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Schlagwort: Einwassern

Zurück zum Boot

Zurück zum Boot

23.09. – 22.10.2022, Grenada, Logstand seit Start 5779 sm 

Die letzte Zeit vom Heimaturlaub war das Wetter langsam etwas kühler geworden und so hatten wir uns schon dort auf die Wärme in Grenada gefreut. Dass es aber noch derart warm sein würde, immerhin geht es hier auch langsam auf den Herbst zu, hatten wir nicht erwartet. Mit der sehr hohen Luftfeuchtigkeit wurden aus den 30 schnell mal gefühlte 40 oder mehr Grad und im Boot an Land war es noch ein wenig heisser. Auch unser airbnb ohne Klimaanlage war nachmittags wie ein Backofen. 

Schön warm und kuschelig

Die meisten Arbeiten an Bord hatten wir vor der Heimreise schon erledigt. Die Arbeiten an der alten Scheuerleiste waren zwar nicht – wie von der Werft versprochen – fertig, wurden jedoch innerhalb der ersten 1,5 Wochen nach unserer Rückkehr noch abgeschlossen. Statt einer Gummiwurst in einem leckenden Profil haben wir jetzt eine mit mehreren Lagen GFK Matten und Polyester laminierte Verbindung. Diese wurde am Schluss mit Gelcoat überzogen und poliert. Uns gefällt es besser als die alte Scheuerleiste und sie ist vor allem zu 100% wasserdicht!

Scheuerleiste: vorher (oben) vs nachher (unten)

Wir haben zur gleichen Zeit mit dem Grundieren und Anmalen des Unterwasserschiffs mit Antibewuchsfarbe (Antifouling) begonnen. Wir hatten das Glück fünf aufeinanderfolgende Tage ohne Regen zu haben. Mehr als ungewöhnlich, da hier noch Regenzeit ist. Das war zum Malen natürlich ideal, obschon wir in den Ganzkörperplastikanzügen, Mundschutz und Schutzbrillen wegen der Hitze manchmal fast kollabiert wären. Eine Schicht Grundierung und drei Schichten Antifouling kamen drauf, zudem haben wir die Wasserlinie (also die Linie, wo das Antifouling anfängt) ca. 7 cm höher gelegt, um den hässlichen grünen Schleim an der Bordwand nicht mehr zu bekommen. Mal sehen was es bringt.

Grundierung, Arbeitsplatz unter dem Boot
Antifouling
Drei Schichten Antifouling sind drauf
Abdeckband weg…
… und FERTIG ist das Unterwasserschiff!
Die beiden Saildrives und Propeller werden auch neu beschichtet
Sogar der Aussenborder bekommt seine Farbe ab . Dies ist aber eher unter „Aus neu macht alt“ einzuordnen
Spleissarbeit: Neue Ruckdämpfer für die Ankerkette

Nach den Malerstrapazen haben wir uns am Samstag eine Abwechslung in Form eines Hashs gegönnt. Wie jeden Samstag war ein Hash-Trail vorbereitet. Dieses Mal in der Nähe der Annandale Falls. Die Wegbeschreibungen und die spärliche Beschilderung ist eindeutig für Ortskundige gedacht. Wir sind wieder einmal kreuz und quer durch die Gegend gefahren bis wir endlich das Start- und Zielgelände gefunden haben. Der Hash selber war dieses Mal echt herausfordernd. Dabei waren die Bachdurchquerungen noch harmlos. Der fast überall schlammige Untergrund hat dem Sohlenprofil meiner anfangs noch schön rot leuchtenden Schuhe sofort zugesetzt. In der Folge bin ich mehrmals ausgerutscht und habe einmal sogar eine veritable Schlammrutschpartie zum Besten gegeben. Ich sah danach wie das sprichwörtliche Erdferkel aus!

Die Schlammschlacht

Wie immer wurden auch dieses Mal die Erst-Hasher im Aufnahmeritual mit Bier geduscht. Am Schlimmsten traf es aber das junge Mädchen, welches unvorsichtigerweise zugab Geburtstag zu haben. Sie musste sich auf den Boden setzen und bekam ein steifes Rohr über den Arm gesteckt. So musste sie sich eine Flasche Bier mit dem geraden Arm in den Mund leeren. Dass sie dabei von zahlreichen «Helfern» mit Bier übergossen wurde hat es sicher nicht angenehmer gemacht. 

