ruhig liegt. Das Wetter ist hingegen windig und trüb geblieben und die Regenfronten sind im Viertelstundentakt über uns hinweg gezogen. Nix mit Schnorcheln und Strandspaziergänge, aber schlussendlich war das doch viel besser als dieses Wetter draussen auf dem Meer zu haben.
Nach einer erholsamen Nacht (der Wind hat nachgelassen und es wurde ganz ruhig am Ankerplatz) haben wir angefangen das Boot aufzuräumen und die salzigen Sachen einzuweichen. Die letzten 24 Stunden der Überfahrt hatten uns x Salzwasserduschen beschert, als die Wellen an der Bordwand gebrochen sind und sich über’s Boot ergossen haben. Entsprechend war im Cockpit nichts, aber auch gar nichts verschont geblieben und musste nun mit Süsswasser ausgewaschen werden.
Während Biggi noch am Schrubben war habe ich mich ins Dinghy gesetzt und uns bei den umliegenden Booten als „die neuen Nachbarn“ vorgestellt und dabei wichtige Infos über die Inseln hier erhalten. Debbie von der Segelyacht RUNNER hat mich besonders erstaunt. Sie ist eine geschätzt 70-jährige Amerikanerin, die in den letzten neun Jahren mit ihrem Mann hier in Panama gesegelt ist. Ihr Mann ist dieses Jahr verstorben und nun lebt sie alleine auf einem riesigen Zweimaster hier vor Anker. Sie kann das grosse Boot alleine nicht segeln und benutzt es als schwimmendes Haus. Sie kennt hier wohl jeden und ist komplett durchorganisiert. So hat sie letzthin sogar eine neue Waschmaschine direkt ans Boot geliefert bekommen. Ein Kuna Indianer, der die Maschine in Panama City abgeholt hat, hat sie mit einem kleinen offenen Motorboot bis zu Debbies’ Boot gebracht.
Etwa einmal in der Woche kommt ein Boot mit Gemüse und anderen Frischwaren hierher. Und man kann sogar per WhatsApp eine Bestellung aufgeben. Debbie hat mir das alles in einer Viertelstunde erklärt und sie war dabei ganz quirlig und aufgestellt. Es kam mir trotzdem irgendwie traurig vor, wie sie tagein, tagaus alleine auf ihrem Boot hier draussen lebt, aber es scheint ihr zu gefallen.
Dann liegt hier noch ein anderer Kat mit – die Welt ist ein Dorf – einem Deutschen Paar an Bord. Anette und Ingo scheinen in etwa die gleichen Pläne wie wir zu haben und wir werden uns vielleicht des Öfteren sehen. Sie sind schon im dritten Jahr hier und kennen natürlich die Ankerplätze hier gut. Anette hat mir auch von den beiden Haien erzählt, die hier anscheinend regelmässig im Ankerfeld rumschwimmen. Es sind zwar nur Riffhaie, aber sie sind mit drei Metern Länge doch recht eindrücklich und ziemlich neugierig. Aber sie schauen nur und schwimmen dann wieder weg. Auch die Krokodile die es hier hat, seien recht unproblematisch… Muss ich extra erwähnen, dass Biggi heute „keine Zeit“ zum Schwimmen hatte? Aber morgen ist ja auch noch ein Tag…
Stattdessen haben wir heute Nachmittag unseren Wassermacher zum ersten Mal seit langer Zeit wieder angeworfen. Irgendwie schien er nicht die volle Leistung zu bringen und als ich runter ging um nachzuschauen wurde ich von einem feinen Sprühregen im Bad eingenebelt. Zuerst konnte ich nicht mal sagen woher es kam, so fein war der Strahl. Nach kurzer Suche stand fest, dass der Hochdruckschlauch zwischen der Pumpe und den Filtermembranen einen kleinen Riss hat. Dieser Schlauch hat knapp 8 bar Druck (etwa vier Mal soviel, wie in einem normalen Autoreifen) und entsprechend hat dieser feine Strahl zuerst die Decke und danach das ganze Bad mit salzigem Seewasser getränkt. Abgesehen von der Sauerei im Bad war uns schnell klar, dass wir so etwas nicht mit Bordmitteln reparieren können, soviel Druck hält keine Klebestelle aus. Der Teufel weiss wieso, aber ich habe vor etwa einem Jahr genau so einen Schlauch beim Wassermacherhersteller als Ersatzteil bestellt – und das obwohl der Vertreter der Firma gemeint hat, dass diese Schläuche eigentlich niemals kaputt gehen würden… Wie sagte James Bond damals? „Sag niemals nie!“
Der Austausch war zwar auch Neuland für uns, aber da es hier in den Inseln wirklich niemanden gibt, der sich mit so etwas auskennt, hiess es Mut zur Lücke und drauflos schrauben. Und tatsächlich lief der Wassermacher ein paar Stunden später wieder, ohne Sprühnebel und uns ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen! Und ich sah mich wieder bestätigt, dass es doch seinen Grund hat, warum ich für (fast) alles an Bord Ersatzteile horte.
Inzwischen sind auch alle anderen Boote die gemeinsam mit uns in Curaçao los gefahren sind, hier in Panama angekommen und es war schon bezeichnend, wie ausnahmslos alle das Gleiche von der Überfahrt berichteten: Drei Tage traumhaftes Segeln, eine Nacht Flaute und dann die letzten 24-36 Stunden Hölle auf Erden (bzw. eher im Wasser). 30-35 kn Wind und 3m Welle, alle haben sie das letzte Stück Prügel kassiert und der eine oder andere hat sich dabei gefragt wieso sie sich das Segeln antun. Hohe Hochs und tiefe Tiefs – so ist das Seglerleben halt.
Jetzt bleibt uns nur euch allen eine wunderschöne Weihnachtzeit zu wünschen und uns bei euch für die Treue beim Lesen zu bedanken.
Merry Christmas and a Happy New Year von den San Blas Inseln
20.09. – 28.11. 2023 Grenada – Curaçao, Logstand seit Start 7418 sm
Der letzte Bericht hörte in Grenada auf. Inzwischen sind schon fast drei Monate vergangen und ich habe ein richtig schlechtes Gewissen, dass es eine so lange Funkstille gab. Aber es ist tatsächlich so viel los gewesen, dass wir gar nicht zum Schreiben kamen. Also der Reihe nach:
Ende September haben wir uns etwas wehmütig von den Hunden verabschiedet und sind zurück an Bord gezogen. Die letzten Stunden im Haus waren etwas komisch für uns. Wir haben die Besitzer Mike und Carol nachmittags vom Flughafen abgeholt. Nach einem feinem von Biggi zubereiteten Abendessen sind die beiden früh ins Bett gegangen, da sie von der Reise erschöpft waren. Normalerweise haben die Hunde bei ihnen im Schlafzimmer geschlafen, aber dieses Mal sind sie lieber bei Biggi und mir im Wohnzimmer geblieben. Das hat die Besitzer natürlich etwas gewurmt, aber wer seine Hunde vier Monate zurücklässt muss sich vielleicht nicht wundern, wenn sie bei der Rückkehr andere Bezugspersonen haben.
Am Tag darauf sind wir dann von Mike zum Dinghydock gebracht worden und waren nach der langen Zeit als Landratten plötzlich wieder Yachties. Auch wenn es seltsam klingen mag: Die Umstellung von dem riesigen Haus auf unser kleines Boot ist uns überhaupt nicht schwergefallen. Im Gegenteil – wir waren schon im Vorbereitungsmodus für den ersten Schlag in der neuen Saison.
Anstatt wie ursprünglich vorgesehen nochmals entlang der Ostkaribischen Inseln nach Norden zu segeln, hatten wir uns in Grenada umentschieden. Wir wollten nach Westen – Richtung Panamakanal und den Pazifik segeln. Irgendwie hatten wir das Gefühl, dass die Zeit reif war wieder neue Ufer zu erkunden. Ausserdem ist unser Boot diesen Sommer mit grossem (finanziellem) Aufwand verbessert und verstärkt worden und wann, wenn nicht jetzt, wäre die Zeit um die gewaltigen Strecken im Pazifik zu bewältigen?
Der erste Törn von ca. 400 Seemeilen führte nonstop entlang der venezolanischen Küste nach Curaçao. Nonstop vor allem, weil Venezuela heutzutage leider nicht ganz unproblematisch ist und wir nicht riskieren wollten, uns mit korrupten Behörden oder sogar Piraten herumschlagen zu müssen. Eigentlich sehr schade, denn auf der Strecke liegen Traumziele wie die Islas Los Roques und die Islas Aves.
Weil die Strecke nicht ganz ohne ist, haben wir uns zum ersten Mal dafür entschieden mit einem Buddy Boat zu segeln. Ein Buddy Boat ist ein typisch amerikanischer Begriff und bezeichnet ein Boot mit dem man (eine Zeit lang) zusammen segelt. Die Amis lieben das und viele segeln auch kürzere Strecken am liebsten in Gruppen. Wir segeln im Normalfall lieber alleine, weil wir so spontan umentscheiden können ohne auf jemand anders Rücksicht nehmen zu müssen. Die deutsche Yacht AVALON mit Andi und Birte wollten zeitgleich mit uns los und hatten bereits mit einer anderen Schweizer Yacht vereinbart, die Strecke nach Curaçao gemeinsam zu segeln. Die Schweizer haben sich kurzfristig umentschieden und so sind wir nur mit der AVALON los.
Nach bald fünf Monaten Segelpause als erstes einen drei Tage dauernden Törn zu machen, war schon etwas komisch. Die Wettervorhersage hat nur schwache bis mässige Winde vorhergesagt und damit war auch die See ruhig, was vor allem Biggi sehr zu schätzen wusste.
Leider braucht unsere Lady ein bisschen Wind um gut voran zu kommen. Der Wind kam genau von hinten und obwohl wir Vollzeug (alle Segel oben) gefahren sind, wäre uns die AVALON (eine Bavaria 42) davongefahren, wenn sie ihre Segelfläche nicht verkleinert hätte. Wir sind nicht so schnell, dafür (als Katamaran) fast ohne Geschaukel unterwegs gewesen, aber die AVALON hat wegen der zu kleinen Segelfläche erbärmlich geschaukelt. Andi und Birte taten uns wirklich leid und wir rechnen ihnen sehr hoch an, dass sie stoisch bei uns geblieben sind, obwohl wir ihnen mehrmals angeboten hatten, dass sie doch einfach davon segeln sollten.
Es war für beide ein gutes Gefühl den anderen in der Nähe zu wissen, denn falls einer tatsächlich von Piraten attackiert worden wäre, hätte der andere dazustossen und einen Notruf absetzen können. Wir haben geschaut, dass wir gut ausserhalb der venezolanischen Gewässer bleiben und hatten beide unseren AIS-Transponder stumm geschaltet, damit wir «unsichtbar» waren. Einzig das Toplicht haben wir nachts angelassen, damit wir uns gegenseitig sehen konnten. Da die AVALON kein Radar hat, konnten wir sie dafür rechtzeitig warnen, wenn nachts Squalls (lokale Regenzellen mit potentiell viel Wind, die auf dem Radarschirm gut zu erkennen sind) von hinten aufkamen. Die stündlichen nächtlichen Funkgespräche waren einerseits eine willkommene Unterbrechung der Nachtwache und hatten andererseits auch eine beruhigende Wirkung.
Nach drei Tagen kamen wir alle wohlbehalten und ohne Zwischenfälle in Spanish Water in Curaçao an. Unsere Freunde Luise und Uwe von der LUWINA lagen schon seit Monaten hier vor Anker und kannten sich bestens aus. Da es am folgenden Tag Feiertag sei haben sie uns und Andi und Birte kurzerhand mit ihrem Dinghy abgeholt und an Land gebracht. Von dort ging es zu sechst mit dem Bus nach Willemstad zum Einklarieren. Einen wahren Marathon kreuz und quer durch Willemstad, den wir ohne die Hilfe von den beiden niemals so schnell hingekriegt hätten. Es hat trotzdem den ganzen Nachmittag in Anspruch genommen. Das ist doch wahre Seglerfreundschaft!
Spanish Water ist eine riesige verzweigte Lagune und bietet einen hervorragend geschützten Ankerplatz für Hunderte von Booten. Da die Insel ausserhalb der üblichen Zugbahnen der Hurrikane liegt ist es kein Wunder, dass sehr viele Boote den Sommer über hier liegen. Auf Curaçao gibt es auch eine grosse Auswahl an Supermärkten mit einem mit Europa vergleichbarem Angebot an Lebensmitteln.
Und es gibt eine hochaktive WhatsApp Gruppe, in der Segler aber auch lokale Dienstleister drin sind. Dort findet man für fast jedes Problem oder Bedürfnis einen geeigneten Ansprechpartner.
Für uns waren noch zwei weitere Aspekte Curaçao’s von grosser Bedeutung: Von hier gibt es günstige Flüge mit KLM nach Europa und es gibt eine Marina, in der man für einen vertretbaren Preis sein Boot während der Heimreise sicher abstellen kann.
Weil wir uns entschieden hatten diese Saison durch den Panamakanal und in den Pazifik zu gehen, war es uns wichtig nochmals vorher nach Hause fliegen zu können. Ich hatte meinen Vater wegen Corona schon seit drei Jahren nicht mehr treffen können und ausserdem hatte meine Mutter im November ihren 85sten Geburtstag. Das waren Gründe genug, dass wir uns nochmals in den Flieger setzen wollten, solange es noch bezahlbar war.
Aber vorher hatten wir noch etwas Zeit um Curaçao zu erkunden. Zusammen mit Luise und Uwe haben wir uns ein Auto gemietet und sind drei Tage kreuz und quer über die Insel gefahren.
Wir haben uns den Shete Boka Nationalpark mit dem Blow Hole «Boka Pistol» angeschaut. Eine wilde Landschaft an der schroffen Nordküste von Curaçao. Das Blow Hole verdient seinen Namen wirklich, denn es knallt wie ein Pistolenschuss, wenn die Wellen die Wasserfontänen durch den Spalt in die Höhe schiessen lassen.
An der Nordspitze von Curaçao gibt es ein noch eindrücklicheres Blow Hole und einen kreisrunden Krater mit einem unterirdischen Zugang zum Meer.
An der Südküste ist das Meer viel ruhiger und dort liegen auch einige sehr schöne Badestrände.
