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Schlagwort: Seekrankheit

1 Euro = 1 US$

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28.01 – 26.02.2023, Barbuda – Antigua – St. Martin, Logstand seit Start 6355 sm

Nach fast zwei Wochen auf Barbuda, haben wir es doch noch geschafft unseren tief vergrabenen Anker aufzuholen. Barbuda war einfach das Karibikparadies schlechthin, und wir hatten die Abreise immer wieder verschoben. Ein paar letzte Impressionen von Barbuda:

Endlose Wanderungen entlang des Sandstrandes.
Ein an Land gespülter Seestern wird wieder in sein Element befördert
Gegrilltes Huhn in Inoch’s Strandbar…
Und ein letztes Mal Lobster Sandwich und NY Cheese Cake im Uncle Roddy’s geniessen
… danach heisst es: Bye bye, Barbuda – schön war’s!

Der Zeitplan (ja, einen solchen haben wir tatsächlich) mahnte uns, dass es langsam aber sicher Zeit war weiter zu ziehen. Wir sollten allmählich nach St. Martin, wo wir diverse Dinge zu besorgen hatten. Aber vorher wollten wir ein paar Sachen auf Antigua anschauen. Die Windvorhersage war mit moderaten Winden aus Nordost günstig und so wählten wir den gleichen Weg entlang der windzugewandten Ostküste von Antigua zurück in den Süden der Insel. Mit Nordostwinden sollte das ein einfacher Schlag werden. Tja, was soll ich sagen? Die Wettervorhersage hat natürlich nichts von der Regenfront erwähnt, welche uns kurz nach der Abfahrt traf. Innerhalb weniger Minuten hat der Wind sich fast verdreifacht und auf bis 50 Knoten aufgedreht! Das ging so schnell, dass wir gar nicht dazu kamen die Segel zu reffen (=Segelfläche verkleinern) und so konnten wir nur den Druck rauslassen indem wir die Segel flattern liessen. Nicht gut fürs Tuch aber besser als zu riskieren, dass der Mast bricht oder wir kentern. Diese Winde haben zum Glück auch nur ein paar Minuten angehalten, aber es ist trotzdem furchteinflössend, welche Kräfte da entfesselt werden. Nach diesem Schreck blieb der Wind frisch und statt dem erwarteten gemütlichen Kaffeesegelschlag wurde es ein wilder Ritt hoch am Wind mit Bootsgeschwindigkeiten um die 8 bis 9 Knoten. 

Wettervorhersage vs. Realität
Nach dem Squall kam wieder die Sonne, aber es blieb ruppig. Zu ruppig für Biggi.
Kurz vor dem Ziel konnten wir noch „Schmetterling“ segeln
Sonnenuntergang in Falmouth Harbour

Von Falmouth Harbour aus haben wir uns zuerst Nelson’s Dockyard angeschaut. Falmouth Harbour und English Harbour sind zwei sehr gut geschützte Buchten im Süden von Antigua. Sie sind seit jeher bei Seefahrern als sichere Häfen bekannt und beliebt. Auf der Landzunge zwischen den Inseln wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein Marinestützpunkt inklusive Werft gebaut – das Nelson’s Dockyard. Benannt wurde es nach Horatio Nelson, einem erfolgreichen Admiral der englischen Navy. Diese riesige Anlage ist liebevoll restauriert, eine beliebte Touristenattraktion und heute noch das maritime Zentrum von Antigua. 

Ich habe mein Lokal in Nelson’s Dockyard gefunden.
Man(n) lese und lerne!
Antigua, ein Anlaufpunkt für Superyachten.

In Nelson’s Dockyard war auch das Ziel der Atlantikruderregatta «Talisker Atlantic Challenge». Die Frauen und Männer sind von den Kanaren aus in Teams oder als Solisten in ihren Hightech-Ruderbooten hierher gerudert. Sie sind im Dezember 2022 gestartet und kamen, als wir dort waren immer noch an. Wir hatten das Glück live dabei zu sein, als einer der Solisten ins Ziel ruderte. Ihn zu erleben als er das erste Mal nach 53 Tagen auf See wieder festen Boden unter den Füssen und Menschen um sich herum hatte war sehr bewegend.  Die Leistung, die diese Sportler vollbringen ist immens – sowohl körperlich wie auch psychisch. Der Mann war (selbstverständlich) topfit und hatte schon viele sportliche Herausforderungen gemeistert, aber diese Regatta war jenseits vom bisher erlebten. Diese enorme Distanz alleine rudernd zurück zu legen war viel anstrengender und belastender, als er es sich im Vorfeld je vorgestellt hätte. Wir waren schwer beeindruckt und glücklich diesen emotionalen Moment miterleben zu dürfen. 

Zieleinlauf eines Ruderers von der „Talisker Atlantic Challenge“
Kaum an Land und schon auf der Bühne.

Shirleys Heights ist eine Anhöhe, von der man eine wunderschöne Aussicht über English Harbour und Falmouth Harbour hat. Den Hinweg haben wir zu Fuss über die geteerte Strasse zurückgelegt, was in der Hitze offenbar ziemlich ungewöhnlich ist. Wir wurden unterwegs von unzähligen Taxen und Tourbussen überholt und als wir oben am Aussichtspunkt standen, wurden wir von ein paar Touristen angesprochen «Ihr seid doch diejenigen, welche hier zu Fuss hoch gelaufen sind?» 

Aber vielleicht lag es auch nur an meinem knallgelben Outfit, dass wir aufgefallen sind?
Die Aussicht von dort oben war auf jeden Fall die Strapazen wert.

Für den Rückweg haben wir einen Naturtrail gefunden und sind dann mit regelrechten Kletterpartien «belohnt» worden. Und eine verlassene Grabstätte aus den Zeiten der britischen Marine haben wir unterwegs auch entdeckt.

Der Grabstein trägt die Inschrift: In Memory of Caroline Wieburg und ist datiert auf den 17. Mai 1808
Kleine Kletterpartie
Abends trainiert die örtliche Kindersegelgruppe um unser Boot
Und während Biggi Sonnenuntergänge sammelt…
… benutze ich den „ergonomischen“ Computerarbeitsplatz an Bord
Morgens ist das Sport- und Stretchingprogramm vor dem Morgenkaffee angesagt.

Am Tag darauf ging es mit dem Bus Nr. 17 quer über die Insel nach St. John’s, die Hauptstadt von Antigua. Gefühlt alle paar Meter sind wir an einer Kirche vorbeigefahren. Die englischen Inseln haben alle ziemlich viele Kirchen, aber die kleine Insel Antigua hat mit 12 christlichen Glaubensrichtungen und 50 Kirchen wohl am allermeisten. 

Verkehrschaos in St. Johns. Die Kathedrale konnte man leider nur von aussen besichtigen.
Wer sollte bei dem Graben schon da parken wollen? Und ob ich da Schmuck kaufen will…?

Nach einem vorzüglichen Lunch beim «Roti King», wo es fast nur einheimische Kunden gab ging es am Cruise Ship Dock vorbei, wo wir aber schnell wieder draussen waren. Ein Bootszubehörhändler ist für uns heute wesentlich interessanter als die vielen Tax-Free Läden mit Uhren, Schmuck und Designerklamotten. Aber als wir am Hemingways Café vorbei kamen «mussten» wir dann doch einen Kaffee und ein Key Lime Pie probieren. War wirklich fein, aber die beiden Tassen Kaffee und ein Stück Kuchen hat fast soviel wie zwei Mittagessen und zwei Bier beim Roti King gekostet! Tja, wer in ein Touristenlokal geht muss sich nicht wundern… 

Lunch beim Roti King.
Luxusdessert in Hemingways

Beim Besuch der lokalen Markthalle konnten wir unseren arg geschrumpften Gemüse- und Früchtevorrat wieder auffüllen. Und danach ging es wieder mit dem Jockelbus zurück nach Falmouth Harbour.