Hardcore Biertaufe

Am Sonntag haben wir uns mit Mike und Carol getroffen. Das sind die Besitzer des Hauses, welches unsere Freunde Gottfried und Sandra von der MOANA diesen Sommer gehütet haben. Carol und Mike gehen jeden Sommer für einige Monate zurück nach UK und brauchen in dieser Zeit jemanden, der ihre beiden Hunde Coco und Macey hütet. Das heisst, sie stellen dafür ihr Haus und Auto zur Verfügung und als Gegenleistung muss man für die Hunde schauen. Das bedeutet morgens und abends Gassi gehen und die Hunde füttern. Das Haus, also wohl eher Anwesen, ist riesig. Es hat neben dem enormen Wohn-/Esszimmer einen Garten mit Infinitypool sowie mehrere Schlafzimmer und Bäder. Zwei Mal die Woche kommt Beverly und macht den Haushalt. Simon kommt auch 1-2 Mal und kümmert sich um den Garten. Ausser für die Hunde sorgen und Einkaufen muss man also nichts machen. Die Lage oben auf der Landzunge ist erstens immer angenehm kühl und zweitens hat man einen fantastischen Ausblick über das Meer. Als Gottfried und Sandra auszogen, haben sie Carol & Mike uns als Haus & Dog Sitter für nächsten Sommer empfohlen. Also haben wir uns getroffen um zu sehen, ob die Chemie stimmt. Die Hunde kannten wir schon von diesem Sommer und nach einem kurzen Gespräch war klar, dass Carol und Mike uns gerne als Hüter haben wollten. Am Schluss haben sie uns fast schon etwas verlegen gefragt, ob wir allenfalls Zeit hätten jetzt schon für eine Woche zu kommen, da sie kurzfristig nach USA gehen würden? Da mussten wir nicht lange überlegen, denn das hat so gut gepasst, dass es fast nicht zu glauben war: Wir hatten unser airbnb von unserer Ankunft bis zum Sonntag den 2. Oktober bezahlt, und das war genau der Tag als Carol und Mike abfliegen würden. Am Montag den 10. Oktober, an dem Carol zurückkommen würde war unser Einwasserungstermin für RARE BREED und wir konnten wieder aufs Schiff umziehen. So haben wir uns eine Woche Unterkunftskosten gespart, konnten ein bisschen mit den Hunden «üben» und kamen in den Genuss des fantastischen Hauses und des Pools. Was will man denn mehr?

Coco und Macey

Die Woche oben im Haus war ein Erlebnis! Das enorme Platzangebot, die Aussicht und der Pool waren natürlich extrem cool. 

Das Haus
Der Pool am Abend…
… und am Tag

Aber auch das Leben mit den Hunden war etwas Neues für uns. Die beiden sind zwar primär Wachhunde, was bei dem etwas abgelegenen Haus sicher eine gute Idee ist, aber sie sind auch sehr gut erzogen, bzw. haben einen sehr guten Charakter. Coco als belgischer Schäfer ist der Alfahund und gibt den Ton an, Macey ist einfach nur drollig und völlig verschmust. Beide haben uns ja schon gekannt und so gab es keinerlei Probleme und sie haben uns als «Herrchen» beide akzeptiert. Die Gassirunde führt ums Kap herum auf die windzugewandte Seite der Halbinsel. Die Aussicht ist schlichtweg spektakulär. Es geht über einen Naturpfad über Wiesen, an Steilwänden am Meer entlang, sogar an ein Blow-Hole vorbei und weiter durch dichtes Gestrüpp bis man wieder auf den befestigten Weg zurückkommt. Anfänglich kannten wir den Weg noch nicht, aber Coco hat uns zielsicher geführt. Als wir uns etwas sicherer gefühlt haben, haben wir die Hunde von der Leine gelassen, aber sie haben immer wieder nach uns geschaut und auf uns gewartet. Sobald wir durch bewohntes Gebiet gelaufen sind, haben wir sie immer angeleint, denn es wimmelt dort von Hunden. Fort Jeudy ist eindeutig ein Upper Class Viertel und fast jedes Haus bzw. Anwesen hat ein oder häufig mehrere freilaufende Wachhunde auf dem Grundstück. Im besten Fall waren sie hinter Zäunen oder Mauern von der Strasse abgeschirmt, aber an einigen Häusern konnten die Hunde raus und dann wäre es nicht mehr lustig gewesen, wenn sie aufeinander los gegangen wären. In den meisten Fällen hat es gereicht, dass ich meinen Stock gehoben habe, aber als am letzten Tag ein grosser Rottweiler plötzlich AUF die Mauer hochsprang und sozusagen auf Augenhöhe vor uns stand, wurde es uns echt mulmig zu Mute. Zum Glück blieb er oben und wir trotteten von dannen.

Impressionen von der Gassirunde
Das Blow Hole

Am Montag den 10. Oktober war es endlich soweit – RARE BREED durfte nach dreieinhalb Monaten an Land wieder in ihr Element zurück. Wir hatten natürlich die Zeit an Land auch dazu genutzt, diverse Sachen im Unterwasserbereich anzupassen, die man nur machen kann, wenn das Boot nicht im Wasser ist. Entsprechend viele potentielle Leckstellen mussten sofort kontrolliert werden, als sie im Wasser war. Erst als ich alles überprüft hatte (alles war dicht!) und das OK gab und beide Motoren liefen, wurden die Gurte entfernt und wir konnten aus der Box fahren.

Der Moment der Wahrheit – Ist alles dicht?

Wir blieben noch zwei Tage an der Pier bei der Werft liegen um das Rigg zu spannen, die Segel anzuschlagen und das Boot nach der langen Pause wieder seeklar zu machen. Als wir dort lagen kam ein älteres Paar zum Boot und hat mich angesprochen (Biggi war beim Einkaufen). Er hätte die grössere Schwester von unserem Modell. Unser Bootstyp ist ziemlich selten, da nur eine Handvoll gebaut worden sind und so haben die Besitzer natürlich das Interesse sich untereinander auszutauschen. Wir hatten das grössere Boot natürlich schon lange auf dem Werftgelände gesehen, aber da nie jemand an Bord war kannten wir die Besitzer noch nicht. Nun standen sie neben unserem Boot und haben sich vorgestellt. Er hätte das Boot erst vor Kurzem gekauft und hat mich sofort mit Fragen gelöchert. Da ich gerade die Rigger an Bord hatte, haben wir uns für später am Nachmittag zum Kafi im Werftrestaurant verabredet. 