Das Wasser ist hier viel klarer, als wir es in der östlichen Karibik erlebt haben und die Fischvielfalt erscheint uns auch grösser. Das Beste war allerdings das Schnorcheln am Turtle Beach, wo man tatsächlich gleichzeitig mehrere Schildkröten beobachten kann. Die Tiere waren absolut nicht scheu und kamen regelrecht auf Tuchfühlung mit den Menschen im Wasser. Biggi war es dann fast ein bisschen zu viel des Guten, als eine Schildkröte sie von der Seite her knapp an der Schulter berührt hat.
Curaçao ist vom Klima und der Vegetation her völlig anders als Grenada. Es ist hier viel trockener und statt Palmen und Dschungel gibt es hier riesige Kakteen, Sukkulenten und stacheliges Unterholz.
Auch die Sprache und Kultur ist anders als auf den östlicheren Inseln. Hier spricht man Holländisch, Englisch, Spanisch und Papiamento. Der Einfluss aus Südamerika ist unübersehbar, sowohl in der Sprache als auch bei den Menschen. Einige Wörter gibt es nur hier – wie zum Beispiel «Dushi» oder «Chichi». «Dushi» kann vieles bedeuten wie «Liebling», «sexy», «gutes Essen» usw.
«Chichi» ist die Bezeichnung für «grosse Schwester», «Mutter» oder «Diejenige, die die Familie zusammenhält».
Eine deutsche Künstlerin ist vor x Jahren auf einer Weltumsegelung hier auf Curaçao hängengeblieben und stellt seither Chichi’s her. Die Chichi Figuren haben sich zu einer Art Symbol für Curaçao entwickelt und tauchen als Riesenplastiken an verschiedenen Orten auf Curaçao auf. Selbstverständlich haben wir auch ihre Werkstätte besucht.
Neben eine Aloe-Farm, einigen schönen Stränden und den Hato Caves haben wir auch Flamingos sehen können. Alles in allem drei sehr schöne und eindrückliche Tage.
Unser Abflugtermin kam näher und es wurde Zeit RARE BREED von Spanish Water zur Marina in Willemstad zu fahren. Dafür muss man durch den engen und gewundenen Kanal aus Spanish Water hinaus aufs Meer und die paar Meilen nach Willemstad segeln.
Curaçao gehört zu den Niederländischen Antillen und spätestens jetzt fühlten wir uns wieder ein bisschen als wenn wir in Holland wären, denn wir mussten um nach Willemstad reinzukommen zuerst an der «Floating Bridge» vorbeikommen.
Die Konigin Emmabrug ist eine Fussgängerbrücke, welche auf Pontonen schwimmend quer über die Einfahrt geht. Wenn man rein oder raus will mit dem Schiff, muss man den Brückenwärter per Funk anrufen und um eine Öffnung bitten. Dann bimmelt eine Glocke, die letzten Fussgänger hetzen noch schnell zur anderen Seite rüber und dann werden grosse Dieselmotoren angeworfen und die Brücke schwenkt langsam zur Seite.
In der Marina haben wir RARE BREED eingemottet und am 22. Oktober ging es mit dem Taxi zum Flughafen. Nach mehr als einem Jahr mussten wir wieder lange Hosen, Socken und sogar einen Pulli anziehen.
Nach einem angenehmen Nachtflug sind wir tags darauf in Amsterdam gelandet um festzustellen, dass unser Weiterflug nach München wegen Nebel abgesagt war.
Nach drei Stunden warten und einigem hin und her wurden wir von KLM auf den gleichen Flug am Folgetag umgebucht, d.h. wir blieben über Nacht in Amsterdam.
Mit den Vouchern für eine Hotelübernachtung, Transfer usw. standen wir nun im Flughafen und haben uns überlegt, was wir mit der «geschenkten» Zeit anfangen sollten. Amsterdam wäre vom Hotel aus gut zu erreichen – also nichts wie los. Da wir damit gerechnet hatten von Biggi’s Bruder Thomas am Flughafen in München abgeholt zu werden, hatten wir nur die Kleider dabei, die wir am Körper trugen – und das waren lange Hosen und dünne Fleecepullover, aber keine Jacken, geschweige denn Mützen oder Handschuhe. Als wir aus der Drehtüre am Flughafen raus in den eisigen Wind kamen, haben wir blitzartig realisiert, dass ein Stadtbummel mit unseren dünnen Klamotten eine ganz schlechte Idee war. Stattdessen sind wir durch die gleiche Drehtüre wieder ins beheizte Flughafengebäude zurück um unsere Optionen neu zu überdenken. Nach zwei Jahren im tropischen Klima waren wir dieser beissenden Kälte schlichtweg nicht mehr gewachsen.
Also sind wir stattdessen direkt ins Hotel gefahren und haben uns in die Schlange der gestrandeten KLM-Passagiere an der Rezeption eingereiht. Nachdem wir im Hotelshop noch ein paar Zahnbürsten und Zahnpasta erstanden haben (wir hatten wirklich gar nichts dergleichen dabei, da wir das alles in Uffing schon hatten) haben wir uns auf das Dinnerbüffet «gestürzt». Die unverhoffte Hotelübernachtung war gar nicht mal so schlecht, denn so konnten wir unseren Jetlag schon Mal ein bisschen ausschlafen und ausserdem haben wir ein ebenfalls gestrandetes Paar aus Deutschland kennengelernt, mit denen wir einen ganz vergnüglichen Abend an der Hotelbar verbracht haben.
Die knapp fünf Wochen in Europa waren sehr intensiv und voller Erlebnisse. Als erstes haben wir ein paar Tage in Uffing am Staffelsee bei Biggi’s Schwester Sigi verbracht.
Dort ist auch «unsere» kleine Wohnung, wo unsere Winterkleider und andere Sachen auf uns warteten. Was ebenfalls dort schon gewartet hat, war die Paketflut von meinen vielen Bestellungen. Nachdem man hier viele Sachen (sprich v.a. Bootsersatzteile) entweder gar nicht oder nur zu horrenden Preisen bekommt, habe ich im Vorfeld diverse Sachen bei Amazon und einigen Yacht- und Motorenfirmen bestellt. Sigi hat sich jeweils nur gewundert, wie wir das alles wieder zum Boot zurückbringen würden.
Gleich in der ersten Woche sind alle Geschwister von Biggi nach Uffing gereist für ein Geschwistertreff. Wie immer bei solchen Zusammenkünften ist die Zeit viel zu schnell vergangen.
Danach ging es mit einem Zwischenhalt bei guten Freunden von Biggi in der Nähe von Straubing wieder zum Flughafen München, von wo wir Ende Oktober für einen Blitzbesuch bei meinem Vater nach Schweden geflogen sind. Dass wir ausgerechnet mitten in einen Schneesturm fahren würden hätten wir nicht gedacht.
Um zu meinem Vater nach Värmland zu kommen mussten wir mit dem Mietauto knapp 300 km von Stockholm quer durch Schweden Richtung Oslo fahren. Obwohl wir extra auf ein 4×4-Auto mit Spikes aufgerüstet hatten, haben wir uns schlussendlich doch dazu entschieden nach einem Drittel der Strecke in ein Hotel zu gehen. Die E18 war weiter östlich wegen Blitzeis und quertreibenden Schneefall komplett gesperrt. In den Nachrichten haben wir tags darauf gehört, dass Leute vor der Norwegischen Grenze mit ihren Autos über Nacht stecken geblieben sind und vom Roten Kreuz notversorgt werden mussten. Da war eine Hotelübernachtung doch wesentlich angenehmer 😉 Das Abendessen im Hotel war recht lecker, nur hatte ich vergessen wie teuer Alkohol in Schweden ist. Die beiden Bierflaschen haben etwa genauso viel wie das Essen gekostet. Willkommen in Schweden! Abgesehen von den steifen Preisen für Alkohol ist Schweden für Personen aus dem Euro oder CHF Ausland richtig preiswert geworden. Der Wechselkurs zur Schwedischen Krone ist so vorteilhaft, dass das ehemals als teuer eingestufte Land inzwischen alles andere als teuer ist.
Die Zeit mit meinem Vater und seine Partnerin war sehr schön, nicht zuletzt für Biggi, die bei diesem Besuch viel über Schweden erfahren, für sie neues Essen probieren konnte und sogar einen Elch in freier Wildbahn gesehen hat.
Nach drei Tagen war es wieder Zeit zurück zu reisen. Von Värmland bis München ging alles reibungslos, aber die Deutsche Bahn hat uns mit ihrem ausgefallenen(!) Schienenersatzverkehr in München gehörig genervt. Spätabends kamen wir ziemlich gerädert in Uffing an.
Für mich ging es schon am 6. November mit dem Flixbus Richtung Zürich. Unterwegs habe ich mein Zugsticket von Zürich nach Hinwil, wo ich (bzw. später wir) bei einem Freund wohnen durften, gelöst. 15 Franken für ein einfaches Ticket 2. Klasse von Zürich nach Hinwil – Holla die Waldfee! War Schweden noch angenehm günstig, hat uns die Schweiz wieder einmal gezeigt, „wo der Bartel die Kohle holt“.
Ich kam am Vorabend vom 85sten Geburtstag meiner Mutter in der Schweiz an.
Wir hatten meine Mutter im Vorfeld der Reise auf allen Kanälen (WhatsApp, Facebook) gesperrt, damit sie ja nicht mitbekommt, dass wir nach Europa kommen würden. Ich wollte sie nämlich zum Geburtstag überraschen. Als ich am 7.11. vor ihrer Türe stand, ist sie aus allen Wolken gefallen und hat sich riesig gefreut 🙂 (Ein klein wenig Angst hatte ich natürlich schon, dass sie vor Schreck umkippen würde, aber das haben wir dann zum Glück verhindern können).
Die Zeit in der Schweiz war mit Treffen mit meinen Kindern und Freunden gut ausgefüllt. Es war echt schön alle diese Leute wieder zu treffen.
Biggi ist in dieser Zeit noch in die «alte Heimat» – nach Regensburg gedüst, um alte und neue Familienmitglieder und Freunde zu treffen.
In der zweiten Woche kam Biggi auch in die Schweiz und hat alle ihre Freunde getroffen. Parallel dazu habe ich möglichst viel Zeit mit meiner Mutter verbracht und das eine oder andere für sie erledigen können.
In diesen beiden Wochen durften wir freundlicherweise bei Jürg, einem ehemaligen Arbeitskollegen und inzwischen guten Freund wohnen. Jürg hat jeweils frühmorgens die Wohnung verlassen um zur Arbeit zu fahren und da wir abends in der Regel sehr spät wieder zurückkamen haben wir uns fast nicht gesehen. Für ein gemeinsames Abendessen, einen Brunch und den ein oder anderen Kaffeeschwatz hat es trotzdem noch gereicht. Lieber Jürg, danke für deine grosse Gastfreundschaft – Wir wissen es wirklich zu schätzen!
Die letzte Woche haben wir wieder gemeinsam in Uffing verbracht und sind prompt wieder in einer Schneelandschaft gelandet. Mit soviel Schnee – erst in Schweden und dann in Bayern – hatten wir auf unserer Reise wirklich nicht gerechnet. Das war schon schön, aber eben auch zu kalt für uns verweichlichte Tropenbewohner.
Am letzten Wochenende kamen noch Seglerfreunde zu Besuch, die wir im 2021 in der Karibik kennengelernt haben. Marco und Kerstin sind mit ihren beiden Kindern Sophia und Jonas im Eilzugstempo um die Welt gesegelt. Klar hatten wir mehr als genug Gesprächsthemen um die Zeit zu füllen!
Ende November war es dann wieder soweit. Nach einem tränenreichen Abschied in Uffing sind wir mit drei(!) zum Bersten gefüllten Reisetaschen Richtung München gefahren. Am Flughafen haben wir zuerst die Koffer gewogen. Nach ein wenig Umstauen haben wir es geschafft die erlaubten 23 kg pro Gepäckstück optimal auszunützen. Mit 23.0, 22.8 und 22.7 kg haben wir eine Punktlandung hingelegt 😉
Der Rückflug verlief problemlos und wir kamen – mitsamt dem ganzen Gepäck – planmässig um 15:45 Lokalzeit wieder in Curaçao an. So konnten wir noch mit dem letzten Tageslicht die Elektrik an Bord wieder einschalten und unsere viel zu warmen Kleider abziehen. Und man glaubt es kaum: ein klitzeklein wenig habe ich mich gefragt, ob ich lieber friere oder schwitze.
Etwas später kamen Birte und Andi von der Avalon mit etwas Frischware und ein paar kühlen Bier zu Besuch um uns hier wieder willkommen zu heissen 🙂 Es ist schon cool, wenn man auch in fremden Ländern Freunde hat.
Die kommenden Wochen verbringen wir damit, einen Teil der mitgebrachten Sachen einzubauen und dann wird es irgendwann weiter Richtung Westen gehen. Ob Kolumbien oder direkt nach Panama ist noch nicht ganz entschieden.
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Dieser Beitrag hat nicht viel mit Segeln zu tun, da wir ausschliesslich im Haus am Sunset Drive gelebt haben. RARE BREED lag derweil an einer Boje bei Hog Island und wir haben sie zwei bis drei Mal die Woche besucht. Mit jeder an Bord erledigten Kleinigkeit (unter anderem in den Mast für einen Riggcheck hochzuklettern) wurde die «To Do Liste» jede Woche ein wenig kürzer.
Danach gab es tatsächlich nicht mehr zu tun, als an Bord nach dem Rechten zu sehen.
Der Weg zum Boot ist jetzt etwas aufwändiger, im Gegensatz als es noch in der Marina lag. Zuerst müssen wir ca. 15-20 Minuten mit dem Auto zu Clarkes Court Boat Yard fahren. Danach steigen wir in unser Dinghy um, welches dort am Steg liegt und tuckern nochmals zehn Minuten durch die Woburn Bay nach Hog Island. Etwas länger, aber ein abwechslungsreicher «Arbeitsweg».
Die viele freie Zeit im Haus haben wir dazu genutzt Aufgaben zu erledigen, die wir schon lange vor uns hergeschoben haben. Mit dem unbegrenzten Internetzugang und dem (fast immer…) vorhandenen Strom lag es auf der Hand unsere Computer, Bilder und Musik endlich mal auszumisten und aufzuräumen. An Bord heisst das immer zuerst den Inverter anzumachen und den Computerarbeitsplatz einzurichten. Im Haus ist das wesentlich einfacher.