Die Markthalle von St. Johns

Die Wettervorhersage versprach (wieder einmal) für die kommenden 24 Stunden günstige östliche Winde und danach sollte er auf Nordost drehen und stärker werden. Zudem war es kurz vor Vollmond – ideale Voraussetzungen, um den etwa 100 Meilen langen Nachtschlag nach St. Martin zu machen. Also sind wir am gleichen Abend kurz vor dem Sonnenuntergang ausgelaufen. Dieses Mal hatten wir tatsächlich schönen Wind und konnten die ganze Strecke gut durchsegeln. Mit dem vollen Mond wird es nachts auch nicht ganz dunkel und so ist das nächtliche Segeln viel angenehmer. Leider kämpft Biggi mit Seekrankheit, wenn es etwas stärker schaukelt und so wurde ich mehr oder weniger zum Einhandsegler, weil ich sie die ganze Nacht im Salon habe ruhen lassen. Für eine Nacht ist das kein grosses Problem, aber für längere Strecken wird es wohl schwerer werden. (Anmerkung von Biggi: Kriegen wir schon hin, die Atlantiküberquerung haben wir schliesslich auch geschafft).

In die Dämmerung reinsegeln
Wieder mal einen Nachtschlag
Ankunft in St. Martin
Welche Colaflasche ist schuld an der Sauerei in der Bilge?

Kaum waren wir in St. Martin angekommen, hat der Wind tatsächlich auf Nordost gedreht und zugelegt. Die grosse Bucht bei Marigot ist gegen Norden leider nur sehr schlecht geschützt und es wurde schnell SEHR rollig. Hier gibt es ein riesiges Feld mit Muringbojen an denen man sich festmachen kann, dadurch wird der Platz zum Ankern aber eingeschränkt. Da es am einfachsten war, haben wir zuerst einmal an einer solchen Muringboje festgemacht. An den meisten Orten mit solchen Bojen kommen die Besitzer mit einem kleinen Boot raus und kassieren das Liegegeld. Nicht so auf den französischen Inseln (der nördliche Teil von Saint Martin ist französisch, der südliche heisst Sint Maarten und gehört zu Holland). Hier muss man irgendwo an Land zahlen. Nur weiss hier niemand so richtig wer zuständig ist bzw. gibt es nirgendwo in der Nähe ein Büro wo man bezahlen kann. Wenn sie von uns Geld wollen, dann müssen sie uns wenigstens eine faire Chance geben zu bezahlen. Extra deswegen ein Taxi nehmen und quer über die Insel zu fahren war uns dann doch zu blöd. Also taten wir wie die anderen und haben uns nicht weiter darum gekümmert. Das war wohl nicht so unüblich, denn einige Tage später haben wir Freunde getroffen, die schon seit Weihnachten an einer solchen Boje liegen und nie etwas bezahlt haben.

Der Entscheid nicht zu Ankern war aus einem anderen Grund ungünstig, wie uns relativ schnell klar wurde. Durch die geringe Wassertiefe war die Bojenkette ziemlich kurz und bei der sich aufbauenden Dünung in der Bucht hat das Boot derart hart eingeruckt, dass es einen teilweise im Boot drin von den Füssen gerissen hat. Das war echt grenzwertig und Biggi wurde entsprechend auch fast seekrank. Als unser Bojenstropp nach zwei Tagen mit einem lauten Knall brach, war es uns klar, dass wir so nicht bleiben konnten. Mit einem verlängerten Festmacher mit drei(!) Ruckdämpfern und einem stabilen Metallschäkel zwischen Boje und Festmacher wurde es etwas erträglicher. Das Boot rollte zwar immer noch wie verrückt, aber es ruckte wenigstens nicht mehr so stark ein. 

Der zerrissene Bojenstropp und die neue verlängerte Festmachmethode
Die Marigot Bay war so rollig, dass das Dinghy Bocksprünge gemacht hat und sogar ein Teller (mit dem Essen drauf!) im hohen Bogen auf den Boden geknallt und zerschellt ist! (Essensreste fanden sich selbstverständlich auch in der Bilge wieder …)

Sobald der Wind ein klein wenig nachgelassen hat, haben wir uns von der Boje losgebunden. Losgebunden tönt jetzt relativ harmlos. Aus Sicherheitsgründen haben wir immer eine Hauptleine und zwei Sicherheitsleinen an der Boje festgemacht (daher sind wir auch nicht abgetrieben, als der Stropp gebrochen ist). Um los zu kommen muss das alles in der richtigen Reihenfolge gelöst bzw. umgehängt werden. Und das bei einem in der Welle ruckelnden Boot an der Boje.

In der Realität hiess das, dass ich auf dem Bauch liegend im Dinghy mich an der Boje festhaltend und dabei mit der Zange einen fest angezogenen Schäkel lösen musste, ohne etwas davon im Meer zu versenken oder meine Finger zu quetschen. Biggi hat derweil die anderen beiden Leinen an Bord dicht gezogen, um den Hauptleine zu entlasten, damit ich überhaupt schrauben konnte. Als dieser Schäkel gelöst und die zugehörige Leine an Bord geholt war, mussten die anderen beiden Leinen eine nach der anderen von der Boje losgebunden und durch das Auge der Boje zurück zum Boot gezogen und dort wieder festgemacht werden. Dass ich dabei im bockenden Dinghy liegend oft mehr unter als über dem Wasser hantieren musste, hat es auch nicht einfacher gemacht. Und es ist natürlich klar das jede Leine sich unweigerlich um den unteren Teil vom Aussenbordmotor gewickelt hat, während ich vorn am Bug vom Dinghy hantierte… Das «Losbinden» hat mit allem Drum und Dran locker 45 Minuten gedauert. 15 Minuten später hingen wir endlich an unserem Anker etwas weiter vorne in der Bucht und näher an der bewachten Marina.

Seglertreffen in St. Martin mit den Crews von USI, LADY JEAN, SEGEL.BAR und RARE BREED

Ein weiterer Grund, dass wir umgezogen sind war ein extrem beunruhigendes Ereignis. Zwei Tage vorher wurde ein Boot wenige Bojen weiter mitten in der Nacht von drei mit Schusswaffen bewaffneten Männern überfallen. Sie schlugen das Seglerpaar mit den Waffen auf den Kopf, sodass es blutete und verlangten Geld, Computer und andere Wertsachen. Das 11-jährige Kind wurde zwar nicht verletzt, war danach aber völlig traumatisiert.  Zum Glück gab es sonst keine schweren Verletzungen. Dass Boote nachts Besuch bekommen, ist zwar ab und zu passiert, aber meistens sind die Einbrecher schnell verschwunden, wenn sie merken dass jemand an Bord ist. Dieser Überfall war eine ganz andere Liga und viel brutaler. Und das Ganze ist wenige hundert Meter von uns entfernt passiert, ohne dass wir etwas gemerkt haben. Das gibt einem schon zu denken und unsere Entscheidung, unser Boot nachts immer abzusperren wenn wir schlafen ist wohl nicht die schlechteste.