Kaum war Biggi zurück hat sie eine Kreditkarte vor unserem Boot auf der Pier entdeckt. Da sie niemanden von den Riggern gehörte, ging ich davon aus, dass der ältere Herr von eben sie verloren haben müsse.

Als wir ins Restaurant kamen sassen sie schon da und siehe da, die Kreditkarte gehörte ihm tatsächlich. Dass seine etwas unbeholfene Art sich später als roter Faden durch unsere Bekanntschaft ziehen würde wussten wir damals noch nicht. Was sie uns jetzt erzählten hat so ziemlich alles in den Schatten gestellt was wir bisher gehört hatten. Er, Raivo, sei 82 Jahre alt und als Kind während des zweiten Weltkriegs vor den Russen aus Estland nach Schweden geflohen. Über diverse abenteuerliche Wege kam er schlussendlich nach Kanada, wo er bis jetzt gelebt hat. Die Dame heisst Paula und war mit 79 nur unwesentlich jünger als er. Sie haben sich über das Internet kennen und lieben gelernt, hätten sich vor vier (!) Wochen das erste Mal gesehen und zwei (!!!) Wochen später auf Hawaii geheiratet. Wir waren sprachlos. «In dem Alter hätte man nicht mehr soviel Zeit und müsse schnell Nägel mit Köpfen machen». Wie wenn das nicht schon genug wäre – es ging weiter: Er habe das Boot gekauft ohne es zu sehen, hat keinen einzigen Segelschein und ist bisher nur ein paar Mal bei Freunden mitgesegelt. Paula hat noch nie im Leben einen Fuss auf ein Segelboot gesetzt (sie werde schon auf dem Kreuzfahrtschiff seekrank) und hat den Kat auf dem sie zukünftig leben und segeln wollen noch nicht mal von innen gesehen, weil sie zu viel Höhenangst hat um die Leiter hoch zu steigen. Dass sie ausserdem an Klaustrophobie leidet macht es auch nicht einfacher. Als sie dann auch noch erzählt, dass sie Glasknochen hat und eben zwei neue Hüftgelenke bekommen hat, wissen wir gar nicht mehr wie wir reagieren sollen. Ich schlage dann vor, dass sie doch zu uns an Bord kommen soll um wenigstens zu sehen wie die kleinere Version von ihrem zukünftigen Boot aussieht. Der Versuch scheiterte aber daran, dass sie es, wegen der kürzlich durchgeführten Hüft-OP, nicht schafft das Bein weit genug hoch zu bekommen um von der Pier zu uns rüber zu steigen.

Derweil hat mich Raivo mit Fragen gelöchert, die eindeutig belegen, dass er wirklich sehr wenig über Boote und deren Technik weiss.

Wir waren nach diesem Erlebnis völlig verwirrt. Einerseits bewundern wir die Energie und Zuversicht mit der sie in ihrem Alter an ein solches Projekt rangehen, andererseits schaudert uns vor der Naivität und die offensichtliche Selbstüberschätzung mit der Raivo unterwegs ist. 

Wenige Tage später waren wir mit dem Mietwagen unterwegs und sind auch wieder an der Werft vorbeigekommen. Wir haben die beiden im Restaurant sitzen sehen und sind zu ihnen hin um zu erfahren wie es weiter gegangen ist. Und wieder dieses Wechselbad der Gefühle. Raivo hatte schon die Unterwasserfarbe über meine Quelle besorgt und hat alleine (!) beide Rümpfe gestrichen. Das ist eine enorme Leistung für eine Person von seinem Alter! Paula sah aber wie ein Häufchen Elend aus und als wir ihr verbundenes Bein sahen verstanden wir auch warum. Sie sei gestürzt und hätte sich das Schienbein aufgeschlagen (erst später kam heraus, dass sie nach zwei Rumpunsch versucht hat die Treppe zu ihrem Appartement hoch zu steigen…). Sie seien am Tag vorher im Krankenhaus gewesen und hätten es verbinden lassen, aber es hätte sich entzündet und sie müsse wieder hin. Also haben wir beide (Raivo ist so gross wie ich) in unseren kleinen Mietwagen gequetscht und sind zum Krankenhaus los. Nach einem Viertel der Strecke fängt es an unruhig zu werden auf dem Rücksitz. Raivo hätte sein Handy nicht dabei. Ob es wohl im Rucksack im Kofferraum sei? Kaum am Strassenrand angehalten, reisst Raivo ohne zu schauen die hintere Autotüre zur Strasse auf. Dass das Auto heute noch eine Türe hat ist nur der schnellen Reaktion des überholenden Autofahrers zu verdanken, der es gerade noch geschafft hat auszuweichen…

Kein Handy im Rucksack. Also wohl doch im Restaurant liegen gelassen? Zehn Minuten später kann Raivo sein Handy von der Bedienung im Restaurant in Empfang nehmen. Auf den letzten Drücker vor dem Termin kommen wir im Krankenhaus an und Paula kann endlich zum Arzt. Die Wunde sieht nicht so gut aus und Paula bekommt neben einen neuen Verband eine Starrkrampfspritze und diverse Medikamente. Auf dem Weg zurück wird ihr schlecht und Biggi begleitet sie ins Appartement und hilft ihr ins Bett. Raivo geht unterdessen zum Boot, um für Paula etwas Eis zu holen damit sie ihren Arm kühlen kann. Es dauert fast 45 Minuten bis er endlich zurück ist. Er hätte der Paula noch einen frischen Smoothie gemacht…

Auf dem Heimweg waren wir sehr nachdenklich. Raivo ist zwar körperlich ziemlich fit, aber geistig manchmal wie in einer eigenen Welt und hat vor allem viel zu wenig Segelerfahrung um ein Boot zu führen, geschweige denn Verantwortung für andere (Paula) zu übernehmen. Paula hingegen ist geistig voll da, aber körperlich viel zu eingeschränkt um ein solches Leben zu führen. Irgendwie hat das Ganze uns sehr traurig gemacht und wir hoffen, dass die beiden trotzdem eine Lebensform finden um ihre restliche gemeinsame Zeit geniessen zu können.