Ich habe den einzigen klimatisierten Raum im Haus vom Fernseh-Zimmer zum Büro umfunktioniert. Mit zwei Arbeitsböcken und Holzplatten aus der Werkstatt entstand ein Arbeitstisch und als Monitor hat der grosse TV herhalten müssen. Ergonomisch wäre anders, aber so einen grossen Bildschirm habe ich echt cool gefunden.
Biggi hat derweil die windzugewandte und damit angenehm kühle Ost-Terrasse zu ihrem Computerarbeitsplatz auserkoren. Sie hat in wochenlanger Geduldsarbeit abertausende von Bildern gelöscht und die verbleibenden in Alben organisiert. Am Anfang ging es mit dem Löschen noch ziemlich harzig, aber mit der Zeit wurde sie immer rigoroser. Natürlich war das Ganze nicht ganz freiwillig… Die Tatsache, dass sogar ihr neues Laptop mit der exponentiell wachsenden Bilderflut überfordert war, hat sie zur Einsicht gebracht, dass man nicht jeden schönen Sonnenuntergang in x Bildern aufbewahren muss.
Bei mir war es die Musikbibliothek, die aus mir unerfindlichen Gründen verloren gegangen ist. Ich hatte plötzlich gar keine Musik mehr auf dem Handy. Für die meisten Leute ist das heutzutage egal, weil man immer online ist und alles streamen kann. Auf dem Boot ist das etwas anders. Unsere lokalen SIM-Karten haben eine Datenbegrenzung und das Starlink erst recht, wenn wir ausserhalb von den Landbereichen sind. Auf See wird jedes MB richtig teuer. Mit Spotify, Netflix etc. ist also nix. Nur «Lokales ist Wahres« und die Musikbibliothek musste wiederhergestellt werden, was mich bei den 30-40’000 Titeln auch für einige Wochen ziemlich beschäftigt hat.
Mein zweites Projekt hiess OpenCPN. Wir navigieren bis jetzt fast ausschliesslich mit einer Navigationssoftware, die auf Tablets und Smartphones läuft. Hier in der Karibik sind diese Karten auch sehr genau und zuverlässig, aber schon wenige Tagesreisen weiter westlich in Panama, stimmen sie zum Teil überhaupt nicht. D.h. es macht Sinn ein zweites oder sogar drittes Set von Karten zur Verfügung zu haben. Elektronische (und auch Papier-)Seekarten sind ziemlich teuer, v.a. wenn man sie nur kurz braucht und nachher das Gebiet wieder verlässt. Daher haben sich einige Leute zusammengetan und ein offenes (Open Source) Seekartenprogramm entwickelt, welches auch in der Lage ist, Karten aus unterschiedlichen Quellen zu verwenden. Diese Software heisst OpenCPN und läuft auf PCs, Macs und sogar Kleincomputern wie der Raspberry Pi. Aber, wie bei solchen Open Source Programmen üblich, muss man sich doch recht intensiv einarbeiten und rumprobieren, bis es so läuft wie man es gerne hätte. Das fängt damit an, dass man die GPS-Position mittels einer externen GPS-Maus «reinbringen» muss, denn ohne WLAN hat kein Computer eine Position. Da ist nichts mit Plug&Play, und nur schon unsere aktuelle Schiffsposition ins OpenCPN zu bringen hat mich eine Weile beschäftigt. Dann muss man die richtigen Karten finden und laden und zum Schluss besteht die Möglichkeit aus Satellitenkarten (wie z.B. Google Maps) selber Karten-Overlays zu erstellen. Grosse Teile der Seegebiete die uns Segler interessieren, sind nämlich nur ungenügend kartografiert (wo es keine kommerziellen Interessen für die Seefahrt gibt, werden auch keine genauen Karten gemacht). Einige der Karten stammen noch aus den Zeiten der ersten Entdecker und sind zum Teil massiv falsch. Bei hohen Inseln oder grossen Landmassen ist das nicht so tragisch, aber bei den flachen Korallenatollen kann ein Versatz von ein paar Meilen den Unterschied zwischen Schiffsverlust und traumhaftes Segeln bedeuten. Auch heute gehen z.B. in den San Blas Inseln vor Panama jedes Jahr noch Schiffe verloren, weil der Navigator den fehlerhaften Karten blind vertraut hat…
Was heutzutage fast immer sehr genau und in guter Qualität vorhanden ist, sind Satellitenaufnahmen. Bei den Satelliten-Overlays geht es darum, Satellitenaufnahmen über einen Abschnitt der Seekarte zu legen. Das bringt natürlich nur etwas, wenn man sicherstellt, dass die Satellitenaufnahme im richtigen Massstab am richtigen Ort in der Seekarte eingefügt wird. Ausserdem muss sichergestellt werden, dass sie sich massstabsgetreu verändert, wenn man in der Karte rein- oder rauszoomt. Wenn das alles klappt UND man die tatsächliche Schiffsposition in dieses Bild einblenden kann, sollte man eigentlich eine realere Darstellung als mit einer ungenauen Karte bekommen. Dies alles kann man natürlich nicht ohne die entsprechende GIS (= Geographic Information System) Software machen, die es aber auch als Open Source gibt. Für einen gelernten Geographen wäre das alles wohl einfach gewesen, aber für mich war die komplexe Software erst mal ein Buch mit sieben Siegeln. Alles zusammen hat mich das Ganze etliche Tage YouTube-Tutorials schauen und Handbücher lesen gekostet, bis die ersten Erfolge kamen. Zum Glück bin ich Zeitmillionär, denn sonst hätte ich das nie geschafft. Und es zeigt wieder einmal wieviel Neues man lernen kann, wenn man mit einem Boot unterwegs ist.
Wir haben die Zeit hier auf Grenada auch dazu genutzt unser Boot auszumisten. Vieles von dem wir mal dachten, dass wir es brauchen könnten, hat sich als ziemlich nutzloser Ballast erwiesen. Und auch wenn gewisse Sachen als Backup gedacht waren, müssen wir Prioritäten setzen und nur das mit an Bord nehmen, was uns wirklich einen Nutzen bringt. Einiges konnten wir verkaufen, da es hier sehr viele Segler hat, die immer Teile suchen und vieles haben wir verschenkt.
Unter anderem haben wir uns schweren Herzens vom Kajak getrennt, dass uns in St. Marteen «zugeflogen» ist. Es hat zwar viel Spass gemacht, aber es war einfach zu gross für unser kleines Boot. Da wir jetzt wieder längere Passagen planen, wollten wir kein so grosses Teil auf Deck fahren müssen.
Ausserdem haben Sachen wie ein Grill, Dampfkochtopf, Akkubohrer (der zweite den wir an Bord hatten…), zwei überzählige Solarzellen (auch aus St. Marteen…), einen grossen Rucksack, Drucker, Solarlampen, Walkie-Talkies, überzählige Seile und tausend andere Kleinteile unser Boot verlassen.
Einiges wurde über Facebook Marketplace verkauft, einiges am Flohmarkt auf Hog Island. Dort versammeln sich die Leute am ersten Samstag im Monat zum «Boat Jumble» und bauen ihre Verkaufsstände auf. So auch wir.
Es ist erstaunlich was die Boote so alles mit sich rumschleppen. Den Vogel abgeschossen haben die Australier, die von Europa kommend immer noch ihre Ski und Skistiefel dabei hatten (7 Jahre mitgeschleikt und nicht mehr benutzt) und diese hier verkaufen wollten! Das hat viel Heiterkeit und Kommentare ausgelöst. Schlussendlich haben sie die Ski an Roger, den Besitzer der Barefoot Beach Bar verschenkt, der sie als Deko an der Wand aufgehängt hat. Skihüttenfeeling am karibischen Palmenstrand.
Wir wurden an diesem Flohmarkt einiges los, aber ehrlicherweise müssen wir auch zugeben, dass wir das ein oder andere dort erstanden haben, was uns sinnvoll erschien. Nicht zuletzt ein kleineres (und leichteres!) 1-Mann Kajak, welches wir als Ersatz für das grosse dort gefunden haben.
Unter dem Strich war die Entrümpelung ein Erfolg. Man kann es tatsächlich am Boot sehen, dass es jetzt etwas höher im Wasser liegt und unsere Staufächer und Schränke haben wieder etwas freien Platz – Ziel erreicht.
Als wir 2021 losgefahren sind, hatten wir zwei Drohnen an Bord. Da uns aber die Flugroutine fehlte, haben wir uns nie getraut damit zu fliegen – jeder Fehler hätte einen Absturz ins Meer bedeuten können. Die grössere Drohne (eine DJI Phantom 4) haben wir schon im ersten Jahr in der Karibik an deutsche Youtuber verkauft, die ihre Drohne – ja, was wohl? – im Meer versenkt hatten. Jetzt schlummerte noch die kleine DJI Mavic Mini Drohne unbenutzt in einem Staufach. Also haben wir sie auch zum Verkauf ausgeschrieben. Vor dem Verkauf wollten wir noch sehen, ob sie funktionierte. Nach dem Laden der Akkus und dem Update des Microcodes habe ich sie beim Haus ausprobiert und (wieder) gemerkt, was für coole Aufnahmen man mit einer Drohne machen kann. Und so sind wir zum Schluss gekommen, dass wir sie doch lieber selber behalten wollen und haben das Inserat wieder gelöscht. Seither übt Biggi fleissig das Drohnefliegen. Hier können wir – abgesehen von den vielen Palmen und Büschen im Garten – relativ gefahrlos üben. Allfällige Abstürze enden nämlich nicht im Meer (wobei der Pool natürlich auch nicht ganz ungefährlich ist…). Vor allem Coco wird völlig aufgeregt, wenn sie die Drohne sieht und würde sie vermutlich sofort zerbeissen, wenn sie dran käme. Daher können wir sie nur fliegen, wenn die Hunde eingesperrt oder weit weg sind.
Das Ziel ist irgendwann auch mal vom Boot aus zu fliegen und v.a. fotografieren zu können, aber dafür müssen wir uns erst etwas sicherer im Umgang mit der Drohne fühlen. So nebenbei konnten wir bei den Übungsflügen einige schöne Luftaufnahmen vom Haus und der Umgebung machen.
Die Ausflüge zum Boot verbinden wir jeweils meistens mit Einkaufen und andere Besorgungen erledigen. Das Einkaufen ist hier nämlich etwas aufwändiger als zuhause. Anstatt einfach in den Laden zu gehen und mit dem wieder raus zu kommen, was auf der Einkaufsliste stand, müssen wir hier immer damit leben, dass es (für uns) elementare Sachen einfach plötzlich nicht gibt – und das teilweise wochenlang. So bekamen wir während Wochen keine Butter, alle Läden waren leergefegt. Das lokale Brot ist allesamt weiches Weissbrot. Genau ein Laden hat alle paar Wochen ein paar Pakete importiertes Vollkornbrot und das von uns bevorzugte dunklere Toastbrot gibt es seit August nicht mehr. Jogurt, Milch und Eier sind auch eine Glückssache und Tomaten gibt es schon seit bald zwei Monaten nicht mehr. D.h. improvisieren und dann zuschlagen, wenn etwas erhältlich ist.
Jetzt hatten wir auch Zeit weniger dringende Erledigungen zu machen. Unser Tisch, den wir draussen im Cockpit haben, hat langsam angefangen Schlagseite zu bekommen. Das Tischbein bzw. das Drehgelenk ist langsam ausgeleiert. Hier ist so etwas nicht zu bekommen und so haben wir nach einer Möglichkeit gesucht, wie wir es verstärken könnten. Über Empfehlungen sind wir auf Martin Vincent gestossen, der weitab vom Schuss eine kleine mechanische Werkstatt betreibt. Auf den ersten Blick denkt man «Oh je, wie soll er in diesem Chaos etwas Gutes herstellen können?», aber der Eindruck hat getäuscht. Zusammen haben wir eine neue Konstruktion gebastelt und jetzt ist der Tisch wieder einsatzbereit – und das Ganze zu einem Bruchteil von den Kosten für ein Ersatztischbein.
Ähnlich erging es uns mit unseren Schuhen und einem Rucksack. Beides war schon kurze Zeit nach dem Kauf kaputt. Dabei waren die Schuhe von Merrell und richtig teuer gewesen, aber nach weniger als einem Jahr waren schon diverse Klebestellen aufgegangen. Wir haben das und noch weitere Sachen zu einem einhändigen(!!) Schuster gebracht, der seine «Werkstatt» in einem kleinen überdachten Stand am Strassenrand eingerichtet hat. Er hat alles neu verklebt und zusätzlich vernäht, sodass die Schuhe jetzt besser als neu sind. Und der Rucksack ist ebenso wieder voll belastbar. All das wieder für einen mehr als fairen Preis. Es ist auch schön zu sehen, dass hier Sachen geflickt und repariert werden, die wir zuhause – wenn auch zähneknirschend – vermutlich weggeworfen hätten.
Als sogar das Trinkwasser plötzlich ausverkauft war, haben wir unsere Filter von Bord ins Haus geholt. Jetzt füllen wir das Hahnenwasser – nachdem es durch einen Sediment- und Aktivkohlefilter gelaufen ist – selber in Kanister. Problem gelöst und dabei noch Geld und Ressourcen gespart! Das hätten wir viel früher machen sollen!
Unser Tagesablauf ist durch die Hunde in einem klaren Rhythmus eingeteilt. Morgens nach dem Aufstehen gehen wir meistens zusammen die Gassirunde und danach werden die Hunde gefüttert.
Danach kommt der schönste Teil vom Tag – Den Morgenkaffee im Pool geniessen! Es ist noch nicht so heiss und der Pool ist noch angenehm kühl.
Wenn wir nicht zum Boot gehen, werden noch ein paar Kleinigkeiten erledigt und zwischen 10 und 11 essen wir «Frühstück». Die Computerarbeiten gehen – selbstverständlich unterbrochen durch regelmässige Abstecher zum Pool und eine Kaffeepause am Nachmittag – bis um 16-17 Uhr.
Dann gehe ich die zweite Gassirunde mit den Hunden während Biggi mit der Drohne übt. Nach der zweiten Hundefütterung ist der zweite «heilige» Tagestermin fällig – ein kühles Bier im Pool!