Leguane trifft man auf St. Martin sogar in der Stadt

St. Martin ist eine Zollfreiinsel und gleichzeitig – neben Antigua – eines der Zentren der luxuriösen Superyachten der Reichen und Schönen. Entsprechend bekommt man hier (fast) alles an Bootszubehör was das Skipperherz höher schlagen lässt und die Bordkasse hasst…

Unser Versuch, den grossen Kühlschrank als Gefrierschrank umzufunktionieren war nur bedingt erfolgreich gewesen. Erstens hat er nur unzureichend gekühlt und zweitens war der verbleibende Kühlraum im kleinen Kühlschrank schlichtweg nicht ausreichend für uns. Dadurch, dass man auf den ehemals englischen Inseln viele Lebensmittel entweder gar nicht, oder wenn, dann nur zu exorbitanten Preisen bekommt, legen wir uns gerne einen Vorrat an, wenn wir auf einer der französischen Inseln sind. Also wurde nach einigen Kosten-Nutzen-Analysen eine Gefrierbox gekauft. Auch wenn St. Martin zollfrei ist, kostete das von uns gekaufte Modell hier fast doppelt so viel wie in Deutschland. Willkommen in der Karibik!

Unsere neue Gefriertruhe

Der Luxus auch an abgelegenen Ankerplätzen Frischwaren geniessen zu können ist halt – ein Luxus.

Um unser ohnehin überstrapaziertes Budget nicht zu sehr zur Ruhe kommen zu lassen, haben wir uns – ausserplanmässig – auch noch ein Starlinksystem bestellt. Das Starlink (von Elon Musk’s SpaceX) ermöglicht einen nahezu unbegrenzten Internetzugang über Satelliten, auch wenn man weit weg von Land ist – und das zu Monatsraten, die viel billiger als die unseres bisherigen Iridiumsystems sind. Dieses System verbreitet sich in den letzten Monaten geradezu wie ein Lauffeuer unter den Seglern hier in der Karibik. Ein stabiles Internet an Bord ist inzwischen auch bei Seglern zur Selbstverständlichkeit geworden. Fast nicht zu glauben, aber unsere letzte funktionierende SIM-Karte aus Martinique hat, wenige Tage nach der Installation vom Starlink, plötzlich keinen Internetzugang mehr gehabt. Ob sie wohl beleidigt ist?

Das Starlink kam innerhalb von 10 Tagen an

Nur wie es halt so ist: Jede Anschaffung zieht einen Rattenschwanz an Folgeaktivitäten für den Einbau an Bord nach sich. Die Gefriertruhe muss einen sicheren Platz mit einer 12V Steckdose haben (das ging erstaunlich fix!). Das Starlink braucht einen konstanten 220V-Anschluss, hat eine Aussenantenne, die irgendwo mit guter Sicht in den Himmel montiert werden und deren Kabel quer durch das Schiff gezogen werden muss. Diese Kleinigkeit, hat dann locker zwei Tage gedauert. 

Das Antennenkabel muss quer durchs Boot gezogen werden
Testlauf mit der Antenne auf dem Vorschiff und nach dem Einbau hinten am Heckträger

Zuhause lief immer das Radio, aber die Sender in der Karibik sind schnell mal ziemlich eintönig und es ist immer nur Soca zu hören – gar nicht unser Ding. Seit wir das Starlink haben, läuft bei uns wieder vermehrt Musik – und zwar übers Webradio. So dudeln oft Swiss-Pop, Antenne Bayern oder Radio Zürichsee durchs Boot. Irgendwie kann man halt seine kulturellen Wurzeln doch nicht verbergen.

Das Starlink wird voraussichtlich tagsüber wenn wir an Bord sind durchlaufen. Dafür ständig den grossen Inverter anzuhaben ist nicht unbedingt sinnvoll, also musste ein kleiner Inverter her. Der kostet nicht viel, muss aber auch eingebaut und (inkl. Fernschalter am Navitisch) verkabelt werden – und schwupps sind zwei weitere Tage ins Land gezogen. Jetzt hängen dafür auch der Computer und Bildschirm am neuen kleinen Inverter und Biggi muss mich nicht immer Fragen, ob der Computer an ist, bevor sie ein Küchengerät einschaltet. Happy Wife, happy Life!

Einbau vom kleinen Inverter

Mit den neuen Stromfressern kommen wir Dank ausreichend dimensionierten Batterien an Bord wohl gut klar, aber als ich erfuhr, dass ein Holländer seine fast neuen (und sehr leichten!) Sonnenzellen verkaufen wollte, wurde ich trotzdem hellhörig. Zwei flexible 100 Watt Panels für je 50$ war ein sehr guter Preis und da wir das restliche benötigte Material für die Installation (Regler und Kabel) ohnehin an Bord hatten, habe ich nicht lange gefackelt. Jetzt müssen die Panels «nur noch» angebaut und angeschlossen werden… Und wieder ist ein Basteltag vorbei gewesen.

Die leichten Sonnenzellen werden mit angenähten Gurtbändern auf dem Bimini fixiert
Die Decke im Vorschiff wurde endlich wieder eingebaut
Grosseinkauf im SuperU. Ganz schönes Geschleppe ohne Auto.
Und danach muss alles versorgt und in der Stauliste nachgetragen werden

Neben den vielen Besuchen bei Bootzubehörhändlern und Bastelaktivitäten, haben wir tatsächlich auch den einen oder anderen Ausflug gemacht. Einmal eine schöne Wanderung von etwa drei Stunden um die Ostseite von St Martin. Das ging durch das Gestrüpp über einen Hügel und danach an einem langen einsamen Strand entlang zurück in die Zivilisation. Dass ich bei einer Pause mit dem rechten Fuss ausgerechnet in einem Ameisenhaufen gestanden bin, hat mich danach noch tagelang beschäftigt. Der Fuss ist regelrecht angeschwollen und hat blödsinnig gejuckt. Da reden alle davon wie gefährlich es hier in der Karibik sein kann, aber dass es bei mir zu Angriffen in Form von Kleinstlebewesen (zuerst Parasiten und jetzt «Killerameisen») kommen würde, hätte ich mir nie erträumt …

Kakteen mit Aussicht
Picknick und Strandfund
Ganz schön steil hier!

Dann mussten wir natürlich auch einen Ausflug zum Princess Juliana Airport machen. Dieser Flughafen ist dafür berühmt, dass die Piste wenige Meter nach dem Strand anfängt und die Flieger im Landeanflug gefühlt fast auf Kopfhöhe angebraust kommen. Besonders eindrücklich ist das, wenn ein ganz grosser ankommt. Daher hatten wir uns vorher schlau gemacht und wussten, dass der KLM-Flug von Amsterdam um 15:40 Uhr ankommen sollte. Also waren wir schon um 15:20 Uhr dort. Keine Sekunde zu früh, denn der Jet tauchte in dem Moment am Himmel auf als wir zum Strand kamen – er war 20 Minuten zu früh! Wir bekamen unser Erlebnis und konnten nach wenigen Minuten schon wieder gehen. Das nenne ich glückliches Timing! 

Plane Spotting für Unerschrockene

St. Martin ist wie schon erwähnt eine zweigeteilte Insel. Der nördliche Teil ist französisch und der südliche niederländisch. Dem Gerücht zufolge soll die Inselaufteilung so verlaufen sein: Ein Franzose und ein Holländer sind auf der einen Inselseite in entgegengesetzte Richtungen der Küste entlang losgelaufen. Der Franzose hatte eine Flasche Rotwein, der Holländer eine Flasche Genever als Wegzehrung dabei. Dort wo sie sich wieder trafen wurde dann die Grenze gezogen. Ob die Tatsache, dass der französische Teil grösser als der holländische ist, am übermässigen Genuss vom Genever oder auf die bessere Kondition des Franzosen zurückzuführen ist, wurde nicht überliefert. Es gibt keine markierte Grenze, geschweige denn Grenzübergänge, plötzlich ist man einfach im anderen Land.