Am zweiten Abend in Le Phare Bleu wurden wir zu einem kleinen Benefizkonzert auf einem grossen Katamaran eingeladen. Jeder bringt seine eigenen Drinks mit und spendet soviel er möchte. Die Spenden gingen zu Gunsten von einem kleinen einheimischen Jungen der wenige Tage zuvor von einem Auto angefahren worden ist. Seine Eltern können das Geld für die nötige medizinische Versorgung nicht aufbringen und so haben ein paar Segler spontan diesen Event ins Leben gerufen, um ihnen finanziell ein wenig helfen zu können. Das war ein cooles Erlebnis für einen guten Zweck.

Jetzt versteht man wieso man „Segeln auf der Barfussroute“ sagt.

Während der Wartezeit in Le Phare Bleu haben wir Uwe und Luise von der LUWINA kennen gelernt. Wir haben uns schnell gut verstanden und sind zusammen zum nächsten Hash. Dieser war wesentlich einfacher als die Schlammschlacht vor zwei Wochen und zudem ganz in unserer Nähe auf dem Gelände einer historischen Rumfabrik. Am Schluss gab es wie immer eine Bar mit kühlem Bier und ohrendbetäubend laute Musik.

Hash mit Uwe und Luise von der LUWINA

Da wir noch das Mietauto hatten, haben wir kurzentschlossen entschieden den Sonntag für einen gemeinsamen Ausflug zu nutzen. Über den Annandale Waterfall zu den Monaäffchen am Grand Etang Lake, den Concorde Falls und zum Schluss liessen wir den Tag in der schönen Badebucht Morne Rouge Bay ausklingen.

Wasserfälle
Wer schaut da ins Handy?
„Get the monkey off my shoulder…“
Abendstimmung in der Morne Rouge

Biggi wird am 6. November aus familiären Gründen nach Hause fliegen. Für uns heisst das, dass wir zusammen nach Martinique hoch segeln und Biggi von dort über Paris nach München fliegt.

Je nachdem wie lange Biggi in Deutschland bleibt, werde ich vor Anker in St. Anne auf sie warten oder mir eine Crew suchen und weiter nach Norden segeln, um Biggi dort wieder an Bord zu holen.

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„Undercover“-Bootsbasteln in Zeiten von Corona

„Undercover“-Bootsbasteln in Zeiten von Corona

Über den Herbst und Winter hat sich eine gefühlt endlose To-Do-Liste aufgebaut mit Anpassungen und Neuinstallationen, die ich an Rare Breed machen wollte, bevor wir diesen Sommer lossegeln. Eigentlich völlig normal, wenn man sich auf einen längeren Törn vorbereitet – zu Zeiten von Corona herausfordernd. 

Rare Breed stand auf ihrem Trailer in der Halle auf Fehmarn und ich war in der Schweiz. Die Einreise nach Deutschland war mit einem negativen Test und anschliessender Quarantäne zwar möglich, aber auf Fehmarn gab es ein Beherbergungsverbot und alle Restaurants waren geschlossen. Ich konnte zwar hin und hätte gemäss Covid-Verordnung sogar für den Zweck eines Boots-Refits an Bord leben dürfen. Aber wenn das Boot in der Halle steht, heisst das unter anderem, dass man z. B. gar kein Wasser laufen lassen kann (das wurde einfach unter dem Boot auslaufen und die Halle „überschwemmen“). Es gibt keine Möglichkeit sich zu waschen oder Geschirr zu spülen und erst recht keine zur Toilettenbenutzung. Da ebenso die Gasflaschen aus der Halle verbannt waren, hätte ich auch nicht kochen können, mit den geschlossenen Restaurants auch keine sehr angenehme Vorstellung. Also musste ein andere Lösung gefunden werden, wollten wir nicht mit einem Boot losfahren, wo vieles nicht funktionieren würde.

Als Frührentner bin ich „Zeitmillionär“ und so hat es mich furchtbar gewurmt tatenlos zuhause rumzusitzen und zu wissen, dass es oben auf Fehmarn mehr als genug zu tun gäbe. Die Lösung war schnell gefunden mit einer Langzeitmiete von einem kleinen Campingbus. Damit hatte ich einen Ort zum Schlafen und Kochen und ausserdem genug Platz, um den ganzen Krempel, den wir im letzten halben Jahr nach Uffing haben liefern lassen, zum Schiff zu transportieren. Das Auto konnte nur ganze Monate am Stück gemietet werden. Mit der Verzögerung durch die Quarantäne wäre ein Monat zu wenig gewesen, deshalb haben wir das Auto für zwei Monate gemietet.