Das Leben als Hundehalter ist auch etwas Neues für uns. Nach vier Monaten sind Coco und Macey uns recht ans Herz gewachsen. Sie sind beide total lieb und gut erzogen, aber Hund bleibt Hund und manchmal werden sie schlagartig schwerhörig… Inzwischen kennen wir ihre Macken und Vorlieben (und sie wohl auch unsere) und können rechtzeitig einschreiten. Zum Beispiel wenn Macey sich in Schlammpfützen langlegen will. Inzwischen reicht ein deutliches «No Macey!» und sie trollt sich etwas beleidigt vom Schlammloch weg ohne sich reinzulegen. Aber trotzdem kommt es auch jetzt noch zu Überraschungen, wie zum Beispiel als sie (zum ersten Mal) quer vom Pfad zum Meer runter gerannt ist und sich ins Wasser gestürzt hat. Nach ein paar Minuten kam sie von selber klatschnass und glücklich zurück getrabt.
Ein Hund ist etwas sehr Schönes und Treues, egal was du machst, der Hund findet dich toll und zeigt das überschwänglich. Gleichzeitig ist ein Hund irgendwie wie ein kleines Kind, das nie erwachsen wird und immer betreut werden muss.
Es war schön diese Erfahrung machen zu dürfen, aber ich glaube nicht, dass ich je einen eigenen Hund haben wollte. Damit kann Biggi leben, aber um eine Katze werde ich wohl nicht kommen… Einfach nur nicht solange wir auf einem Boot leben. Gell, Biggi?
Kurz nach 18 Uhr geht die Sonne unter und Biggi verschwindet in die Küche um das Abendessen zuzubereiten. Die Küche nach dem Essen aufräumen ist Männersache – also mein Part. Ein letzter Poolbesuch im Dunkeln und noch etwas lesen und dann ist der Tag auch schon wieder rum. Und ja, es ist uns schon SEHR bewusst, welches Luxusleben wir hier führen können!
Neben den Hunden und Mücken wimmelt es auch sonst von Tieren hier im Haus. Geckos in allen Grössen und Varianten düsen kreuz und quer durchs Haus und fangen Mücken. Abends und nachts krabbeln wahre Heerscharen von Eremitkrebsen durch den Garten und ins Haus, welches nach aussen völlig offen ist.
Das ist ja alles noch ganz lustig, aber leider können die vielen Vögel nicht mit den riesigen Glasflächen von diesem Haus umgehen. Im besten Fall verirren sie sich rein und wir müssen sie irgendwie fangen und rausbefördern. Aber leider fliegen auch viele in vollem Tempo in die Scheiben rein und wir finden sie dann tot irgendwo auf dem Boden.
Hier gibt es auch «Fire Ants», extrem aggressive Ameisen, deren Biss bei mir immer ziemliche Schwellungen auslöst – ist halt nicht immer so paradiesisch im Paradies…
Der September ist der Höhepunkt der Hurrikanzeit. Zum Glück sind wir bis jetzt verschont geblieben, aber manchmal sah es schon ziemlich haarig aus auf den Wetterkarten vom Atlantik.
Jetzt wo unser Aufenthalt auf Grenada langsam zu Ende geht, haben wir gefunden, dass es Zeit ist ein Fazit zu ziehen.
Wir haben mehr als ein Drittel vom 2023 auf Grenada verbracht. Die weitaus grösste Zeit davon im Haus am Sunset Drive. Von den bald zwei Jahren, die wir in der Karibik verbracht haben, sind wir alles in allem etwa 7 Monate auf Grenada gewesen. Von einer exotischen und unbekannten Insel ist sie zu einer Art Heimat geworden. Wir kennen uns langsam aus und haben hier auch schon viele Freunde und Bekannte kennen und schätzen gelernt. Wir haben die meisten der Sehenswürdigkeiten besucht, waren mehrmals «hashen», aber wir haben vor allem auch den Alltag hier erleben dürfen.
Zwei Ausdrücke, die wir hier immer wieder zu hören bekommen sind «Take your Time» und «God’s Will». Beide treffen den Lebensstil der Leute hier sehr gut. Ersteres spiegelt die entspannte Einstellung zum Leben – warum stressen, bringt doch eh nichts! «Take it easy, and enjoy life, Man!». Der zweite Ausdruck kommt immer dann zum Zug, wenn man von etwas Zukünftigem spricht, weil jede Abmachung ist natürlich nur soweit gültig, wie es Gott gefällt. Wenn es ihm gefällt, dass man lieber ein Bierchen trinkt als zur Arbeit zu kommen. Ja nu, dann ist es so. Karibik halt.
Wenn wir uns eine Insel in der Karibik aussuchen «müssten» um dort zu leben, wäre es vermutlich Grenada. Die Insel ist von der Natur her sehr vielfältig, neben schönen Stränden gibt es unendlich viele Wandermöglichkeiten durch den Dschungel zu Wasserfällen. Sogar kleinere Bergwanderungen sind hier möglich. Die Leute sind extrem freundlich und wirken zufrieden. Die Kriminalität ist hier tatsächlich kein grösseres Problem und man kann sich auch als weisser Tourist überall frei und sorglos bewegen. Die wenigen schweren Verbrechen sind fast ausnahmslos im Bereich des Drogenhandels passiert.
Die Insel liegt am südlichen Ende des Hurrikangürtels und entsprechend unwahrscheinlich ist es hier einen Hurrikan zu erleben.
Aber das Land hat natürlich auch seine Schattenseiten. Dass die karibischen Inseln alle ein Problem mit dem Abfall haben ist nachvollziehbar. Es fehlen einfach die Ressourcen um diesem Problem Herr zu werden. Was wir aber gar nicht verstehen können, ist das gedankenlose Littering. Hier wird einfach alles in den nächst besten Busch geschmissen, anstatt es mitzunehmen und in einen Abfallkübel zu legen. Anfänglich haben wir bei jeder Wanderung und bei jedem Spaziergang Abfall gesammelt, aber irgendwie ist es uferlos. Die Umgebung von unserer Gassirunde war nach unseren ersten Runden frei von Abfall, weil wir alles eingesammelt und entsorgt haben. Inzwischen liegt wieder überall Müll rum. Dabei gilt diese Ecke mit dem Blow Hole als Naherholungsgebiet und Leute kommen von weit her um sich das anzuschauen. Vor ein paar Wochen kamen sogar zwei Kleinbusse voll mit Schulkindern hierher. Als sie weggefahren sind, war alles mit leeren Chipstüten und Getränkedosen und Flaschen übersäht… Wir geben nicht auf und fischen Flaschen etc. aus Büschen und manchmal sogar aus dem Meer, an der Einstellung der Leute wird das aber leider nichts ändern.
Die Meeresschildkröten sind vom Aussterben bedroht und eigentlich weltweit geschützt. Hier auf Grenada darf man sie aber fangen. Bis jetzt haben wir das nie miterlebt – bis vor ein paar Tagen. Wir waren am Boot als zwei Fischer mit etwas Grossem in einem Netz an Bord vorbeigefahren und auf Hog Island an Land gegangen sind. Ich war oben im Mast und Biggi hat mich gesichert. So haben wir miterlebt, wie die Fischer eine grosse Schildkröte an Land gezogen haben und angefangen haben sie bei lebendigem Leib zu zerlegen. Es war ein verstörender Anblick, aber wir konnten nichts machen, denn sie taten nichts Illegales.
Unser Umgang mit Masttierhaltung ist wohl auch nicht besser, aber es hat uns trotzdem im Herzen weh getan zu sehen wie das arme Tier qualvoll verendet ist. Als wir Beverly, die zwei Mal die Woche ins Haus kommt, davon erzählt haben, hat sie sich auch aufgeregt. Auch sie würde nie im Leben eine Schildkröte essen. Sie wisse nicht mal wo man das kaufen könne. So kann man wenigstens hoffen, dass es nicht allzu oft vorkommt.
Etwas anderes was uns hier aufgefallen ist, ist die gesetzliche/behördliche Willkür. Von einem Tag auf den anderen wird eine neue Regel aufgestellt und sofort in Kraft gesetzt. Oder es wird jahrelang versucht eine Regelung zu finden und derweil kann die Polizei nach Belieben entscheiden was gerade gültig ist. Ein typisches Beispiel ist als einem Segler bei der Einreise die Drohne am Zoll konfisziert wurde, weil er keinen gültigen Grenada-Drohnenausweis hätte. Pikantes Detail: Einen solchen Ausweis gibt es gar nicht! Grenada versucht schon seit Jahren eine Regelung bezüglich eines Drohnenausweises zu finden. Derweil muss jeder, der eine Drohne fliegen will, zur Polizei gehen und um eine Bewilligung fragen. Ob er diese bekommt liegt völlig im Ermessen des gerade anwesenden Polizeibeamten.
Ein weiteres Beispiel sind unsere Führerscheine: Wir müssen alle drei Monate einen lokalen Führerschein kaufen. Dafür müssen wir unseren Schweizerischen Fahrausweis zeigen. Logisch. Beim letzten Mal haben sie sich aber fast geweigert den Grenadischen Fahrausweis zu erneuern, weil das Bild auf dem Schweizerischen Fahrausweis nicht den Passbildvorgaben entspricht. Dass unsere Schweizer Fahrausweise lange vor dieser Regelung ausgestellt wurden und kein Ablaufdatum haben, hat den Polizisten nicht interessiert. Hier gelten halt die Grenadischen Regeln… Interessanterweise hat diese Regelung bis jetzt keinen Beamten interessiert.
Nach vier Monaten Landleben haben wir natürlich auch die «Zuverlässigkeit» der Grenadischen Infrastruktur hautnah miterlebt. Dass der Wasserdruck immer wieder sehr schwach wird und das Wasser teilweise ganz ausbleibt ist hier völlig normal. Nicht umsonst haben die Hausbesitzer einen riesigen Regenwassertank und eine eigene elektrische Wasserpumpe eingebaut.
Die haben wir schon ein paar Mal benutzen müssen. Wenn dann aber auch der Strom ausfällt ist natürlich nichts mehr mit selber Wasserpumpen betreiben. Das ist zum Glück erst wenige Male passiert, dafür dann an vier aufeinanderfolgenden Tagen. Der Strom kam jeweils nach 3-4 Stunden wieder zurück, aber es war jedes Mal eine Zitterpartie, ob der grosse Gefrierschrank nicht auftaut. Zumal der lokale Stromlieferant keinerlei proaktive Informationen ausgegeben hat.
Wegen der Wärme haben wir nachts im Schlafzimmer alle Türen und Fenster sperrangelweit offen und wegen der vielen Mücken schlafen wir unter einem grossen Mückennetz. Leider gibt es auch bei offenen Türen und Fenstern keinen richtigen Durchzug und so ein Netz blockiert erstaunlich viel vom Luftzug. Da es hier auch nachts über 30 Grad warm bleibt, kann man wählen, ob man unter dem Netz vor Hitze eingeht oder ob man es weglässt und von den Mücken aufgefressen wird. Not macht erfinderisch und wir haben uns zwei(!) grosse Ventilatoren direkt auf das Bett gerichtet um hinter dem Netz genügend Luftzirkulation zu haben. Und dass die Ventilatoren ausfallen würden wäre fast die schlimmste Folge vom Stromunterbruch! Das ist zum Glück nur in einer Nacht für ein paar Stunden passiert.
Die Möglichkeit hier soviel Zeit verbringen zu können, war auf jeden Fall eine einmalige und sehr wertvolle Erfahrung, die wir auf keinen Fall missen wollen. Jetzt ist es aber an der Zeit für eine Veränderung. In dem Sinne werden wir anfangs Oktober die Segel hissen um neue Ufer zu erkunden – God’s will.
Wir sind Ende Mai hier im Haus eingezogen und inzwischen ist schon mehr als die Hälfte der Zeit vorbei in der wir zwei liebe Hunde, ein Riesenhaus und sogar ein «eigenes» Auto haben.
Ursprünglich wollten wir RARE BREED erst im August an Land holen und kurz vor Ende unserer Haussittingzeit wieder zu Wasser lassen. Das hätte uns genügend Zeit gelassen alle Arbeiten auf unserer To Do Liste nach und nach abzuarbeiten, während RARE BREED an Land stand. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt – der Grund ist nachstehend beschrieben. Und jetzt haben wir die Reihenfolge quasi umgekehrt und sind mit den Bootsarbeiten fertig (sofern man das bei einem Boot je sein kann, dazu später auch mehr…).
Jetzt liegt RARE BREED an einer Boje hinter Hog Island und wartet auf uns bis wir Ende September wieder an Bord ziehen werden – immer vorausgesetzt, dass uns kein Hurrikan einen Strich durch die Rechnung macht, denn die heisse Zeit im wahrsten Sinne des Wortes geht erst jetzt so richtig los. Im Moment ist aber alles ruhig, so ruhig, dass der Passatwind auch eingeschlafen ist und wir hier Hitzewarnungen haben. Bei nahezu 100% Luftfeuchtigkeit fühlt es sich schon bei 35 Grad wie in einer Sauna an. Da lernen wir erst recht unseren privaten Pool im Garten so richtig schätzen. Und vielleicht war es doch ganz gut, dass wir die Arbeiten an Bord noch vor dieser Hitzewelle erledigen konnten.
Bevor es weiter geht, eine kleine «Nerd»-Warnung: Dieser Beitrag wird vor allem die Reparaturen und Wartungsarbeiten beschreiben, die wir seit der Ankunft in Grenada auf RARE BREED gemacht haben. Also einen ausgeprägten Fokus auf Bootstechnik und technische Details haben. Sagt nachher nicht ich hätte euch nicht gewarnt…
Die treuen Leser haben sicherlich festgestellt, dass wir des Öfteren Sachen an Bord reparieren oder ersetzen müssen. Das ist definitiv der Fall. Einiges ist normaler Verschleiss (das haben auch alle Langzeitsegler und ist immer wieder ein Thema, wenn man sich trifft), aber einiges ist auch auf das Alter des Bootes, welches dieses Jahr 21 Jahre alt wird, zurück zu führen.
Es gibt im Englischen zwei Sprüche die diese Tatsache gut umschreiben:
«The only thing working on an old boat is the owner.” (Das kann man wegen dem Wortspiel nicht wirklich ins Deutsche übersetzen)
“Everything on your boat is broken, you just don’t know it yet!” (Alles auf deinem Boot ist kaputt, du weisst es nur noch nicht!)