Impressionen von Philipsburg im holländischen Teil von St. Martin
Taxfreeparadies mit schönen Strassennamen
„Groot Bai“, die Bucht von Philipsburg mit vielen grossen Kreuzfahrtschiffen
Echsen bei Fort Amsterdam

Diese Teilung ohne richtige Grenze führt zu allerlei kuriosen Begebenheiten. Segelboote können entweder in den französischen oder den holländischen Teil einklarieren, danach können sie sich ohne weitere Formalitäten frei zwischen den Ländern bewegen. Im französischen Teil kostet weder das Einklarieren noch das Ankerliegen etwas, im holländischen Teil ist beides mit Gebühren verbunden. (Dreimal dürft ihr raten, wo wir einklariert haben…). Dann gibt es eine grosse schiffbare Lagune mitten auf der Insel, die ebenfalls zweigeteilt ist. Um mit einem Segelboot dort reinzufahren muss man jeweils eine Klappbrücke passieren (wie könnte es auch anders sein, wenn Holländer im Spiel sind 😉 ). Wenn man im holländischen Teil reinfährt muss man vor der Einfahrt ein Brückengeld bezahlen, welches sowohl die Ein- wie auch die Ausfahrt beinhaltet. Im französischen Teil kann man gratis rein und rausfahren. Wenn man jetzt im französischen Teil reinfährt, kann man völlig unbehelligt ohne Brückengeld im holländischen Teil rausfahren (bezahlt wird ja nur bei der Einfahrt). Dass man im französischen Teil der Lagune gratis ankert und im holländischen Teil ein paar $ pro Tag zahlen muss, ist wohl bei dieser Logik nicht weiter verwunderlich.

Hebebrücke wie in Holland

Ein weiteres Phänomen ist die parallele Verwendung von US$ und Euro und zwar im Kurs 1:1! Wenn man etwas kauft, kann man fast überall frei wählen, ob man den Betrag mit US$ oder mit Euro bezahlen will – der Betrag bleibt nominell der Gleiche! Das gilt i.d.R. auch bei Kreditkarten, je nach gewählter Währung wird einfach ein anderes Kartenterminal verwendet. Der Unterschied ist zwar nicht riesig, aber es läppert sich doch zusammen. Dass die Geschäfte das so locker sehen wundert uns schon ein bisschen. Das nimmt bisweilen ziemlich kuriose Formen an. Ich habe Benzin für 26.80 gekauft. Logischerweise habe ich in US$ bezahlt, hatte aber nur 26$ dabei. Für die .80 habe ich dann einen Euro gegeben und 20 Eurocent zurückbekommen.

Besuch bei einer der bekannten Lolo-Restaurants in St. Martin. Strassenküche vom Feinsten!
Wir konnten auch den Karnevalsumzug in Marigot bestaunen

Nach fast drei Wochen waren wir endlich mit allem fertig und das lang herbeigesehnte Wetterfenster für die Rückfahrt in den Süden hat sich aufgetan. Der Rückweg hiess für uns nonstop von St. Martin nach Guadeloupe. Eine Strecke von knapp 150 sm, nach Südost, also bei normalen Passatwinden (für unseren kleinen Kat) hoch am Wind, wenn der Wind südlicher als Nordost kommt. Am 26. Februar wurden nur sehr schwache östliche Winde für die kommenden Tage vorhergesagt und wir entschieden uns zu gehen. Lieber mit Motorunterstützung halbwegs direkt segeln zu können, als 24-36 Stunden lang gegen frischen Ost- oder womöglich Südostwind anzukämpfen.

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Die letzten Meilen in diesem Sommer

Die letzten Meilen in diesem Sommer

04.08.-11.08.2021: Porto Santo bis Arrecife, Lanzarote

Nach gerade mal zwei Nächten durchschlafen haben wir am Morgen des 4. August wieder den Anker aufgeholt und Segel gesetzt. Ziel: Die Insel La Graciosa nördlich von Lanzarote.

Adieu Porto Santo

Dies sollte unser letzter längerer Schlag vor der Rückkehr in die Schweiz sein. 270 Seemeilen und die Wettervorhersage war ein frischer Nordost-Passat von 15 bis 20 Knoten. Mit unserem Kurs nach SSE hiess das „halber Wind“ bis leicht „raumer Wind“, was bedeutet der Wind kommt von der Seite in etwa 90-120° zum Kurs des Bootes. Diese Windrichtung ist ein Garant für schnelle Fahrt (ein Segelboot segelt in der Regel am schnellsten, wenn der Wind von der Seite bis schräg hinten kommt), aber die Vorhersage unseres Wetterroutingprogramms erschien mir dann mit 1,48 Tagen Reisedauer und 7,8 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit etwas gar optimistisch.

Selten so getäuscht!

Biggi versucht es dieses Mal mit Akupressur-Bändern gegen die Seekrankheit.

Wir hatten das Grosssegel schon in der Bucht gesetzt und kurz danach in weiser Voraussicht nur die Fock und nicht die grössere Genua – zum Glück, denn ab dann ging die Post ab! Zuerst schrieb ich den starken Wind dem Kapeffekt vom Südkap von Porto Santo zu, aber es blieb dabei, auch als wir uns schon einige Seemeilen von der Insel wegbewegt hatten. Die Geschwindigeit pendelte sich um 8 Knoten mit gelegentlichen Surfeinlagen bis fast 11 Knoten ein. Und die Bewegungen und das Klatschen der Wellen waren entsprechend kräftig. 

Das war zwar nur eine Momentaufnahme mit mehr als 10 Knoten Speed, aber wir waren schnell unterwegs – für unsere Verhältnisse SEHR schnell! Kleines Detail, oben rechts kann man die verbleibende Zeit bis zum Ziel erkennen: Nach 8 Stunden unterwegs wären es bei diesem Tempo nur noch etwa 20 Stunden zum Ziel…

Das war für Biggi’s lädierte Rippe alles andere als lustig und so hat sie einen grossen Teil von diesem Törn liegenderweise in der Koje verbringen müssen. Ich habe die Nachtwachen alleine gemacht, was aber angesichts des fast vollständig fehlenden Schiffsverkehrs kein Problem war.

Sitzend/liegend im Cockpit war es für Biggi noch halbwegs aushaltbar.

Es war schon schnell klar, dass wir bei diesem Reisetempo tatsächlich nur etwa 36 Stunden für die 270 Seemeilen brauchen würden und ich mich mit einer Abfahrt am Morgen verschätzt hatte. Wenn wir nicht langsamer würden, wäre eine Ankunft mitten in der Nacht unvermeidbar. Also haben wir bereits am Vormittag vom zweiten Tag die Segelfläche reduziert. Zuerst die Fock etwas eingerollt, dann das Grosssegel komplett weggenommen und gegen Abend waren wir nur noch mit einem kleinen Fetzen vom Vorsegel unterwegs.

Gerefft um RARE BREED soweit wie möglich auszubremsen

Der zweite Tag und vor allem die Nacht waren dementsprechend ruhiger und auch angenehmer von den Schiffsbewegungen her. Im Morgengrauen des dritten Tages standen wir kurz vor La Graciosa und ich habe mich still und heimlich an die Ankerbucht rangepirscht, während Biggi noch schlief. Nicht mal das Anstellen von den Motoren hat sie geweckt und sie ist wirklich erst an Deck aufgetaucht, als ich kurz davor war den Anker zu werfen. Sie hätte sich noch gewundert, dass RARE BREED so schön ruhig war. Die Schmerzmittel waren wohl auch richtige Schlafmittel. 

Sonnenaufgang auf See von innen aus dem Seitenfenster aufgenommen
Die Kartenansicht…
… und in Realität: Einfahrt in die Ankerbucht „Playa Francesca“ von La Graciosa

Die folgenden fünf Tage haben wir uns nicht vom Fleck bewegt und zum ersten Mal seit der Abfahrt aus Neustadt am 20. Juni so richtig Ferien gemacht. Es wurde zum ersten Mal ausgiebig gebadet, gesonnt und gefaulenzt. 