Ende März ging es nach einem negativen PCR-Test in Nänikon mit dem gemieteten Bus und unserem Privatauto zuerst zu Biggis Schwester nach Uffing. Dort hat es eine kleine Einliegerwohnung, in der wir unsere Quarantäne absitzen konnten. Die Zeit wurde dann auch genutzt, um das ganze gelieferte Material zu sichten und neu umzustauen, damit es alles im Bus Platz hatte. Schon da wurde uns ob all dem Zeugs Angst und Bange, wo wir das wohl alles an Bord unterbringen wollten. Biggis‘ Bezeichnung „Shoppingqueen“ für mich war wohl nicht ganz aus der Luft gegriffen…

Der Campingbus. Unser Paketberg hat doch reingepasst

Nach fünf Tagen „Isolationshaft“ durften wir einen zweiten Test machen, der zum Glück auch negativ ausfiel. Tags darauf fuhren wir mit einem randvoll gefüllten Bus los. Biggi wollte mich den grössten Teil der Reise begleiten, damit ich nicht alles alleine fahren musste und ist nachmittags in Lübeck in den Zug zurück nach Uffing gestiegen, wo sie erst weit nach Mitternacht ankam. Blöderweise hat der Bezirk Uffing ausgerechnet an diesem Tag wieder die Ausgangssperre ab 21:00 Uhr eingeführt. Unser Auto stand am Bahnhof im Nachbarort, der aber KEINE Ausgangssperre hatte. D.h. Biggi musste des nächtens quasi in ein gesperrtes Gebiet reinfahren und hoffen, dass sie nicht das Pech hatte kontrolliert zu werden. Dass sie sich dann beim Aussteigen aus dem Zug genau gegenüber der Polizeisstation wiederfand, hat ihre Nervosität nicht gerade verkleinert. Aus gut informierten Quellen wussten wir, dass die Polizei den Schleichweg über die Felder selten kontrolliert und so war es dann auch. Ende gut alles gut. 

Ich war derweil schon lange auf Fehmarn angekommen und hatte meinen Campingbus neben der Halle geparkt. Da wegen dem Beherbergungsverbot natürlich auch alle Camping- und Stellplätze auf Fehmarn gesperrt waren, musste ich auf Privatgrund stehen. Das Werftgelände war Privatgrund und zudem noch eher abgelegen und unauffällig. Interessanterweise war ich aber mitnichten der Einzige, der auf diese Idee gekommen war und an jeder zweiten Ecke vom recht grossen Werftgelände stand ein Wohnmobil oder Camper rum. Die nächste Herausforderung war das Duschen. Ich hatte zwar ein „Bad“ mit eine Dusche im Bus, aber das war so klein, dass ich vermutlich stecken geblieben wäre, wenn ich versucht hätte dort drin zu duschen. Obwohl gemäss Coronaverordnung nur die WCs offen waren, waren die Duschen (fast) überall zugesperrt. Ich hatte aber das Glück, dass es in der etwa 5 km entfernten Marina einen vernünftigen Hafenmeister hatte, der „vergessen“ hatte die Duschen zu sperren. Ich hatte also einen Ort zum Schlafen, konnte selber kochen und sogar alle paar Tage zur Marina fahren und duschen – der Plan war aufgegangen! 

Mein Stellplatz – ein lauschiger Campingplatz sieht anders aus…

Das Wetter im April war derart kalt und windig, dass ich auch in der Halle eine Heizung im Boot laufen lassen musste, um nicht im Boot zu frieren. Aber auch wenn ich meistens in doppelten Pullis und manchmal sogar mit Mütze und Handschuhen an Bord rumwerkelte, war ich froh, nach so vielen Monaten des Lockdowns und Einschränkungen, endlich an Bord voran machen zu können.

Die To-Do-Liste war wie gesagt sehr lang, aber sie schrumpfte in den kommenden fast sieben Wochen tatsächlich wie geplant zusammen. Boots- und Metallbauer, Dieselmechaniker und vor allem der Elektriker waren häufige „Gäste“ an Bord, die es zu koordinieren galt. Aber es gab auch viele Sachen die ich alleine gemacht habe. Einiges waren reine Fleissaufgaben, wie das Unterwasserschiff mit einem neuen Antifoulinganstrich zu versehen, die Saildrives mit x Lagen Primer und neuer Farbe zu streichen oder an der Propellerwelle stundenlang zu feilen, bis die neuen Klapppropeller endlich drauf gingen. Anderes war eher komplex, wie die Installation der vielen neuen Geräte und Komponenten, aber dafür sehr spannend und befriedigend, wenn die Systeme am Schluss so funktionierten, wie ich mir das im stillen Kämmerlein ausgedacht hatte. Anderes wiederum war schlichtweg alleine nicht machbar, man versuche mal einen Bolzen dessen Kopf in einem Raum und die Mutter am anderen Ende in einem anderen Raum ist, anzuziehen…

Der Umbau und die Erweiterung der Elektrik war der arbeitsintensivste Brocken. Ich hatte das System zwar in der Theorie schon völlig geplant, aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail.

Das logische Bild der Elektroinstallation

So war eine der grösseren Herausforderungen das Einziehen von all den neuen Kabeln durch die bereits knallvollen Kabelkanäle. Mehr als ein Mal ist die Kabeleinziehhilfe (ein ca. 15 m langes steifes Spiralkabel, welches durch die Kabelkanäle gefädelt wird) an einem völlig unerwarteten Ort wieder herausgekommen.