Was in unserem Fall dazu kommt ist, dass die Werft beim Bau vor 21 Jahren an ein paar (wichtigen) Stellen gepfuscht hat und zwei solche «Schlampereien» haben wir erst beim Arbeiten diesen Sommer entdeckt. Einiges ist einfach ärgerlich, anderes regelrechte Katastrophen, die so unentschuldbar sind.
Was man in diesem Kontext auch erwähnen muss: RARE BREED ist unser Zuhause und gleichzeitig unser Reisevehikel. Sie muss sowohl seetüchtig bleiben wie auch einen gewissen Wohnkomfort haben. Und auch wenn diese Reparaturen sehr aufwändig und teuer waren, waren sie nötig, wenn wir weiter auf RARE BREED leben und segeln wollen. Und – als Trost für uns – am Ende sind diese Kosten immer noch viel kleiner, als was es uns kosten würde, ein Leben in der Schweiz zu führen.
Das erste und dringendste Thema war das Problem mit dem Motorstart. Wir waren ja sozusagen im «Notbetrieb» von Tobago nach Grenada gekommen, weil unsere Motoren sich nur mit viel Glück und verschiedenen Tricks zum Leben erwecken liessen. Dieser Zustand musste nachhaltig behoben werden. Wie sich herausstellte war der Grund tatsächlich nicht schlechte Starterbatterien, sondern die alten korrodierten Batteriekabel und Massestecker an den Motoren.
Die beiden Starterbatterien waren von der Werft aus in einem Fach im Boden vom Brückendeck verbaut worden. Die Batterien habe ich natürlich schon ersetzen müssen, aber die Kabel waren noch dieselben geblieben. Die dicken Plus- und Minuskabel gehen von diesem Fach durch völlig unzugängliche Kabelschächte zu den beiden Motoren bzw. den Hauptschaltern im Schaltkasten im Salon. Die meisten dieser Kabel konnte ich weder inspizieren noch aus den Schächten rausbekommen, geschweige denn neue einziehen. Also haben wir neue Plätze für die Starterbatterien in den jeweiligen Achterkabinen eingerichtet und von dort neue und viel kürzere Kabel zu den Motoren gezogen. Der jeweilige Hauptschalter und die Bilgenpumpen in den Motorräumen wurden dabei auch neu verlegt bzw. verkabelt. Als Autodidakt steht man manchmal vor Kabeln und weiss nicht so recht wozu es die noch braucht. So ging es mir auch dieses Mal – nachdem die Batterien mit den Motoren verkabelt waren, war noch ein Kabel «übrig» dessen Funktion mir unklar war. Inzwischen weiss auch ich wozu dieses «Erregerkabel» zwischen Lichtmaschine und Batterie da ist, denn ohne diesem Kabel werden die Batterien nicht geladen. Man(n) lernt beim Basteln immer dazu…
Jetzt sind die beiden Motoren elektrisch komplett voneinander getrennt und damit bestehen auch keine gegenseitigen Abhängigkeiten mehr. Eine allfällige Fehlersuche ist wesentlich einfacher, da alles zugänglich ist und ich alles selber verlegt habe. Und das Wichtigste – die Motoren starten jetzt wieder sofort auf Knopfdruck!
Am 13. Juni, der Tag als Angela, Bruna und Susi wieder abgeflogen sind, wurde RARE BREED im Clarkes Court Boatyard an Land gehoben. Ironischerweise ist unser Boot zu klein (!?!) um dort länger an Land stehen zu bleiben. Im Normalfall ist es eher umgekehrt. Hier haben sie einen riesigen Travellift mit dem die Boote an Land geholt werden. Danach werden sie auf einen speziellen Trailer gestellt, der viel kleiner und v.a. schmäler als der Travellift ist. Dieser Trailer hebt das Boot mit Hydraulikstempeln von unten an und verschiebt es danach auf dem Gelände. Dadurch können sie die Boote extrem eng zusammen hinstellen, was ihnen ermöglicht viel mehr Boote an Land zu lagern = mehr Geld zu verdienen. RARE BREED ist zu schmal als dass sie den Trailer verwenden könnten und so musste unser Böötchen mit diesem riesigen Travellift an Land verschoben werden, sprich sie mussten soviel Platz um uns herum frei lassen um nachher wieder mit dem Travellift hinfahren zu können. Deswegen haben sie uns nur erlaubt für drei Wochen an Land zu stehen, danach würde der grosse Run losgehen und der Platz an Land müsse voll ausgenutzt werden. Das war dann auch der Grund, dass wir unseren ursprünglichen Zeitplan über den Haufen geworfen und RARE BREED viel früher als geplant rausgehoben haben.
Statt den ursprünglich geplanten zwei Monaten, standen uns jetzt nur noch drei Wochen Zeit zur Verfügung, um alle Arbeiten, für die das Boot an Land stehen musste, fertig zu bekommen. In Anbetracht des Ausmasses der nötigen Reparaturen (das wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kannten…) wurde es echt eng. Alles was jetzt folgt wurde daher parallel gemacht und aus Zeitgründen mussten wir einiges machen lassen, was wir sonst selber erledigt hätten. Drei Firmen haben in diesen drei Wochen gleichzeitig an Bord gewerkelt und ich kam mir manchmal vor, wie wenn ich wieder in meinem alten Job als Projektleiter gelandet wäre: «Hey Skip, how do you want this done?», «Hey Skip, when will they be finished so I can start?» usw.
Nachträglich müssen wir sowohl dem Boatyard, wie auch den involvierten Firmen und Personen ein riesiges Lob aussprechen, denn es wurde bis auf die letzte Minute Hand in Hand gearbeitet und die letzten Pinselstriche waren noch feucht, als wir nach drei Wochen wieder im Kran hingen.
Die erste geplante Baustelle waren die grossen Motorenwartungen. Unser Boot hat zwei Dieselmotoren, die unter den Kojen (Betten) in den beiden hinteren Kabinen eingebaut sind. Neben den üblichen Wartungsarbeiten wie Oel-, Filter- und Impellerwechsel, die wir selber machen, stand dieses Mal einiges mehr an. Als erstes der Tausch der Dichtungsmanschetten zwischen Motor und dem Unterwasserteil (Saildrive) wo die Schiffspropeller angebracht sind. Diese dicken Gummimanschetten sitzen auf einem Flansch im Schiffsboden unter dem Getriebe und dichten diese grossen Löcher im Schiffsboden ab. Die Manschetten müssen alle 7-10 Jahre ausgewechselt werden. Zuerst müssen die Propeller abgenommen werden, danach das Getriebe vom Motor gelöst und der ganze Motor von seinem Fundament gelöst und angehoben werden. Dann können die Saildrives mitsamt Getriebe nach oben aus dem Schiff gezogen werden. Wenn das alles draussen ist, klaffen zwei grosse Löcher im Schiffsboden. Die Vorstellung, dass diese Gummimanschetten reissen könnten, rechtfertigen schnell diese aufwändige Wartungsarbeit. Im gleichen Zug liessen wir auch die Saildrives überholen und haben alle Simmerringe und Dichtungen erneuern lassen – etwas das auch nur gemacht werden kann, wenn das Boot an Land steht.
Die zweite grössere Aktion an den Motoren war die Demontage und Reinigung der Wärmetauscher. Die Motoren sind, wie ein normaler Automotor wassergekühlt, aber dieser innere Kühlkreislauf muss im Boot durch einen zweiten, äusseren Wasserkreislauf gekühlt werden. Dafür wird Seewasser angezogen und im Wärmetauscher kühlt dieses Seewasser den inneren Kühlkreislauf. Das Seewasser wird nach getaner Arbeit in den Abgaskrümmer gespritzt und mitsamt den Abgasen aus dem Boot «gespuckt». Dieser Wärmetauscher und der Abgaskrümmer verkalken bzw. verrussen mit der Zeit und müssen alle paar Jahre gereinigt werden, was auch wieder einen grösseren Demontage- und Montageaufwand bedeutet.
Als letztes wurde noch ein leckender Simmerring an der Kurbelwelle vom linken Motor abgezogen und ein neuer aufgepresst. Damit sollte ein kleines aber lästiges Oelleck auch Geschichte sein.
Nachdem alles wieder zusammengebaut war wurde noch an Land ein Probelauf gemacht. Es hat zum Glück alles funktioniert und alles war dicht!
Unsere Motoren sind auch schon 21 Jahre alt, aber sie haben verhältnismässig wenige Betriebsstunden und sind gemäss optischem Eindruck und Aussage der Mechaniker in einem Topzustand. Das beruhigt und stärkt das Vertrauen ins Boot.
Die nächste geplante Baustelle waren die leckenden Scheiben im Aufbau. Wir haben fünf grosse Scheiben, welche immer mehr geleckt haben. Waren es anfangs noch vereinzelte Tropfen, mit denen wir gut leben konnten, hatte es sich im Laufe des letzten Jahres zu regelrechten Rinnsalen entwickelt, die wir nicht mehr ignorieren konnten. Bei jedem grösseren Regenfall oder wenn Seewasser an Bord kam mussten wir mit Lappen und – Geheimtipp 😉 – Inkontinenzbinden das Schlimmste verhindern.
Die Fenster sind in zweiteilige Aluminiumrahmen eingeklemmt und diese Rahmenteile sind mit kleinen Edelstahlschrauben verschraubt. Jeder der in der Schule beim Chemieunterricht aufgepasst hat, weiss, dass verschiedenwertige Metalle (z.B. Aluminium und Edelstahl) zusammen mit einem Elektrolyt (in diesem Fall Salzwasser) reagieren und mit der Zeit (wieder diese 21 Jahre…) eine fast unlösbare Verbindung eingehen. Es sei denn man verwendet spezielle Distanzhülsen oder eine Teflonpaste, um die Schrauben elektrisch vom Aluminium zu isolieren und diesen Prozess zu verhindern. Nun ja, das hat man damals beim Bau des Bootes wohl «vergessen»… Ich hatte auf jeden Fall keine Chance diese kleinen Schrauben mit einem normalen Schraubenzieher zu lösen. Da mussten Profis mit Spezialwerkzeug wie Schlagschrauber ran. Das hat geknattert und das ganze Boot hat gezittert als sie am Werk waren, aber nach und nach konnten die Fensterrahmen gelöst werden. Was dabei zum Vorschein kam, war der erste Fall von offensichtlichem Baupfusch: Die Rahmen und Fenster waren nicht 100% passgenau und daher gab es zu wenig Platz für die Dichtungsmasse – stellenweise war sogar gar keine Dichtungsmasse zwischen Glas und Rahmen. Eigentlich ein Wunder, dass es nicht noch mehr geleckt hat. D.h. die Rahmen mussten angepasst werden, damit eine genügend dicke Fuge aus Dichtungsmasse zwischen Glas und Rahmen reinpassen würde. Wegen der unterschiedlichen Wärmeausdehnung der verschiedenen Materialien ist die Dicke der Dichtungsfuge matchentscheidend um es dicht zu bekommen und vor allem damit es längerfristig dicht bleibt. (Spoiler: Die Fenster sind jetzt nach mehreren tropischen Regenfällen absolut dicht – Yeah!)
Die dritte Baustelle war die, die uns am meisten Kopfzerbrechen (und Geld…) gekostet hat. Und wir haben sie nur per Zufall entdeckt! Seit einiger Zeit hatten wir Salzwasser im Schiff. Je schlimmer der Seegang war, desto mehr Wasser ist beim Segeln reingekommen. Wie bei den Scheiben war es erst ganz wenig, aber dann wurde es immer mehr. Als wir still lagen, war der Spuk vorbei. Wir hatten schon vor Monaten eine Leckstelle in der vorderen Kabine entdeckt, komischerweise unter der Decke – also weit oberhalb der Wasserlinie – welche wir letzte Saison in Domenica mit Epoxyspachtel abgedichtet haben. Dies hat leider nicht sehr lange hergehalten und kurz danach entdeckten wir auch Salzwasser unter den Bodenbrettern im Steuerbordrumpf. Immer nur ein paar Deziliter, aber trotzdem – wir mussten herausfinden woher das kam. Wir vermuteten ein Leck in einem bisher unzugänglichen Teil im Brückendeck vorne im Boot.
Ein Katamaran ist im Seegang grossen Dreh-, Stauch- und Dehnbelastungen ausgesetzt. Böse Zungen behaupten, dass ein Kat im Prinzip drei Boote sind, die sich im Seegang alle unterschiedlich bewegen. Um dem Herr zu werden ist es wichtig die Rümpfe so zu versteifen, dass die Belastungen auf das ganze Boot möglichst gleichmässig verteilt sind. Dafür hat ein Kat substantielle Querverbindungen zwischen den Rümpfen um eine gegenseitige Verdrehung zu verhindern. Bei unserem Boot ist das eine stabile «Wand», welche vorne von einer Bootsspitze (Bug) durch das Brückendeck zum anderen Bug am anderen Rumpf geht. Solche «Wände» heissen bei Booten Schotten. Dieses Schott bestand aus zwei ganzflächig verklebten Sperrholzplatten mit einem festen Schaum dazwischen. Das Schott hat einen Hohlraum vorne im Boot hermetisch abgeriegelt und war daher nur von einer Seite her zugänglich. Dahinter habe ich Wasser vermutet und schon vor längerer Zeit ein kleines Loch ins Schott gebohrt. Und tatsächlich, es kam Wasser raus und zwar viel, vermutlich an die hundert Liter!
Ich hatte zu dem Zeitpunkt keine Ahnung wie das Wasser dort reinkommen konnte, da der gesamte Hohlraum ca. einen Meter oberhalb vom Wasserspiegel liegt. Es war also ein Leck oberhalb der Wasserlinie und damit erst mal nicht «existentiell bedrohlich», aber wir mussten dem nachgehen und nachhaltig abdichten.
Das haben wir gemacht indem wir jetzt an Land das Loch im Schott mit einer Stichsäge vergrössert haben bis wir dahinter sehen konnten. Was zum Vorschein kam, hat uns leer schlucken lassen.