Sun, fun and nothing to do 🙂

Biggi ist hier vor Anker nach den langen See-Passagen zur Hochform aufgelaufen und hat Brötchen gebacken und unsere restlichen Frischwaren zu schmackhaften Mahlzeiten verwandelt. Ich wurde kurzerhand aus der Küche vertrieben und durfte mich von A bis Z verwöhnen lassen. Von mir aus mache ich gerne das „Full Service“-Programm wenn wir unterwegs sind, weil Biggi im Gegenzug den Bootshaushalt schmeisst wenn wir vor Anker sind. Bin ja mal gespannt, wie sie das sieht, wenn das Verhältnis zum üblichen 20% Segeln & 80% Ankern vom Langfahrtsegeln kippt 😉

Biggi’s Lebensgeister & kreative Küchenkünste sind zurück. Ob das am Kafi oder dem fehlenden Geschaukel liegt?

Das Wetter war ein bisschen speziell, da es am Vormittag fast immer bewölkt war, aber gegen Mittag hat es aufgeklart und es wurde richtig heiss. Ab dann ging es auch heiss zu und her in der Bucht: Jeden Tag kamen zwei grosse Ausflugskatamarane und manchmal auch noch das Glass Bottom Boat und hat gefühlt hunderte von spassbedürftigen Tagestouristen ausgespuckt. Es wurde gepaddelt, gesurft und gebadet was das Zeug hielt, aber vor allem wurde Lärm gemacht. Die Boote hatten alle Musik- und Lautsprecheranlagen und haben sich gegenseitig in der Beschallung zu übertrumpfen versucht. Zwischen 16 und 17 Uhr war der Spuk dann vorbei und das beschauliche Buchtleben ging weiter. 

Sonnenaufgang – die Ruhe vor dem täglichen Ansturm von Ausflugsbooten…
… der Rummel geht los…
… und abends kehrt die Ruhe wieder ein

Also so ganz ohne etwas Wursteln schaffen wir es wohl doch nicht und so haben wir an einem Tag unsere Lebensmittelvorräte inventarisiert und so gestaut, wie es uns logisch erschien. Wieder einmal haben wir festgestellt, dass wir in Neustadt VIEL zu viel eingekauft hatten und wohl nur wenig nachkaufen müssen, wenn wir im Dezember über den Atlantik segeln wollen. Zu oft hatten wir in den letzten Wochen vergeblich nach etwas gesucht „Ich WEISS dass wir das irgendwo an Bord haben!“ um entnervt aufzugeben. Mit dem neuen System bzw. den Listen sollte das hoffentlich seltener passieren. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

So langsam waren auch unsere Obst- und Gemüsevorräte aus l’Aber Wrac‘h aufgebraucht und am Mittwoch den 11. August war es dann vorbei mit der Ruhe und wir haben zum letzten Hopser zur Marina in Arrecife angesetzt. Der Nordostpassat weht hier auf den Kanaren in den Sommermonaten beständig und kaum hatten wir das Nordkap von Lanzarote gerundet, ging die Genua hoch und wir segelten die letzten 20 Seemeilen zur Marina. Dieser letzte Schlag war wirklich toll. Warmer Wind von hinten, ruhige See und eine überschaubare Distanz. Ein schöner Abschluss der ersten Etappe unserer Reise.

Kaffeesegeln zum Abschluss 🙂
RARE BREED’s neues Zuhause für die kommenden Monate
Und das wohlverdiente Anlegerbier! 🙂

Wir haben in den etwa 52 Tagen seit dem Start in Neustadt im Holstein insgesamt 2‘308 Seemeilen zurückgelegt. 1‘500 Seemeilen (was ziemlich genau einer halben Atlantiküberquerung entspricht) davon in den letzten zwei Wochen, bis auf den Halt in Porto Santo, mehr oder weniger nonstop. Damit sind wir jetzt sogar weiter südlich als wir uns ursprünglich vorgenommen hatten.

20.06-11.08.2021: Dauer, Distanz & Strecke von der 1. Etappe. Woher er das „Max Tempo“ von 26 Knoten hat, ist uns allerdings schleierhaft 😉

Wir sind dankbar dafür, dass alles so gut gelaufen ist, dass wir nie wirklich schweres Wetter oder unüberwindbare technische Probleme hatten. Und wir sind beide – immer noch – hochmotiviert dieses Leben zu führen!

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Blauwassersegeln, wenn schon, denn schon!

Blauwassersegeln, wenn schon, denn schon!

Blauwassersegeln ist, wenn man die flachen Küstengewässer hinter sich lässt und immer weiter raus aufs Meer segelt. Jenseits des Kontinentalsockels, wo das Meer Tausende von Metern tief wird und die Farbe des Wassers dieses tiefe intensive Blau bekommt. Rund ums Boot nichts als Wasser und Himmel, tagsüber Sonne und Wolken, nachts Sterne und Mondlicht. Kein Land in Sicht, keine Funkverbindung und tagelang kein anderes Schiff. Man sieht höchstens mal einen Vogel, ein Fischschwarm oder Delfine. Das Boot befindet sich gefühlt immer am gleichen Fleck Wasser. Der Autopilot steuert und die Segel stehen tagelang unverändert und schieben das Boot unermüdlich vorwärts – rund um die Uhr. Die zurückgelegte Strecke wird aber nicht wahrgenommen, sondern nur durch den wandernden Punkt auf der Karte visualisiert. Die Tage und Nächte fliessen übergangslos ineinander.

Der Tag geht langsam in die Nacht über

Nach Tagen oder Wochen taucht plötzlich wieder Land am Horizont auf. Das kleine private Universum in dem man sich befunden hat verschwindet und man kehrt wieder ins „normale“ Leben zurück. Man kommt womöglich sogar an einem anderen Kontinent oder einer Insel in einem neuen Kulturkreis an, dabei hat man doch gefühlt eben erst aus einer ganz anderen Welt abgelegt.

Impressionen von unterwegs

24.07.-03.08.2021: l’Aber Wrac’h nach Porto Santo, 1’200 sm in 8,5 Tagen

Routenplanung für die kommenden Tage

Am Samstagabend, den 24. Juli war es endlich soweit – Biggi‘s Flieger ist mit ca. 45 Min. Verspätung um kurz nach 23 Uhr in Brest gelandet. Müde, aber froh wieder hier zusammen zu sein, haben wir bei einem Leberwurstbrot die Lage besprochen. In den kommenden drei Wochen wollten wir RARE BREED an den Ort bringen, von wo wir im Herbst endgültig starten konnten. Das heisst soweit in den Süden wie möglich, damit wir nicht im November unter Umständen atlantisches Winterwetter erleben müssen. Von unseren Startpunkt – l’Aber Wrac’h in der Bretagne – hiess das, zuerst die Biskaya zu überqueren und danach noch möglichst bis Lissabon oder besser noch weiter südlich zu kommen. Die Biskaya ist bekannt für ihre starken SW-lichen Winde oder sogar Stürme. Was hier besonders ist, der Meeresgrund in der Biskaya fällt in wenigen Kilometern von Hunderten auf bis zu Dreitausend Meter Tiefe ab. Wenn ein Tiefdruckgebiet mit starken westlichen Winden über dieses Gebiet kommt, baut sich hier ein Seegang auf, der auch grösseren Schiffen zum Verhängnis werden kann. Jeder Segler, der da durch will, versucht ein möglichst optimales „Wetterfenster“ ohne herannahendem Tiefdruckgebiet oder starke westliche Winde zu erwischen. So natürlich auch ich und alle anderen Segler, mit denen ich mich in den letzten Wochen hier unterhalten hatte. Da es für die meisten die erste Biskaya-Überquerung und für viele sogar die erste Passage über offenes Meer, ohne Möglichkeit einen Schutzhafen aufzusuchen, war, waren alle etwas nervös. Zusammen hatten wir die Wetterentwicklung verfolgt und uns über den besten Zeitpunkt für den Absprung unterhalten. Die einhellige Meinung war, dass der Sonntag (also am Tag nachdem Biggi angekommen ist) DER ideale Tag sein würde.