Neue Steckdosen und Rotlicht in der Eignerkabine. Wenn man diese Ausbuchtung wegschiebt…
… kommt ein mir bis anhin unbekannten Kabelkanal zum Vorschein

Ich habe in den Wochen einige mir bisher unbekannte Hohlräume im Boot entdeckt und einiges über Rare Breeds Innenleben gelernt. Teilweise haben wir es zu zweit gemacht, aber Einiges habe ich alleine eingezogen. Vor allem die Kabelführung für die neuen Sonnenzellen am Heck hatten es in sich. Die Kabel gingen durch ein Loch hinten auf der Heckplattform ins Boot rein, durch einen unzugänglichen Hohlraum zwischen Heck und Cockpit, dann durch ein weiteres Loch in einem Hohlraum unter der Sitzbank und schliesslich von dort durch einen engen Spalt in den Schrank in der Gästekabine. Wenn es dann irgendwo klemmt, heisst das unten im Schrank in der Gästekabine ein klein wenig ziehen, dann raus aus der Kabine, durchs Bad und den Salon ins Cockpit hoch klettern, dort kniend mit dem Arm bis zur Schulter ins Loch unter der Sitzbank reinlangen, wieder etwas schieben und wackeln. Danach auf die Heckplattform und dort noch  ein Stück nachschieben. Wieder runter in die Kabine und bis zum nächsten Stopp ziehen… usw. usw. Dabei ging es pro Durchlauf manchmal nur wenige cm vorwärts, aber bei 6 x 15 m Kabellänge und sonst nichts zu tun ist das ja ein Klacks… Habe ich erwähnt, dass ich in den knapp sieben Wochen Bootsbasteln etwa 5 kg abgenommen habe?

Eine weitere Herausforderung war das Unterbringen vom neuen grossen Inverter/Ladegerät (mit dem an Bord aus den 12V Batterien 220V Wechselstrom erzeugt werden kann) sowie die neuen grösseren Solarladeregler und dem Batterie-zu-Batterie-Ladegerät. Schlussendlich musste ein Schrank in der Gästekabine dran glauben und wurde zum Schaltkasten „befördert“. Dort drin brummt und blinkt es jetzt wie in einem Spielcasino.

Der ehemalige Schrank in der Gästekabine
Um unnötige Bohrungen in Bordwänden zu vermeiden habe ich Holzplatten zur Aufnahme der Geräte im Schrank eingeklebt.
Die Geräte zur Probe montiert. Links der Inverter und rechts die Solarladeregler und das Batterie-zu-Batterie-Ladegerät
Vom verwirrenden Kabelsalat…
… zur geordneten Elektroinstallation…
… welche sich per App überwachen und einstellen lässt

Gelegentlich haben der Elektriker und ich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr gesehen: Der Inverter ist so installiert, dass er automatisch übernimmt, wenn der 220V-Landanschluss abgezogen wird oder ausfällt und er kann dabei bis zu 2kW Dauerleistung erbringen. Wir wollten das testen und haben den 220V-Landanschluss ausgezogen und versucht ein kleineres 220V-Elektrogerät zu betrieben. Es war uns völlig schleierhaft, wieso der Inverter schon bei ca. 600W Leistung „Overloaded“ anzeigte. Wir haben alle möglichen Einstellungen überprüft, bis wir schliesslich erleichtert realisierten, dass der 220V-Heizlüfter unter dem Navitisch die ganze Zeit fröhlich mitgelaufen war und dabei 1,6 kW Leistung beansprucht hat… 

Neben dem Aufrüsten der Ladetechnologie und der 220V-Installation wurden auch die vier alten Bleibatterien gegen drei neue leistungsstärkere, aber viel leichtere Lithiumbatterien ausgetauscht. Da eine solche Batterie alleine bereits € 2’000.- kostet, ist unschwer zu erraten, dass dies auch eine der teureren Modifikationen an Bord war. Das war auch lange unklar, ob wir diese Investition wirklich machen wollen, aber diese Technologie bietet so überzeugende Vorteile, dass wir uns durchgerungen haben dieses Geld zu investieren. 

Aus 4 x 100 Ah Bleibatterien wird 3 x 200 Ah Lithiumbatterien

Leider war das nicht die einzige teure Anpassung an Bord, aber die einzige, wo es akzeptable Alternativen gegeben hätte. Die beiden anderen grossen Brocken waren die Verstärkung des Türrahmens und der neue Heckbügel zur Anbringung von grösseren Sonnenzellen. Die Türrahmengeschichte war unerwartet und entsprechend ärgerlich. Die Werft bzw. der Designer von diesem Bootstyp hat schlicht und einfach Mist gebaut. Der Stauchdruck vom Rigg wird durch ein Schott (=Wand) aufgenommen indem sich die Türe zum Schiffsinnenraum befindet. Diese Konstruktion war schlicht und einfach zu schwach und hat angefangen sich zu deformieren. Mit einer solchen Schwachstelle loszufahren wäre leichtsinnig gewesen, es war nicht die Frage ob, sondern wann das brechen würde. Aber durch diese Verstärkung haben wir gleichzeitig auch eine stabile Aufhängung für eine stabile Gittertüre als Einbruchschutz bekommen. So hatte das schlussendlich auch seine gute Seite.