Das Wasser ist über eine mangelhafte Abdichtung des Bugspriets (ein Aluminiumrohr, welches aus dem Rumpf ragt und der untere Befestigungspunkt vom Vorstag ist) reingekommen. Das Vorstag ist ein Stahlseil, welches von dort bis zur Mastspitze hoch geht und einerseits den Mast abstützt und andererseits dazu dient das grösste Vorsegel, die Genua, zu tragen. Dieses Vorstag muss also grosse Kräfte aufnehmen können. Das Bugspriet-Rohr ist hinten an dem besagten Schott verankert und vorne über Stahlseile fixiert. Es hat aber nicht nur geleckt, sondern die ganze vordere Aufhängung vom Rohr war unfachmännisch ausgeführt und viel zu schwach.
Was aber fast noch schlimmer war, war, dass das Holz vom Schott im Laufe der Jahre verrottet war und das ganze Schott keinerlei Stabilität mehr hatte. Sowohl der Bugspriet, wie die Abstützung vom Mast und die ganze Torsionsstabilität vom Boot waren massiv reduziert. Kurzum: es wäre nur noch ein Frage der Zeit gewesen bis der Mast runter gekommen wäre…
Diese Pfuscharbeit von der Bauwerft (mangelhafte Abdichtung und das hermetische Abriegeln des Hohlraumes ohne Ablauföffnung) hätte eigentlich der sogenannte «Sachverständige» entdecken müssen, den ich extra beim Kauf von RARE BREED im 2017 für teures Geld beauftragt hatte.
Das eingedrungene Wasser hatte mit der Zeit den jetzt offen daliegenden Hartschaum vom Schott gesättigt und war über mehrere Orte ins Schiffsinnere eingedrungen. Daher die komischen Lecks an verschiedenen Orten vom Boot. Das Eindringen von Wasser war verglichen mit dem jetzt entdeckten Ausmass vom Schaden jedoch das kleinere Übel.
Statt wie erwartet eine Leckstelle zu beseitigen musste das ganze Schott rausgeschnitten und von Grund auf neu aufgebaut werden – natürlich erst nachdem auch der Bugspriet fachgerecht verstärkt und abgedichtet worden war.
Zu guter Letzt hat das Schott jetzt zwei kleine Luken, damit man dahinter sehen kann sowie ein Ablaufloch, damit allfällig eingedrungenes Wasser nicht stehen bleibt. Und das Boot hat wieder ein stabiles Querschott welches die Verdrehungen im Seegang verhindert.
Das waren die drei grossen Arbeiten, die an Land erledigt werden mussten. Daneben haben wir noch diverse kleine Schadstellen und Risse sauber repariert, den ganzen Rumpf polieren lassen und neue Unterwasserfarbe aufgetragen und auch sonst gefühlt 1000 Kleinigkeiten von der To Do Liste abgehakt.
Am 5. Juli wurde RARE BREED wieder zu Wasser gelassen und die letzte Unsicherheit, ob die neuen Gummimanschetten unter den Motoren dicht sein würden hat sich als unbegründete Sorge erwiesen. Alles war dicht und wir glücklich wieder im Wasser zu sein.
Da wir nur drei Wochen an Land waren UND wir ausserdem dort viel mehr gemacht haben als wir ursprünglich geplant hatten, war unsere To Do Liste leider noch nicht leer. RARE BREED wurde wieder nach Le Phare Bleu in die Marina gelegt, denn von dort war es nur ein kurzer Weg zum Haus.
Unser Tagesablauf ging fast gleich weiter, als wenn RARE BREED noch an Land stehen würde. Morgens um 6 Uhr war Tagwache, dann ging ich mit den Hunden Gassi während Biggi unseren Lunch zum Mitnehmen vorbereitete. Danach einen Kafi während die Hunde gefüttert wurden. Gegen 8 Uhr waren wir beim Boot, wo wir bis ca. 14-15 Uhr gearbeitet haben. Danach war es einfach zu warm an Bord und wir sind zum Haus zurück um uns im Pool abzukühlen.
Um 16:30 Uhr waren die Hunde wieder mit der zweiten Gassirunde dran und Biggi hat derweil etwas Hausarbeit gemacht oder die Bootsteile geschliffen oder gemalt, die wir vom Boot mit in die Werkstatt hier im Haus mitgenommen hatten.
Danach gab es irgendwann einen Sundowner im Pool und anschliessend Abendessen. Spätestens gegen 21 Uhr sind wir beide im Wohnzimmer eingenickt…
So ging es nochmals vier Wochen ziemlich arbeitsintensiv weiter:
Obwohl wir jetzt eigentlich keinen Zeitdruck mehr hatten, haben wir uns trotzdem zum Ziel gesetzt bis Anfang August mit den Arbeiten fertig zu sein. Der Hauptgrund war finanzieller Natur: Die Arbeiten und unerwarteten Reparaturen hatten ein grosses Loch in unsere Haushaltskasse gerissen. Jeder Monat in der Marina hat uns ca. 900 US$ gekostet. Sobald wir mit den Arbeiten fertig waren gab es keinen Grund mehr in der Marina zu liegen, sondern wir konnten das Boot an einem billigeren, aber etwas weiter entfernten Ort verlegen. Auch dieses Ziel haben wir erreicht: Seit dem 5. August liegt RARE BREED an einer Boje, die uns gerade mal 130.- US$ im Monat kostet.
Wir waren ziemlich zufrieden als wir RARE BREED zur Boje überführt haben, denn wir dachten, dass jetzt wirklich alles gemacht sei und wir nur noch lossegeln könnten, wenn das Haussitting vorbei ist.
Auf dem Weg dorthin ist unser Kartenplotter ausgestiegen. Er ist einfach im Startup hängen geblieben und hat keinen Mucks mehr getan. Alle Versuche ihn zu «resetten» blieben erfolglos.
Das ist zwar nicht existentiell, denn wir navigieren mehrheitlich mit iPads, aber der Kartenplotter ist gleichzeitig auch die Anzeige von Radar und AIS. Beides Sachen, die wir schon gerne benutzen würden und die jetzt nicht mehr brauchbar sind.
Wie hiess der Spruch vom Anfang wieder? Alles auf deinem Boot ist kaputt, du weisst es nur noch nicht…
12.04. – 10.05.2023 Tobago, zweiter (und letzter) Teil – Grenada, Logstand seit Start 6965 sm
Der nächste Stopp war nur ein Katzensprung von der Mount Irvine Bay ums Eck in die Buccoo Bay. Diese Strecke war nicht ganz ohne, denn es ging im Zick-Zack zwischen mehreren Riffen durch, die teilweise weniger als einen Meter Wassertiefe haben. Um möglichst viele Informationen zur Verfügung zu haben, war ein Plotter mit der Kartenansicht und der andere mit dem Satellitenbild neben dem Steuerstand.
Und natürlich das Fernglas ständig zur Hand. Das Wasser ist hier manchmal vom Orinocoabfluss getrübt und dadurch sieht man die Riffe nicht so gut. Das Echolot (Tiefenanzeige) ist in solchen Situationen keine allzu grosse Hilfe, da die Riffkanten steil aus der Tiefe ansteigen und es vorne am Bug schon zu flach wäre, wenn der Sensor in der Schiffsmitte Alarm schlagen würde. In Schleichfahrt sind wir ohne Zwischenfälle am Ankerplatz angekommen. Wieder vor einem langen und meist menschenleeren Strand und wieder als einziges Segelboot weit und breit.
Buccoo ist neben dem Goat Race auch für die Sunday School und das grosse Buccoo Reef mit dem Nylon Pool und der Bon Accord Lagune bekannt. Die Sunday School ist eine weit herum bekannte Tanzveranstaltung, die jeden Sonntagabend stattfindet. Wir sind dort zwar nicht hingefahren, aber der Sound war so laut, dass es auch bei uns an Bord wie in einer Disco getönt hat. Im Gegensatz zu den meisten Dance Hall Events, wo ausschliesslich Soca und Reggae gespielt wird, kam hier auch viel andere gute Musik aus den Boxen. Irgendwann in den frühen Morgenstunden wurde es dann wieder still und die Beschaulichkeit von Buccoo hat wieder die Überhand gewonnen.
Beim Laufen am Strand hatten wir eine grosse Gruppe von Reitern gesehen, die mit den Pferden ins Wasser gegangen sind. Biggi ist zwar erst wenige Male auf einem Ross gesessen, aber die Vorstellung auf einem Pferd am Strand entlang zu reiten und dann noch ins Wasser gehen zu können hat sie sofort fasziniert. Ein verblichenes Plakat am Strand hat auf die Webseite von Veronika hingewiesen: «being-with-horses.com». Veronika, eine geborene Deutsche (aus Regenstauf bei Regensburg), ist eine ehemalige Profireiterin, die in mehreren Pferdeshows in Europa und USA aktiv war. In einem Tobagourlaub hat sie ihren Mann Lennon kennengelernt und seit 2007 haben beide Stück um Stück ein Pferdeparadies hier in Buccoo aufgebaut. Inzwischen haben sie eine Herde mit etwa 15 mehrheitlich ehemaligen Rennpferden, die sie möglichst artgerecht halten. Die Pferde laufen 16 Stunden pro Tag frei in der Herde rum und auch bei den Reitausflügen kommt die ganze Herde mit, egal wie viele Reiter im Sattel sind.
Biggi hatte Glück, denn am Tag als sie gebucht hatte, waren sie nur zu zweit und so bekamen beide die volle Aufmerksamkeit und Unterstützung von Veronica. Ich kann mit Pferden eigentlich nicht viel anfangen, bin aber als «Hoffotograf» trotzdem mit der Herde mitgelaufen. Das war auch für mich speziell, da ich wirklich mitten in der Herde lief und es überall um mich herum so grosse Tiere hatte. Ich habe nicht schlecht gestaunt wie schnell die Viecher sind, wenn sie «nur» gehen. Als die Herde am Schluss noch zum Galopp durchs Wasser ansetzte war dann aber fertig bei mir mit «mitlaufen»…
Wir lagen mit dem Boot ein rechtes Stück vom Ort Buccoo entfernt und das nächste Land war ein menschenleerer Strand mit Unmengen von toten Bäumen, die viele interessante Fotomotive boten. Der Strand war eigentlich nur gut vom Wasser aus zu erreichen und wir sind mit Kajak und SUP ein paar Mal hingepaddelt. Da es über das Riff ging, hatte es ab und zu eine brechende Welle und ich bin ein paar Mal unfreiwillig mit dem Kajak durch die Wellen gesurft. War selber verwundert, dass ich danach immer noch aufrecht im wackeligen Kajak sass.
Wir lagen jetzt fast an der Südspitze von Tobago. Das ist der einzige Teil der Insel, wo es etwas mehr Tourismusbetrieb hat. Es gibt ein paar kleinere Hotels und Resorts und einige Anbieter von Ausflügen.
DAS grosse Ding hier waren die Ausflüge mit dem Glasbodenboot zum Buccoo Reef und zum Nylon Pool. Der Nylon Pool ist eine riesige sehr flache Stelle im Riff, die bei Niedrigwasser so seicht ist, dass an manchen Stellen das Seegras rausschaut. Tagtäglich um die Mittagszeit waren immer mehrere von den Ausflugsbooten am Riff draussen. So ein Ausflug kostet ca. 70.- US$ pro Nase und dann ist man im Rudel unterwegs. Wir sind stattdessen zwei Mal alleine am Vormittag mit dem Dinghy hingefahren und hatten das ganze Gebiet für uns alleine. Superschön und ein bisschen surreal mitten im Meer im knöcheltiefen Wasser zu stehen. Und schon wieder 280.- US$ «gespart» 😉
Der einzige Nachteil von diesem Ankerplatz war wieder das Rollen. Der Wind kam von Südost und die Dünung von Nordost. Das heisst das Boot lag immer seitlich zur Dünung und hat erbärmlich gerollt. Wenn man bei einem Katamaran vor Anker die Gläser festhalten muss, damit sie nicht umkippen (und Biggi langsam eine bleiche Nase bekommt) ist es Zeit etwas zu unternehmen.
Eine Yacht kann vor Anker verhältnismässig einfach gedreht werden, indem man ein Seil in die Ankerkette einhakt und dieses hinten am Boot befestigt. Dann wird die Kette nachgelassen und gleichzeitig am Seil gezogen und schwupps liegt das Boot schräg bzw. quer zum Wind. Beim Kat ist das Prinzip dasselbe, aber weil die Ankerkette zwischen den beiden Bugspitzen rauskommt sollte man verhindern, dass die Kette an einem der Rümpfe schrammt.
Nun ja, das muss man aber erst realisieren… Gut werden wir RARE BREED im Sommer wieder an Land holen um die abgeschabte Farbe erneuern zu können.
Nach ein wenig Tüfteln haben wir es doch geschafft RARE BREED ohne weiteres Kettengeschramme quer zum Wind zu legen. So hat das Rollen zwar abgenommen, aber der teilweise frische Wind hat ungehindert seitlich ins Cockpit gepfiffen. Naja, einen Tod muss man sterben.
Als wir nach ein paar Tagen die Buccoo Bay verlassen wollten um nach Pigeon Point zu fahren, hat es nur «Klack-Bzzzzzz» gemacht als wir die Motoren starten wollten. Beide haben sich nicht starten lassen und auch die Ankerwinsch hat keinen Mucks mehr getan. Das war jetzt ein bisschen doof! Wir lagen mitten in einem Riffgebiet, aus dem wir keinesfalls unter Segel alleine heil rauskommen würden und dann noch vor einer Insel, wo es so gut wie gar nichts an technischer Unterstützung zu erwarten gibt.
Irgendwann konnte ich tatsächlich die eine Maschine und die Ankerwinsch zum Leben erwecken (Hallelujah!) und wir konnten mit nur einem Motor den gleichen Weg zwischen den Riffen rausfahren, wie wir ein paar Tage vorher reingefahren sind.
Statt zum Pigeon Point, wo es ausser einem kleinen Resort gar nichts gibt, sind wir unter den gegebenen Umständen lieber zur Store Bay gefahren, wo es wenigstens einen Bus nach Scarborough, Restaurants, ein paar Läden und Autovermietungen gibt. Wer weiss, ob wir nicht doch etwas brauchen würden?