Abfahrt aus l’Aber Wrac’h bei diesigem Wetter

So kam es, dass Biggi nach nicht mal 6 Stunden Schlaf sonntagmorgens um 6 Uhr im Ölzeug an Deck stand und beim Ablegen half. Schnell los wollten wir ja schon, aber das war jetzt schon etwas heftig. Ich hatte im Vorfeld natürlich alles vorbereitet, eingekauft und für zwei Tage vorgekocht. Aber so ohne Eingewöhnung und noch müde von der Anreise für einen mehrtägigen Törn über eines der berüchtigtsten Seegebiete von Europa loszufahren, war eigentlich entgegen allen gängigen Regeln. Erst recht, als es auch das erste Mal sein würde, dass Biggi über das offene Meer segeln würde. Dass sie das klaglos mitgemacht hat zeigt mir, dass ich keine bessere Partnerin hätte finden können! Die Abfahrt am frühen Morgen war, wie in diesem Gebiet üblich, durch die Gezeiten und den damit verbundenen starken Strömungen gegeben.

Noch müde von der Anreise

Die ersten Stunden sind wir unter Motor gegen leichten Westwind, aber mit immer stärker werdendem mitlaufendem Strom zu der Ile d’Oussant rausgefahren. Westlich von der Insel konnten wir abdrehen und auf unseren Zielkurs von ca. 230° gehen. So schön es ist mit bis zu 7 Knoten mitlaufendem Strom geschoben zu werden, so schlimm sind die dabei entstehenden Wellen und Verwirbelungen im Wasser. Während vielleicht 30 Minuten sind wir durch ein Gebiet gefahren, wo das Wasser regelrecht gekocht hat und RARE BREED wurde derart durchgeschüttelt, dass die arme Biggi auch noch richtig seekrank wurde und das Frühstücksmüesli den gleichen Weg zurück nahm,  wie es vor einer halben Stunde genommen hatte… Das war jetzt alles andere als ein optimaler Ferienstart bzw. Start vom ersten Blauwassertörn auf unsere Reise.

Kaum los und schon hat sich die Reffleine der Rollanlage eingeklemmt und muss „enttüddelt“ werden. Da ist man froh, wenn das Wasser ruhig ist!

Der erste Teil der Biskaya-Überquerung war durch durchzogenes Wetter mit viel Wolken und eher schwachem Gegenwind geprägt. Da wir uns in dieser Gegend nicht unnötig lange aufhalten wollten, haben wir bei Geschwindigkeiten unter 3 bis 4 Knoten jeweils einen der Motoren mit 1500 bis 1600 Umdrehungen mitlaufen lassen. So konnten wir mit möglichst wenig Dieselverbrauch eine Geschwindigkeit von ca. 5 Knoten halten. In den Morgenstunden des zweiten Tages haben wir den Kontinentalschelf überfahren und hatten danach etwa 3‘000 m Wasser unter uns. Jetzt war Biggi zum ersten Mal im Leben wirklich weit draussen auf dem Meer. 

„Over the Abyss“: Überfahren des Kontinentalsockels ins wirklich tiefe Wasser – hier fällt der Meeresgrund steil von wenigen hundert Metern auf bis zu 3’000 Meter Tiefe ab

Während der ganzen fast 4 Tage, die wir gebraucht haben, bis wir durch die Biskaya waren, sind wir von der Berufsschifffahrt umgeben gewesen. Die meisten haben uns mit genug Abstand gekreuzt oder überholt. Wenn es drohte eng zu werden, haben wir sie per Funk angerufen und auf uns aufmerksam gemacht. Das hat bis auf einmal tadellos geklappt und sie haben, wenn nötig, den Kurs ein wenig angepasst, um uns nicht zu nahe zu kommen. Anders als z. B. im Englischen Kanal hat ein Segelboot auf offener See sogar vor den grössten Tankern Wegerecht. Aber sich darauf zu verlassen oder dies sogar „einzufordern“ wäre töricht. Daher haben wir ständig das AIS (eine Art Transpondersystem, welches alle meldepflichtigen Schiffe im Umkreis von ca. 10 Seemeilen anzeigt) am Laufen, welches uns bei drohenden Kollisionen mit einem akustischen Alarm warnt. Mit dem AIS ist es ein leichtes, den Kurs, Geschwindigkeit und andere Angaben von allen Schiffen in der Nähe zu sehen.

Tanker am Horizont – Begleitung in die Nacht

Die meisten Grossen verhalten sich vorbildlich und nehmen auf uns Rücksicht, aber Ausnahmen gibt es immer. Natürlich nachts und natürlich während Biggi’s Wache kam ein Dampfer von hinten immer näher. Die Angaben im AIS sagten voraus, dass er uns mit 0 (=Kollision!!) bis 50 m Abstand passieren würde. Biggi hat mich dann doch geweckt, weil es ihr (zu Recht) langsam mulmig wurde. Auf meinem Funkspruch hin kam die übliche Antwort „Yes I have seen you and will keep clear of you.“ Aber er änderte seinen Kurs kein bisschen (Das kann man auch im AIS sehen, da dort sogar die Winkelgeschwindigkeit/Minute angegeben wird – wir sehen also, ob ein Schiff Ruder gibt, oder nicht) und er kam unaufhörlich immer näher. Das auf offener See geltende Recht zur Vermeidung von Kollisionen gibt vor, dass der Überholende dem Überholten ausweichen muss und dass der Überholte im Gegenzug Kurs und Geschwindigkeit beibehalten soll. Also taten wir, wie uns geheissen und harrten der Dinge die da kommen mögen (selbstverständlich bereit jederzeit korrigierend einzugreifen). Schlussendlich ist er mit weniger als 100 m Abstand (viel zu nah) an uns vorbei und wir konnten dem direkt in die Brücke reinschauen. So ein Depp!!

Darstellung auf der AIS-Anzeige

Was auf der ganzen Strecke durch die Biskaya schön war, war die häufigen Besuche von Delfinen und einmal zog sogar ein Rudel Schweinswale an uns vorbei.

Delfine am Bug

In der dritten Nacht ist eine Wolkenwand aufgezogen und hat uns während knapp fünf Stunden Wind bis 25 Knoten gebracht. Wir liefen unter Fock (dem kleineren Vorsegel) und Gross so hoch wie möglich am Wind und sind mit konstant 7 bis 8 Knoten, in Spitzen fast 10(!), regelrecht durch die Nacht gerast. Das war auch für mich eindrücklich zu erleben wie RARE BREED mit diesen Bedingungen umgegangen ist. Die überladene Lady war ja doch nicht so träge, wie ich angenommen hatte! 

Wolken mit Regenschauern ziehen auf

RARE BREED ist zwar ein Katamaran, aber anders als die meisten moderneren französischen Modelle, die vor allem auf viel Raum ausgelegt sind, ist sie weniger breit, hat weniger hohe Aufbauten und ist insgesamt stromlinienförmiger. Das heisst, sie hat Segeleigenschaften, die irgendwo zwischen denen eines Katamarans und eines Einrumpfbootes liegen. Das hat man in dieser Nacht gut gemerkt, als sie sich regelrecht zur Seite geneigt hat und so geblieben ist, während sie in einem für einen Katamaran eher spitzen Winkel zum Wind vorangeprescht ist. 