Neu vs alt

Der Heckbügel ist die grösste Erweiterung, die wir machen lassen. Er soll die Basis für drei grosse Sonnenzellen sein sowie eine Art Badeplattform über der Beibootaufhängung bekommen. Das Grundgestell wurde auf Fehmarn montiert und wird in der Zeit wo wir jetzt zurück in der Schweiz sind fertig gestellt. Wir hoffen, das alles bis Mitte Juni soweit ist…

Links die Anprobe in der Halle und rechts das vorläufige Resultat. Das Endresultat werden wir dann hoffentlich Ende Juni zu Gesicht bekommen.

Die Antriebe haben auch die nötige Zuwendung bekommen und sind frisch gewartet. Dabei wurden auch die beiden in die Jahre gekommenen Dieselgrobfilter/Wasserabscheider gegen neue ausgetauscht und ein Alarm installiert, der bei zu wenig Kühlwasser losgeht. Wenn der Kühlwassereinlass verstopft (was leider gar nicht mehr so ungewöhnlich ist, weil so viel Plastik im Meer schwimmt) merkt man das erst, wenn der Temperaturalarm losgeht, weil der Motor zu heiss geworden ist. Dann ist es aber schon zu spät, weil die Kühlwasserpumpe zu lange trocken gelaufen ist und die heissen Auspuffgase die (nicht mehr) wassergekühlte Auspuffanlage geschmolzen hat. Kleine Ursache und einen riesen Schaden. Mit dem neuen Durchflussmesser geht eine Sirene los sobald kein Wasser mehr durch die Leitung kommt. Dann hat man genug Zeit den Motor abzustellen bevor ein grösserer Schaden eintritt – vorausgesetzt, man ist nicht wegen der 100db Sirene vorher an einem Herzschlag gestorben… 

Neue Dieselgrobfilter mit Wasserabscheider und Vacuumanzeigen

In der Eignerkabine gab es von „fanello – gut im Bett“ 🙂 neue Matratzen mit integriertem Lattenrost . Die rechte ist sogar klappbar, damit man einfacher an den darunterliegenden Motor kommt. Die Matratzen sind etwas höher im Preis, aber da wir zukünftig auf Rare Breed ganzjährig leben werden, sind wirklich gute und bequeme Betten eine sehr gute Investition – vor allem, weil man ja auch nicht jünger wird… Die Matratzen waren basierend auf unseren Messungen massgenau auf die unsymmetrische Form angefertigt worden. Dabei hatten wir am Kopfende eine gepolstertes Brett durch eines ohne Polsterung ersetzt um 5 cm mehr Liegefläche zu bekommen. Dass sie auf Anhieb genau reingepasst haben war natürlich ein Highlight. Unsere Messungen und vor allem die handgefertigten Skizzen erwiesen sich als brauchbar.

Die riesigen Kisten der Matratzen ins Boot reinzubekommen war eine echte Herausforderung. Der Zugang zum Motor ist gewährleistet.
Von Alt zu neu.

Neben all diese grossen Brocken habe ich viele Kleinigkeiten erledigen können, wie: Rotlicht in allen Kabinen, Umstellung auf LED-Lampen und Installation von Bordcomputer und Monitor, Notfunkbake und Satellitenkommunikationsgeräte, USB-Steckdosen, automatische Feuerlöscher, Brandmelder u.v.m.

Rotlicht beeinträchtigt die Nachtsichtfähigkeit nicht und wird, anstelle vom normalen Licht eingeschaltet, wenn man nachts segelt
Hier die Wand im Salon wie sie ursprünglich aussah…
Inzwischen sind hier der Epirb, die Satellitenkommunikationsgeräte und Aufbewahrungsmöglichkeiten hinzugekommen
In allen Kabinen wurden USB-Steckdosen installiert
Ein Computermonitor wurde im Salon mit einer schwenkbaren Halterung montiert
Eine neue Abdeckung für den Herd vergrössert die Arbeitsfläche
Während der ganzen Zeit herrschte ein unvorstellbares Chaos im Boot…
Die Elektroinstallation am Navigationsbereich wurde auch nicht verschont
Auch unter dem Boot gab es einiges zu malen und montieren
Das Unterwasserschiff bekam ein frischer Antifoulinganstrich
Die neuen Faltpropeller wurden montiert

Anfangs Mai wurde Rare Breed zu Wasser gelassen. Das heisst der zuerst geplante Einwasserungstermin ist wegen dem Sturmtief „Eugen“ ausgefallen.

Drei Tage lang stand der Betrieb an der Krananlage still und alle haben gewartet bis das „Frühlingswetter“ sich ausgetobt hat. Danach war Rare Breed das erste Boot, welches wieder ins Wasser durfte. Dummerweise startete nur eine Maschine und die andere drehte – trotz voller Batterien – nicht richtig durch. Nach längerer Fehlersuche haben wir das Unwahrscheinlichste ausprobiert und den Hauptschalter (ein simpler mechanischer „Nato-Knochen“) ersetzt und siehe da, schon sprang sie an, wie wenn nichts wäre. Da hat man x elektronische Teile neu eingebaut oder ersetzt und dann steckt der Wurm in einem Bauteil, was sonst eigentlich nie kaputt geht. 

Endlich ist es so weit
Und sie schwimmt wieder!

Am nächsten Tag war eigentlich Sonne und wenig Wind vorhergesagt. Ideal um den 4-5 stündigen Trip nach Neustadt zu machen.