In der Store Bay kommt die Unterwasser-Starkstromleitung von Trinidad an Land. Diese Leitung hat 33’000 V Spannung und versorgt ganz Tobago mit Strom. Wenn man diese Leitung mit dem Anker erwischt, würde das das Boot zu etwas ähnlichem wie der explodierende Böögg vom Zürcher Sechseläuten verwandeln und dazu noch alle Lichter in Tobago ausgehen lassen. Beides irgendwie keine so prickelnde Vorstellung. Im Cruising Guide steht, dass die Stelle wo das Kabel an Land kommt, mit einem grossen Schild am Strand markiert sei, aber zusätzlich solle man sich südlich der Hauptstrasse halten, die vom Strand ins Landesinnere geht. Die Strasse war zum Glück gut auszumachen, aber weit und breit kein Schild zu sehen. Auch die im Buch beschriebene nächtliche Warn-Beleuchtung war nirgends zu erspähen. Als wir später an Land gingen, haben wir das inzwischen völlig hinter Palmenblättern versteckte Schild entdeckt…
Die Situation mit den Motoren hat mir natürlich keine Ruhe gelassen und sobald wir sicher vor Anker lagen ging es im Sinne von «Jugend forscht» los. Nach mehreren Startversuchen, Tests und Messungen glaubte ich den Fehler eingegrenzt zu haben. Die naheliegende Vermutung, dass die Starterbatterien schuld – sprich leer – waren, hat (wenigstens auf den ersten Blick) nicht zugetroffen.
Unsere Motoren haben neben getrennten Dieseltanks und auch jeder eine eigene Starterbatterie. Damit beide Starterbatterien geladen werden, auch wenn nur eine Maschine läuft, sind sie gegenseitig über eine Elektronikbox miteinander verbunden. Vermutlich hat diese zwanzigjährige Elektronikbox ein Problem und «kappte» die Verbindung zwischen Anlasser und Starterbatterie. «Vermutlich», weil ich das erst herausfinden kann, wenn ich alles elektrisch trenne und durchmesse – und das sind an die 10 verschiedenen Kabel… Als autodidaktischer Möchtegern-Elektriker mag ich so etwas lieber nicht an einem Ort wie Tobago zerlegen. Wenn ich dabei etwas verbastel haben wir ein wirklich ernsthaftes Problem am Hals. Zumal genau diese Box bereits dem Elektriker auf Fehmarn vor zwei Jahren Kopfzerbrechen verursacht hat…
Wenn man ein Problem nicht nachhaltig lösen kann, muss – um weiter zu kommen – eine Übergangslösung gefunden werden. (Kleine Nebenbemerkung: Es ist irgendwie lustig zu realisieren, dass die Regeln vom Incident und Problem Management, die ich im Berufsleben oft gebaucht habe, auch hier ihre Gültigkeit haben). Unser «Work-Around» war, die Starterbatterien mittels Überbrückungskabel zu umgehen. So konnten jetzt beide Motoren und die Ankerwinsch über unsere Bordbatteriebank gestartet bzw. betrieben werden. Das müsste reichen um uns sicher in die Marina in Grenada zu bringen.
Die Strecke nach Grenada könnten wir zur Not auch ohne funktionierende Maschinen machen, schliesslich haben wir ein Segelboot. Aber die Einfahrt in die Bucht, wo wir in Grenada hinmüssen, ist auch nur über eine schmale Durchfahrt zwischen Riffen und mit querlaufendem Strom zu erreichen. Dort ohne Maschine und ohne funktionierende Ankerwinsch reinzufahren wäre nicht lustig. Auch das anschliessende Anlegen in der engen Marina wäre ohne Motoren nur mit externer Unterstützung möglich.
Nachdem das geregelt war, konnten wir uns wieder den angenehmeren Seiten vom Bootsleben widmen. Store Bay war im Endeffekt der bessere Ankerplatz als Pigeon Point. Dort war es zwar optisch extrem reizvoll, aber auch viel rolliger als in der Store Bay. Von Store Bay aus war es nur ca. 2 km nach Pigeon Point, was wir sowohl zu Fuss, wie auch mit SUP/Kajak zurücklegen konnten.
In Charlotteville ist uns nahe gelegt worden, uns nach Ankunft im südlichen Teil der Insel bei den Behörden in Scarborough zu melden. Also haben wir uns Tickets besorgt und sind mit dem Bus hingefahren. Ich war vor 27 Jahren schon mal hier und das Busticket hat damals schon nur 2 TT$ (ca. € 0.25!) gekostet. Das heisst, die Preise wurden seither kein bisschen erhöht. 25 Cent für eine Busfahrt von 45 Minuten in einem klimatisierten Bus – sowas muss man sich bei uns in der Schweiz oder Deutschland mal vorstellen…
Der Besuch und die Diskussionen bei Immigration ist haargenau in der gleichen Art wie in Charlotteville weitergegangen. Die Beamtin wollte unsere Papiere nicht akzeptieren, weil ein wichtiges Dokument fehle. Die Beamten in Charlotteville hätten natürlich etwas falsch gemacht… Als sie lakonisch meinte, dass wir deswegen jetzt halt nach Charlotteville zurückfahren sollten um das fehlende Dokument abzuholen, habe ich kurz «rot» gesehen. Anhand meiner Körpersprache hat sie hat wohl realisiert, dass sie den Bogen jetzt überspannt hatte. Schnell hat sie mir die Telefonnummer von Customs gegeben, damit ich es mit denen selber klären konnte. Das ging dann auch irgendwie. Auf dem Weg zu Customs hat Biggi es geschafft mich wieder ein wenig zu beruhigen und so sind wir wieder ganz freundlich und zurückhaltend dort reinspaziert. Dort ging es dann wesentlich netter und hilfsbereiter zu. Am Schluss hatten wir nicht nur alle benötigten Papiere, sondern auch ein paar Cashews und Mangos aus dem Garten der Zöllnerin bekommen. Das nennt man wohl ein Wechselbad der Gefühle.
Bei einem Besuch von Pigeon Point sind wir von einem Einheimischen namens Wayne angequatscht worden. Als er erfuhr woher wir kamen, hat er sofort fliessend Schwedisch mit mir gesprochen. Er sei schon 10(!) Mal in Schweden gewesen und hätte die Sprache so gelernt. Und da sein Bruder in Deutschland lebt, konnte er auch ein paar Brocken Deutsch. Irgendwie schon absurd, auf dieser kleinen Insel immer wieder in unseren Muttersprachen angesprochen zu werden. Wayne erzählte uns, dass er seit 25 Jahren Tourguide sei und uns gerne eine Tour anbieten würde. Und weil wir Schwedische Segler seien, würde er uns auch einen guten Preis machen. Inzwischen haben wir realisiert, dass es oft mehr bringt mit einem lokalen Guide unterwegs zu sein als selber ein Auto zu mieten. Weil Wayne uns so sympathisch war, haben wir auf gut Glück zugesagt, ohne zu wissen auf was oder wen wir uns da einlassen. Eine nachträgliche Recherche hat ergeben, dass wir wohl einen Glücksfall erwischt hatten, die Bewertungen von ihm und seinen Touren waren durchwegs positiv. Und seine Aussage «Ich mache euch einen besseren Preis» hat er auch eingehalten.
Zur abgemachten Zeit hat uns Wayne mit seinem Pickup am Strand abgeholt. Als erstes hat er uns einen grossen Sack mit Früchten aus seinem Garten überreicht – auch etwas was wir bis jetzt so noch nicht erlebt hatten! Kaum sind wir losgefahren hat sein Telefon geklingelt und eine Amerikanerin hat angefragt, ob er kurzfristig eine Inseltour machen würde. Nach Rücksprache mit uns hat er den beiden jungen Mädchen zugesagt. Also ging es zuerst zu ihm nach Hause, wo wir in seinen Minibus umgestiegen sind. Dabei hat er für Biggi schnell noch ein paar Kräuter aus seinem Garten gezupft.
Auf dem Weg zum Hotel der Mädchen konnten wir in einem Teich Kaimane und in der Nähe ein paar Exemplare vom Nationalvogel «Rufus-Vented Chachalaca» sehen. Das ist ein fasanenähnlicher Vogel, der wie ein heiserer Hahn tönt und daher im Volksmund einfach «Cockericoh» genannt wird. Der Vogel schmeckt offenbar sehr gut und so landet er – obwohl er als Nationalvogel natürlich geschützt ist – des Öfteren im Kochtopf. Es gibt aber so viele davon, dass sie regelrecht zur Landplage («It’s our national bird, but also a national pest!») geworden sind. Und sie fressen den Leuten buchstäblich das Korn vom Feld weg. Die Behörden drücken daher bei dem Jagdverbot beide Augen zu, aber es werden wohl nicht genug davon erlegt, damit der Bestand etwas ausgedünnt würde. Auf meine Frage an Wayne, wieso er jetzt keine Cockericohs mehr jage meinte er, dass er sich jetzt Chicken leisten könne. Tja, so etwas nennt man wohl Luxus…?
Die Tour ging rund um die ganze Insel und wir haben viel gesehen und erfahren.
Neben einer kleinen Wanderung zum «Argyle Waterfall» mitsamt einem erfrischenden Bad im natürlichen Süsswasserpool unter dem Wasserfall, haben wir auch gesehen wie Brot im traditionellen Lehmofen gebacken wurde. Dies ist keine Touristenattraktion, sondern gelebte Tradition. Im Dorf Castara wird zwei Mal die Woche der Lehmofen am Dorfplatz von zwei alten Frauen eingeheizt und für das ganze Dorf gebacken. Das gesamte Brot ist von den Einwohnern vorbestellt und Wayne konnte nur mit Mühe und Not ein wenig für uns zum Probieren ergattern. Hat richtig gut geschmeckt.
Ausserdem hat Wayne mit uns zusammen Waxapples, Mangos und weitere Bananenstauden geerntet. Die Bäume seien Allgemeingut und jeder könne nehmen was er wolle. Vor allem die Mangos lagen zu hunderten am Boden rum und wären dort verfault. Wir waren übrigens nicht die einzigen die dort gesammelt haben und sind mit einer grossen Tüte voller Mangos zum Bus zurück.
Als wir nach Charlotteville kamen und aus dem Bus stiegen, wurden wir sofort von einem der Einheimischen überschwänglich begrüsst. Das war derjenige, mit dem wir uns schon mehrmals auf Deutsch unterhalten hatten, als wir mit dem Boot dort vor Anker lagen. Er hat uns natürlich sofort wieder erkannt und wollte wissen «was wir denn hier machen».
Mittagessen gab’s bei «Sharon & Phebs». Dort hat uns Sharon ebenso wie alte Freunde begrüsst und fragte spasseshalber, ob die beiden Mädchen unsere Töchter seien. Die Mädels haben über unseren Bekanntheitsgrad gestaunt und hatten wohl das Gefühl mit irgendwelchen «Berühmtheiten» unterwegs zu sein 😃.
Wir hatten von Anfang an geplant längere Zeit auf Tobago zu bleiben. Erstens, weil wir vermutlich nicht so schnell wieder hierherkommen würden und zweitens, weil wir in Grenada in einer Marina liegen müssen, während wir auf Tobago das Leben vor Anker geniessen konnten. Wegen dem Ärger mit den Motoren bzw. der Elektrik blieben wir den Rest der Zeit in der Store Bay liegen, was uns gar nicht gestört hat. Hier lagen wir zum ersten Mal auf Tobago (halbwegs) ruhig im Wasser und ausserdem gab es hier allerhand zu tun und zu sehen.
Tagtäglich kamen die lokalen Glasbodenboote hierher um ihre Gäste von den beiden Resortanlagen für den Trip ins Buccoo Reef und zum Nylon Pool abzuholen. Auf den doppelstöckigen Holzbooten war immer voll die Party und die Musik war derart laut aufgedreht, dass wir uns ernsthaft gefragt haben, wie sie das an Bord überhaupt aushalten konnten. Mit der Zeit kannten wir die grell bemalten Boote wie «Cool Runnings», «Reef Boss» oder «Rush Hour», die im Normalfall schräg vor uns durch gefahren sind um an den Strand zu kommen. Eines Tages ist eines davon langsam an uns vorbei Richtung offenes Meer getrieben. Am Anfang dachten wir uns gar nichts dabei, bis wir sahen wie ein junger Mann wie verrückt hinterher schwamm. Da wurde uns klar, dass niemand an Bord war und sich das Boot alleine auf den Weg gemacht hatte. Es war offensichtlich, dass das Boot schneller wegtrieb, als der Typ schwimmen konnte. Also haben wir schnell das Dinghy zu Wasser gelassen und sind hinterhergedüst um ihm zu helfen. Seine Erleichterung und Dankbarkeit waren offensichtlich. Ohne unsere schnelle Hilfe wäre das Boot vielleicht auf Nimmerwiedersehen nach Venezuela getrieben.
Neben uns in der Store Bay lag ein weiterer Katamaran an einer Boje. Den hatten wir schon ein paar Mal vor Anker im Buccoo Reef gesehen. Es war offensichtlich jemand, der damit Tagesausflüge mit Gästen machte. Ein bisschen Recherche hat zu Tage gefördert, dass die «PICANTE» von einem deutschen Skipper geführt wurde. Markus’ bisheriger Lebenslauf, welcher auf seiner Webseite beschrieben ist, erschien uns spannend. Er hatte sein erstes Boot bei einem Pokerspiel gewonnen, ist irgendwann über den Atlantik gesegelt, nach ein paar Jahren auf Tobago «hängen geblieben» und hat hier sein Chartergeschäft eröffnet. Also haben wir Kontakt aufgenommen und uns auf Anhieb gut mit ihm verstanden. Es war spannend Markus Schilderungen zum Leben auf Tobago, wo er inzwischen sesshaft geworden ist zu hören. Durch Markus sind wir auf das Restaurant «The Pasta Gallery» aufmerksam geworden. Das war ganz eindeutig das kulinarische High Light in Store Bay. Erstaunlicherweise war es preislich gar nicht teurer als die meisten anderen Restaurants in der Gegend und als wir den Geschäftsführer Fabrizio kennengelernt haben, wurde die Begeisterung umso grösser. Fabrizio ist Tessiner und konnte neben Pasta (hausgemacht und sensationell lecker) zubereiten obendrein Schweizerdeutsch sprechen. Im Normalfall essen wir selten auswärts Nudelgerichte, aber die selbergemachte Pasta von Fabrizio war schon ein besonderer Gaumenschmaus, welchen wir uns in der Zeit sogar ein zweites Mal gegönnt haben.