Kurz vor dem Ende der Biskaya – mit „Vollgas“ durch die Nacht

Nach 4 Tagen hatten wir die Biskaya hinter uns gelassen und sind auf direktem Kurs Richtung Madeira weitergesegelt. Der Wind hat nach einer kurzen Flaute auf der Höhe vom Kap Finisterre (Galizien) langsam auf NW zu NNW gedreht und sich so stabilisiert. Nun hatten wir den Wind von schräg hinten – die Idealbedingungen für ein angenehmes und doch zügiges Segeln.


Und wenn das Wetter mitspielt ist das Segeln doch schön 🙂

Obwohl der Wind selten mit mehr als 10 bis 15 Knoten wehte, kamen wir mit 5 bis 7 Knoten gut voran. Und die Sonne schaute immer öfters hervor und es wurde spürbar wärmer. Das Ölzeug kam immer seltener zum Einsatz und wurde durch den Sonnenhut ersetzt. 

Die Kopfbedeckung der Wahl für den modebewussten Blauwassersegler von heute 😉

Um die Müdigkeit in Grenzen zu halten, haben von Anfang an einen festen Wachrhythmus gefahren. Der fing abends um 20 Uhr mit meiner Wache an. Um 23 Uhr hat Biggi übernommen, um 02 Uhr wieder ich und von 05 bis 08 Uhr war Biggi wieder dran. Tagsüber hatten wir keinen festen Wachplan, sondern uns abgesprochen wer „den Ausguck hat“ und der andere konnte sich dann ausruhen. 

Tagsüber wurde der fehlende Schlaf nachgeholt

Anfänglich waren wir beide tagsüber noch sehr müde (der Nachtschlaf war bei dem ewigen Geschaukel und Lärmpegel halt auch nicht immer erholsam) und wir haben uns nur kurz bei den Übergaben gesehen. Nach ein paar Tagen ging es dann aber besser und wir haben viel Zeit zusammen im Cockpit verbracht. 

Biggi’s Seebeine wollten leider nicht so recht wachsen und so war es ihr immer wieder etwas flau zu Mute (Anmerkung von Biggi: das ist völlig untertrieben – mir war sehr elend 😉 Sie hat brav alle ihre Wachen gemacht, aber ausser um zu schlafen, konnte sie im Schiff drin nicht richtig etwas machen. Darum war ich für die Verpflegung und sonstige Tätigkeiten (Motorenkontrolle, Logbuch schreiben usw.) zuständig. Ich denke, dass dies teilweise auch mit der überstürzten Abfahrt und fehlender Eingewöhnung an Bord zu tun hat. 

Am Donnerstag, den 5. Tag zur See, hatten wir mit 545 Seemeilen die halbe Strecke nach Madeira hinter uns. Ab jetzt ging es nur noch „bergab“ und die Wettervorhersagen, die wir zwei Mal täglich über Satellit reinholten, sagten weiterhin schwache bis mässige nördliche Winde für die ganze Strecke voraus.

Ab jetzt gab es nur noch Wind von hinten

So rechneten wir mit insgesamt 10 Tagen auf See, aber der zweite Teil, war definitiv viel angenehmer und entspannter als die Biskaya-Überquerung. Nicht zuletzt, weil wir inzwischen so weit draussen waren, dass wir sogar weit ausserhalb der Schifffahrtsrouten zwischen Gibraltar und dem Englischen Kanal unterwegs waren. Von hunderten von Schiffsbegegnungen pro 24 h in der Biskaya ging es auf 2 bis 4 pro 24 h zurück. Hier draussen gab es auch keine Fischerboote, kein Wunder, denn ausserhalb des Kontinentalschelfes gab es wohl auch keine Fische. Bei unseren Angelversuchen hat nämlich leider nur eine Möwe(!) angebissen. Das arme Vieh ist mit dem Schnabel im Haken hängen geblieben und hat ganz aufgeregt hinter uns herumgeflattert, manchmal im Wasser und manchmal in der Luft. Dies ist mir bisher erst einmal im Leben passiert und es erstaunt mich, dass ein Vogel mit seinen guten Augen einen roten Gummiköder als Fisch einschätzt. Zum Glück war der Haken nur im Schnabel „eingehängt“ und hat keine Verletzungen verursacht und ich konnte die Möwe (mit Handschuhen, denn so ein Möwenschnabel ist nicht ohne…) packen und vom Haken befreien. Wusstet ihr, dass Möwen neben einem wehrhaften Schnabel auch ganz scharfe Klauen an den Füssen haben? Jetzt weiss ich auch das (Segeln bildet ;-)) und habe eine kleine Schramme am Unterarm als Erinnerung. Die Möwe ist auf jeden Fall sofort wieder davongeflogen und hat hoffentlich auch etwas für’s Leben gelernt… Biggi hat gemeint, dass wir zukünftig eher vom „Fischen“ als vom „Angeln“ reden sollten. Ob das hilft …? Wie auch immer, die Eiweissversorgung mit Fischen abzudecken ist wohl keine so erfolgversprechende Option. 

Durch die Einsamkeit hier draussen und das mitlaufende AIS wurde unser Ausguck natürlich wesentlich vereinfacht und der jeweils Wachhabende konnte sich den Wecker auf 15 bis 20 Minuten stellen und auch hinlegen und ein wenig dösen. So waren wir insgesamt auch weniger müde und konnten mehr von der vielen Freizeit zusammen geniessen.

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Je weiter südlich wir kamen, desto wärmer wurde es und unser Ölzeug hing zwar noch griffbereit am Haken, aber wurde nicht mal mehr nachts benötigt. Morgens und abends haben wir noch einen Pulli und eine lange Hose angezogen, tagsüber war es so warm, dass wir nur etwas anzogen, um uns vor der Sonne zu schützen.

Die Sonne brennt vom Himmel

Wir waren definitiv auf der Barfussroute angekommen! Ein weiteres Indiz dafür war der vertrocknete Kalmar, den ich später an dem Tag auf dem Vordeck gefunden habe. Der arme Kerl wurde wohl gejagt und hat sein Heil mit einer Flucht durch die Luft gesucht und ist dabei bei uns an Deck gelandet. Eine klassische lose-lose-Situation: für den Jäger, für den Gejagten und für uns, die wir jetzt einen Tintenfleck an Deck haben.

Auf dem Breitengrad von Afrika angelangt

Am Schweizer Nationalfeiertag gab es zwar keine Cervelats, aber sonst war das eines der Highlights auf der Strecke bis Porto Santo. Wir wussten, dass es der letzte ganze Tag auf See sein würde und haben ihn so richtig genossen. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel, kein Schiff weit und breit. Als erstes haben wir wieder Mal die Angelrute rausgehängt. Dieses Mal mit „Willy the Wobbler“, ein richtig lecker aussehender blausilbrig schimmernder Köder in Fischform. Wenn die bisher benutzten Tintenfischköder nicht genehm waren, dann vielleicht dieser?

Köderwechsel – jetzt aber!

Als der Wind immer mehr abnahm und immer mehr von hinten kam, war der Moment für den Spinnaker gekommen. Das war eine Premiere für uns und so haben wir uns vorher genau überlegt, wer wann was machen muss, damit sich das Riesentuch weder verheddert, noch ins Wasser fällt. Nach etwa einer Stunde schweisstreibendem Rumwerkelns inkl. einem Fehlversuch (Segel wickelte sich um die aufgerollte Genua und musste wieder runter) hat es dann geklappt und unser grosses schwarzrotes Leichtwindsegel blähte sich vor RARE BREED auf und fing an uns übers Meer zu ziehen. Was für eine Freude; fast kein Wind (5 bis 8 Knoten) und dieses Tuch schob uns mit ca. 5 Knoten über’s flache Meer.