Gegen 11 Uhr war das auch so und wir haben beide Maschinen gestartet und angefangen das Ablegen vorzubereiten. Nach weniger als einer Minute hat die rechte Maschine wieder abgestellt! Scheibe..! Zum Glück noch bevor wir die Leinen gelöst hatten. Die Vorstellung, den Katamaran mit nur einer Maschine in dem engen Hafenbecken manövrieren zu müssen war nicht gerade das was ich jetzt brauchen konnte…

Jegliche Startversuche verliefen kläglich. Strom war genug da, aber er „zündete“ einfach nicht, es musste also an der Dieselzufuhr liegen. Zum Glück war der Dieselmechaniker, der die neuen Filteranlagen montiert hatte auf „stand by“ und kam sofort an Bord. Nach nochmaligen Entlüften des Motors und anschliessendem 20-minütigen Probelauf (mit eingelegtem Gang und 2’000 Umdrehungen, an den Festmacherleinen zerrend) war klar, dass es jetzt gut war und es ging endlich los.

Es kann los gehen

Inzwischen war der Sonnenschein dem Regen gewichen und auch der Wind hatte kräftig zugelegt. Leider hatte ich die Vorsegel noch nicht angeschlagen sodass wir nicht segeln konnten, aber da ich sowieso die Motoren und die neuen Propeller einem Belastungstest unterziehen wollte, war das nicht so tragisch. Nur die elenden kurzen steilen Wellen im Fehmarnsund hätte ich nicht haben müssen. Rare Breed ist wie ein Rodeo-Pferd hin und her gebockt und hat es alles andere als gemütlich werden lassen. Meine Crew Boris hat aber offenbar gute Seebeine und das Schietwetter klaglos hingenommen. Der auf einer Wandhalterung montierte Computermonitor war dem Geschaukel eindeutig nicht gewachsen und ist seither mit einem „Sicherheitsgurt“ angeschnallt.  

Fehrmarnsundbrücke und kabbelige See
„Ostsee-Sonne“ auf dem Weg nach Neustadt i. H.
Boris bei den Schleppversuchen

Ausser einer Störung bei der Batterieladung, was zu einem Dauergepiepse der Warnsummer führte, liefen die Maschinen und Faltpropeller tadellos und wir konnten die geplanten Schleppversuche mit Boris‘ „Walvergrauler“ (mehr dazu in einem separaten Beitrag) bei bis zu 8 Knoten Speed machen. Die Ladungsprobleme konnten wenige Tage später durch Rückbau einer neuen Komponenten behoben werden und Rare Breed sollte elektrisch und antriebsmässig jetzt in einem sehr guten Zustand sein. 

In Neustadt gab es tatsächlich keine Duschen. Das heisst, eigentlich gab es schon eine, aber diese war wegen der Coronaregeln ausser Betrieb gesetzt worden. Man muss sich das so vorstellen: Rare Breed liegt da nicht in einer Marina, sondern an einen Kai im Industrieteil vom Stadthafen. Dort gibt es keine richtigen Sanitäranlagen, sondern nur ein Badezimmer mit WC, Waschbecken und EINE DUSCHE in einer Baracke. Dort darf man auf’s WC gehen, aber das Duschen im gleichen Raum ist verboten bzw. wird verunmöglicht, weil der Brauseschlauch entfernt und mit einem Blindstopfen verschlossen ist.  Auf’s WC gehen ist OK, aber drei Meter daneben Duschen nicht? Hier hat sich der Unsinn der behördlichen Coronaanordnungen vollends gezeigt! 

Die Innendusche in Rare Breed war noch nicht betriebsbereit (bzw. mit Gerümpel vollgestellt), so dass ich nicht im Boot duschen konnte. Als es einen Tag mal kurz über 15 Grad warm wurde, habe ich die Gunst der Stunde genutzt und die erste Freiluftdusche hinten am Heck von Rare Breed „genossen“. Danach war es aber drei Tage nur noch kalt, windig und regnerisch und Biggi hatte ihre Ankunft angekündigt um mit mir zusammen den Campingbus zurück in die Schweiz zu fahren. Es musste also etwas passieren! Ich hatte mich schon fast damit abgefunden noch mal draussen in der Kälte zu duschen, als mir einfiel, dass Badezimmerarmaturen in der Regel genormt sind. Also Duschschlauch auf Rare Breed demontiert, diesen mitsamt dem nötigen Werkzeug zum Duschzeugs gepackt und ab zum Badezimmer. Und siehe da – der englische Duschschlauch von Rare Breed hat wunderbar auf die deutsche Dusche gepasst. Ich roch wieder fein und Biggi konnte kommen 🙂

Rare Breed in Neustadt

Dann kam Biggi und am Tag darauf sind wir mit vollgepacktem Auto wieder zurück in die Schweiz gefahren. Vollgepackt deshalb, weil ich in den Wochen „da oben“ realisiert hatte, dass wir viel zu viel Zeugs an Bord haben. Rare Breed würde zum U-Boot mutieren, wenn ich ihr keine Abspeckkur zukommen liess. Beim Bestellen von Sachen im Winterhalbjahr, habe ich wohl tatsächlich die Gesamtmenge an Sachen unterschätzt. Einen grossen Teil davon konnte ich auf Fehmarn verschenken oder entsorgen, aber einiges kam mit Heim, um hier verkauft zu werden.

Jetzt bleiben wir ca. vier Wochen hier in der Schweiz, bekommen unsere Coronaimpfungen, erledigen 1000 andere Sachen und dann geht es wieder hoch und – dann soll es endlich wirklich los gehen!!

Ready to go home! Das Wetter hat uns den Abschied nicht schwer gemacht.

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