Direkt vor unserem Boot war ein kleines Riff, wo wir ein paar Mal vom Boot aus hin geschnorchelt sind. Das war ganz nett und einmal haben wir sogar vier grosse Stachelrochen beobachten können. Leider war das Wasser oft eher trüb und wir waren im Blindflug unterwegs.
Wir hatten inzwischen von Markus erfahren, dass es weit draussen am Buccoo Reef Bojen hätte, wo man mit dem Dinghy festmachen konnte um zu Schnorcheln. Gesehen hatten wir sie aber bisher nicht (da zu weit draussen) und in der Seekarte war auch nichts dazu vermerkt. Der Spot hiesse «Coral Garden» und sei sehr schön zum Schnorcheln. Was die Glasbodenboote können, konnten wir auch und sind eines vormittags mit Trinkwasser, Hand-Funkgerät (falls wir Hilfe benötigen sollten) und dem Schnorchelzeugs bewaffnet mit dem Dinghy los, um den Coral Garden zu finden. Zum Glück hatten wir ein Handy mit der Navigationssoftware dabei, denn die Bojen waren wirklich nirgends zu sehen. So sind wir einfach quer über das Riff in die Richtung gefahren wo uns gesagt wurde, dass die Bojen seien – das war direkt aufs offene Meer hinaus. Beim Dinghyfahren bin ich da eher zurückhaltend mit «so weit raus» zu fahren.
In diesem Fall befanden wir uns aber im flachen Wasser innerhalb des Buccoo Reefs und so hätten wir zur Not sogar ankern können, wenn z.B. der Motor ausgestiegen wäre. Als wir die Bojen dann endlich ausfindig gemacht hatten und an einer festmachen konnten, war ich ziemlich erleichtert.
Das Land war augenscheinlich ganz schön weit weg hinter uns und dann wirkt so ein kleines Dinghy plötzlich ziemlich verloren. Der Aufwand hat sich aber definitiv gelohnt! Dies war der bisher schönste Schnorchelspot den wir besucht haben. Wunderschöne Korallen in allen möglichen Formen und Farben, ziemlich viele verschiedene Fische und sogar ein Schwarm Kalmare. Jetzt hätte ich gerne eine richtige Unterwasserkamera dabeigehabt!
Auf dem Rückweg haben wir einen Zusatzbogen gemacht und sind nochmals zum Nylon Pool gefahren, den wir schon besucht hatten als wir noch in der Buccoo Bay lagen. Die Wasserfarben dort sind einfach genial!
Wir konnten den Pigeon Point von der Store Bay aus gut zu Fuss erreichen, was wir auch ab und zu gemacht haben, um uns wieder mal die Beine zu vertreten. Bei einem dieser Spaziergänge ist uns eine kleine Schwarzkopfmöwe aufgefallen, die sich so komisch bewegt hat. Sie hatte ihren Kopf und Fuss unnatürlich nahe zusammen und versuchte immer vom Boden hoch zu fliegen, was ihr aber nicht gelang. Beim Näherkommen sahen wir, dass sie an einem Fischersilk hing und deshalb nicht wegkonnte. Nach dem Einfangen war klar was los war: sie hatte einen kleinen Fischerhaken im Fuss UND einen im Schnabel und beide waren mit einem Stahlvorfach miteinander verbunden. Das Lösen war ohne Werkzeug gar nicht so einfach, ist zum Glück mit ein wenig Gefummel dann doch gegangen und sie konnte von dannen fliegen. Seither haben wir auf unseren Ausflügen ein kleines Leathermann-Tool dabei. Diese Geschichte trug sich übrigens am gleichen Tag zu wie die Rettungsaktion mit dem abtreibenden Boot. Die Vorgabe «Jeden Tag eine gute Tat» hatten wir an dem Tag sicher erfüllt 😃
Wir hatten zwar einen Tagesausflug mit Wayne gemacht, aber es gab noch mehr zu sehen auf Tobago. So haben wir uns für einen Tag ein Auto gemietet. Im Landesinneren ist das grosse Naturreservat des Main Ridge Regenwaldes, welches bereits 1776 unter Schutz gestellt wurde und das wir gerne besuchen wollten. Tobago und Trinidad haben früher mal zum Südamerikanischen Kontinent gehört und weisen eine deutlich andere Flora und Fauna als die anderen Karibikinseln auf. Heute sind leider viele Tierarten schon ausgerottet, aber es gibt Bestrebungen, einige Arten wieder anzusiedeln. Der «Roy Corbin Wildlife Park» ist eine Auffang- & Zuchtstation für viele dieser Tierarten und den haben wir als erstes besucht. Michael, der Sohn von Roy, hat mit uns eine Privatführung durch den weitläufigen Park gemacht und wir haben viel über die Tiere und Pflanzen dort erfahren. Sie sind eine Nonprofitorganisation und haben ehemaliges Weideland der Familie in den letzten 30 Jahren zu einem Regenwald heranwachsen lassen. Auf diesem Land werden die Tiere so natürlich wie möglich gehalten und wo möglich nachgezogen und ausgewildert. Neben vielen Vögeln konnten wir Tiere wie Agoutis, Gürteltiere, Schlangen, Rotschwanzeichhörnchen, Opossums, Kaimane usw. sehen.
Die Führung ging schlussendlich mehr als drei Stunden und entsprechend später als geplant sind wir dann am Gilpin Trace Trailhead angekommen. Das ist ein Gebiet mit mehreren Wanderpfaden durch den Regenwald. Wir hatten wieder einmal das Glück völlig alleine dort zu sein. Das war ein ganz besonderes Erlebnis, denn so konnten wir uns voll auf die eindrückliche Geräuschkulisse im Regenwald fokussieren. Da es weit und breit keine bewohnten Gebiete oder andere Menschen gab, waren wir nur von Wassergeplätscher und den Lauten der vielen Vogelarten umgeben. Aus Zeitgründen konnten wir leider nicht ganz so weit wandern, aber das Innehalten und Lauschen der Laute des Regenwaldes war sowieso wichtiger als die zurückgelegte Wegstrecke. Andächtig und dankbar über dieses Erlebnis traten wir den Rückweg an.
Wenn man als Segler schon mal ein Auto zur Verfügung hat, muss natürlich auch eingekauft werden. Beim Anstehen an der Kasse kam unser Tourguide Wayne in den Supermarkt reinspaziert. Als er uns sah, wollte er wissen wie lange wir noch da seien, weil er uns gerne noch Früchte aus seinem Garten bringen wolle. Und am nächsten Tag ist er tatsächlich extra nochmals nach Store Bay gefahren und hat uns eine grosse Tüte mit einem Büschel Rosmarin, Mangos, Papayas, Maracujas und Limonen geschenkt. Wie nett ist denn das?
Am 9. Mai war es soweit und wir sind netterweise von Markus nach Scarborough gefahren worden um Ausklarieren zu können. Das hat dieses Mal «nur» 2,5 Stunden gedauert… Zuerst zu Immigration, wo wir nach einer Wartezeit von 30 Minuten von einem Bürogehilfen ca. 5 Formulare zum Ausfüllen bekamen. Irgendwann kam dann tatsächlich noch die zuständige Beamtin ins Büro und nach weiteren Formularen ausfüllen, bekamen wir endlich die Freigabe um quer durch den Hafen zur nächsten Behörde, dem Zoll zu gehen. Dort sassen fünf Leute rum und hatten ganz offensichtlich nichts zu tun. Auf einem Bildschirm liefen Musikvideos und es wurde ungeniert ins Handy geschaut während die Papierberge fast den ganzen Raum füllten, was aber offensichtlich keinen der Anwesenden sonderlich interessierte. Unser Anliegen wurde von einem Beamten bearbeitet, der so etwas wohl zum ersten Mal gemacht hat. Was er an Papieren ausgefüllt, x-fach kopiert und in mindestens fünf verschiedene Mappen «abgelegt» hat, war einfach nur absurd. Am Schluss bekamen wir einen ganzen Stapel von Formularen mit, die wir «bräuchten». Als wir als Letztes die Gebühren bezahlt haben, hat uns die Kassiererin statt 48.- TT$ nur 40.- zurückgegeben. Erst auf meinen Hinweis hin hat sie uns kommentarlos das fehlende Geld ausgehändigt. Tobago ist ja wirklich eine schöne Insel mit netten Leuten, aber der Administrationswahnsinn und die Arroganz gewisser Uniformträger ist echt unglaublich!
Von Tobago nach Grenada sind es 70 Seemeilen. Im Normallfall zu viel um es in einem Tag zu schaffen und so haben wir den Wecker auf Mitternacht gestellt um gut bei Tageslicht anzukommen. Die Motorengeschichte lag mir etwas auf dem Magen. Wir hatten immer noch das Problem, die Motoren nur mit Überbrückung zu den Bordbatterien starten zu können. Ich hatte das Anlassen sicherheitshalber in der Zeit in Store Bay zwei Mal getestet und da hatte es bei beiden Maschinen beim ersten Versuch geklappt. Aber der Teufel ist ein Eichhörnchen und als wir nachts loswollten, hat die linke Maschine – trotz Überbrückung und vollen Bordbatterien – nicht starten wollen! Ausser «klack-klack-klack» ist nichts passiert. Das war insofern ein Problem, weil die Ankerwinsch ohne den linken Motor auch nicht funktioniert. Mitten in der Nacht und mit dem Wissen, dass wir das Problem hier auf Tobago nicht nachhaltig würden lösen können, war schon irgendwie blöd.
Erst nach mehreren Versuchen ist der zweite Motor doch noch zum Leben erwacht. Puhh! Dieses Erlebnis hat meinen Entschluss, die Motoren während der ganzen Überfahrt mitlaufen zu lassen erst recht bestätigt. Und bis jetzt hatten unsere Motoren uns (wenn sie laufen) nie im Stich gelassen.
So kam es, dass wir im Rekordtempo von Tobago nach Grenada gedüst sind. Etwa 20 Knoten Wind von der Seite (halber Wind), einen mitlaufenden Strom und die beiden Maschinen mit 1800 Umdrehungen, haben uns regelrecht fliegen lassen. Wir standen schon um 10:30 Uhr kurz vor der Einfahrt zur Marina.
Das Anlegemanöver hat Biggi gefahren. Sie fährt meistens die Manöver und ich hantiere die Leinen, aber erstens sind wir nur selten in Marinas und zweitens, hat sie bisher nur Anleger gefahren, wo wir uns längs an einen Steg gelegt haben. Dieses Mal musste sie das Boot mit dem Heck ca. 1 m vor der Pier stillhalten, damit ich die Heckleinen belegen konnte. Danach wird das Boot mit leichtem Schub vorwärts in die Leinen gefahren und stabilisiert, bis die vorderen Leinen an den Muringleinen (Trossen im Hafenbecken) angebunden sind und das Boot somit an allen vier Ecken gehalten wird. Es lief alles wie am Schnürchen und ohne Hektik oder ein lautes Wort ab – gut gemacht mein Schatz!
Als wir fertig angebunden waren, habe ich die Marineros gefragt, ob wir hier jetzt fix an diesem Platz liegen bleiben könnten. Etwas verwundert haben sie «Ja klar, wieso frägst du?» geantwortet. Als ich ihnen sagte, dass wir die Motoren nach dem Abstellen nicht mehr anbringen würden, haben sie etwas verdutzt geschaut und mussten dann aber laut loslachen 😃
Nach einem halben Jahr segeln und ankern ohne je eine Marina besucht zu haben, war alles, aber auch wirklich alles, von einer Salzschicht überzogen, der wir in den kommenden Tagen mit viel Süsswasser zu Leibe rücken würden. Aber zuerst mussten wir nach St. Georges fahren um einzuklarieren. Unser Autovermieter Zack hat uns als treue Kunden freundlicherweise umsonst nach St. Georges und wieder zurückgebracht. Das Einklarieren hat gerade mal 15 Minuten gedauert und die Beamten haben sich köstlich über den Papierberg aus Tobago amüsiert. Sie haben lediglich zwei der Zettel gebraucht und uns grinsend den Rest zur freien Entsorgung zurückgegeben.
Fazit Tobago
Wie alle karibischen Inseln hat auch Tobago seine Schattenseiten. Die Wirtschaft ist seit Covid massiv geschrumpft und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sehr viele der Erwerbstätigen sind vom Staat angestellt, der aber derart korrupt und ineffizient ist, dass wichtige (Infrastruktur)-Projekte nicht vorankommen. Der Staat Trinidad und Tobago hat enorme Ölvorkommen, aber das kommt offenbar nur ganz wenigen zu Gute und die Mehrheit der «normalen» Leute sehen von dem ganzen Geld gar nichts. Gleichzeitig werden diverse Grossprojekte, wie zum Beispiel der neue Flughafen auf Tobago von China finanziert und umgesetzt. Wozu Tobago einen neuen und grösseren Flughafen braucht, konnte uns niemand erklären. Der jetzige sei bereits gross genug, um Interkontinentalflüge abfertigen zu können. Eine der absolut einmaligen Naturressourcen, der Asphaltsee in Trinidad, ist vom Trinidadianischen Staat für 99 Jahre an die Chinesen verpachtet worden. So bremst sich ein eigentlich reicher Staat wegen Misswirtschaft und Korruption selber aus.
Wir waren insgesamt fünf Wochen auf Tobago. Die Insel ist wirklich anders als die restlichen Karibikinseln. Natur und Tierwelt sind stark vom Südamerikanischen Kontinent geprägt. Der Tourismus ist nur sehr schwach ausgebaut und die Mehrheit der Besucher sind Trinidadianer, kurz Trini’s genannt 😃. Da ist man als Ausländer schon von vorneherein interessant und kommt schnell mit der Lokalbevölkerung in Kontakt. Wir haben auf vielen Inseln sehr positive Begegnungen mit Einheimischen gehabt, aber auf Tobago war es irgendwie authentischer und wir hatten das Gefühl, die Leute haben sich wirklich interessiert zu erfahren woher wir kommen und wie wir leben. Die Erlebnisse, als wir z.B. nach Charlotteville zurückkamen und wie alte Bekannte begrüsst wurden, war schon etwas Spezielles. Dass es keinerlei Infrastruktur für Yachten gibt und auch die Anreise eine kleine Herausforderung ist, haben wir bisher nur auf Barbuda erlebt. In der Folge sind auf Tobago nur wenige Yachties anzutreffen, was uns ganz gut gefallen hat. Die berühmten einsamen Buchten sind hier der Normalfall – einfach nur schön.