Den eigenen Spi vernünftig auf ein Bild zu bekommen ist nahezu unmöglich

Einige Zeit später (ich war unten und habe in der Küche die Reste von unserem „z’Vieri“ weggeräumt) schlug die inzwischen schon fast wieder vergessene Angel an! Biggi, oben im Cockpit ist vor Aufregung im Viereck gesprungen und hat lauthals „FIIIIIISCH, FIIIIIISCH!!“ gebrüllt. Und tatsächlich, die Rute war gespannt wie ein Flitzebogen und es hat sich immer mehr Silk abgespult. Mit dem Spinnaker und das Grosssegel oben gab es keine Möglichkeit das Boot zu stoppen und so musste ich den Fisch in Fahrt reinholen. Fitnesstraining für faule Segler und zum zweiten Mal an diesem Tag verschwitzt! Es war nicht nur der erste Fisch der Reise, sondern es war sogar der schmackhafteste, den man bekommen kann – eine Golddorade (Mahi-Mahi oder auch Dolphin genannt)! Ich denke „Willy the Wobbler“ hat’s gebracht 🙂

Was ist da denn dran?
Fischerglück
Eine Golddorade, Mahi-Mahi oder Dolphin. Dieser Fisch hat viele Namen.

Nach dem Filetieren und wieder Saubermachen des verschmierten Achterdecks, gab es einen „Poisson Cru“ nach polynesischer Art. Frischer als so geht nicht und da der Fisch in diesem Gericht nur durch Lime (bzw. Zitronensaft) und Kokosmilch „gegart“ wird, ist es nur mit wirklich frischem Fisch zuzubereiten.

Biggi am Filetieren

Abends gab es dann in Butter gebratenen Fisch – sagenhaft! Die Reste (immerhin 2/3 des Fleisches) wanderten dann in den Kühlschrank bzw. ins Gefrierfach.

Poisson Cru a la Tahitienne

Den Spi liessen wir bis abends um 21 Uhr stehen und holten ihn vor Einbruch der Nacht ein. Vom Wind her hätte er stehen bleiben können, aber ihn zum ersten Mal im Dunkeln einzuholen war uns zu heikel. Nach 5 Tagen nonstop segeln musste mal wieder einer der Motoren etwas nachhelfen. Bei dem schwachen Wind haben wir mit den normalen Segeln alleine zu wenig Fahrt gemacht um noch vor Einbruch der Dunkelheit am nächsten Tag anzukommen. 

Die letzet Nacht auf See bricht an

Nach 8 ½ Tagen kam um 10:15 Uhr am 2. August tatsächlich Land in Sicht, also für Biggi – ich sah es mit meinen „Adleraugen“ natürlich erst etwas später… Was sind wir doch für tolle Navigatoren, so ein kleines Stück Land mitten im Atlantik zu finden! Spass beiseite, auch wenn es heutzutage mit GPS, Dieselmotoren usw. keine Kunst mehr ist, eine Insel irgendwo im Meer zu finden (und auch hinzukommen), ist es trotzdem ein spezieller Moment, wenn das erste Land seit vielen Tagen am Horizont auftaucht. Plötzlich gibt es etwas auf dem man seine Augen ruhen lassen kann und nicht nur Wasser soweit das Auge reicht. Und – heutzutage nicht mehr weg zu denken – bald einmal wieder ein Mobilfunksignal 😉

Land in SIcht! Porto Santo voraus.
1’200 Seemeilen nonstop

Weil wir Wasser und Diesel auffüllen wollten sind wir in den Hafen von Porto Santo gefahren. Das war in mehrfacher Hinsicht keine gute Idee! Leider gibt es dort – entgegen den Angaben im Cruising Guide keine Gastliegeplätze. Beim Anlegen an einem temporär freien Platz hat Biggi sich, beim an Land springen so unglücklich verdreht, dass sie ihre eigene Rippe gequetscht oder geprellt hat. Der Schmerz war so schlimm, dass ihr fast die Puste wegblieb. An Land dürften wir sowieso erst, nachdem wir uns elektronisch angemeldet und unsere Impfzertifikate an das örtliche Krankenhaus gesendet und von dort für gut befunden worden sind. Da wir aber nur vorhatten 1 bis 2 Nächte zu bleiben, haben wir darauf verzichtet. Nur schnell den Wassertank füllen wäre ja noch toll, Fehlanzeige, der Liegeplatzbesitzer hat uns weggescheucht als wir erst etwa 100 l drin hatten. Und um Diesel zu bekommen hätte man sich vorher bei drei(!) Behörden anmelden müssen. Und ohne die Freigabe durch das Krankenhaus lief sowieso nichts. Willkommen im Bürokratieparadies Porto Santo… Also nichts wie wieder weg und neben dem Hafen vor Anker gehen. Hauptsache wir konnten mal eine Nacht durchschlafen. Der Abend war entsprechend etwas trist, statt sich über unseren ersten Blauwasserschlag zu freuen, hat Biggi trotz Schmerzmittel sehr starke Schmerzen gehabt und ist vor Erschöpfung auf dem Sofa eingeschlafen, während ich mich nach einer geeigneten Marina auf den Kanaren schlau gemacht habe. Wir wollen nämlich RARE BREED für ca. drei Monate dort in eine Marina legen, während wir beide in der Schweiz sind, um dort alles aufzulösen.

Abendstimmung vor Anker in Porto Santo
…und der Blick aus der Koje am nächsten Morgen

Am Tag darauf ging es Biggi – Schmerzmittel und Durchhaltewille sei Dank – etwas besser und wir haben mit den dringendsten Arbeiten angefangen, um später den etwa 2 bis 3 Tage langen Schlag zu den Kanaren machen zu können. Der Wassermacher wurde etwas früher als vorgesehen in Betrieb genommen und ist ein voller Erfolg: 140 (oder sogar mehr) Liter bestes Trinkwasser pro Stunde!

Wasser marsch!

Nach nicht mal 2 Stunden Laufzeit war der Tank und alle Trinkwasserflaschen voll und Biggi hat die günstige Gelegenheit genutzt und ihre Haare direkt unter dem Schlauch des Wassermachers gewaschen.

Haarewaschen vor Anker

Parallel dazu haben wir die Angebote der Marinas verglichen; die Preise für 3 Monate für einen Liegeplatz differieren um bis zu € 1‘000.-. Glücklicherweise war unser Favorit eine der günstigeren und so haben wir die Reservation für Arrecife auf Lanzarote gemacht. Danach konnte Biggi ihren Heimflug von dort buchen. Und das alles von Bord aus ohne einen Fuss an Land zu setzen. Der Segen der modernen Kommunikationsmittel hat auch das Segeln massiv vereinfacht.

Dann wurden noch diverse kleine Wartungsarbeiten erledigt und Essen für den nächsten Schlag vorgekocht. Der Tag ging schnell um und wenn alles klappt, wollten wir tags darauf die ca. 270 sm nach La Graciosa in den Kanaren in Angriff nehmen.

Für die, die sich vielleicht fragen, wann wir endlich zur Ruhe kommen und mal einen Tag lang gar nichts machen: Der Grund, dass wir den ersten Teil der Reise so zügig durchziehen ist, weil wir rechtzeitig genug weit südlich sein wollen um Ende November einen guten Ausgangspunkt zu haben. Weil wir vorhaben, die Atlantiküberquerung in die Karibik diesen Winter zu machen, boten sich die Kanaren an. Um in Biggi’s 3 Wochen Ferien von L’Aber Wrac’h bis dorthin zu kommen, wollten wir lieber am Anfang Gas geben, damit wir noch ein paar Tage Ferien auf den Kanaren machen können, bevor sie Mitte August zu ihrem letzten Arbeitseinsatz in die Schweiz zurückfliegt.

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