Nordwärts! Von Cheddar zu Camembert
03. – 17.02.2022, St. Anne, Martinique, Logstand seit Start: 5’522 sm
Vorwort: Wir hatten diesen Bericht kurz vor Putins Angriff auf die Ukraine schon fertig und haben dann entschieden ihn angesichts der schockierenden Ereignisse in der Ukraine vorerst nicht zu veröffentlichen. Wir sind immer noch entsetzt und traurig über diesen absolut unnötigen Krieg und wir sind natürlich auch in Sorge, was mit unseren Familien und Freunden passieren wird, die alle viel näher am Krisengebiet sind, als wir hier in der Karibik. Es bleibt uns nur zu hoffen, dass der Konflikt so bald wie möglich aufhört.
Wir können die Ereignisse nicht beeinflussen und veröffentlichen den Bericht jetzt trotzdem, in der Hoffnung, dass er ein klein wenig dazu beiträgt den Lesern einen Moment Ablenkung zu geben.
Am 3. Februar sind wir nach 2 ½ Wochen in der Le Phare Bleu Marina endlich wieder raus. Irgendwie haben Marinaaufenthalte die Tendenz sich in die Länge zu ziehen, wollten wir doch ursprünglich nur eine Woche bleiben. Die zu erledigenden Wartungsarbeiten gingen länger als geplant – vielleicht auch, weil wir durch die vielen sozialen Aktivitäten abgelenkt wurden – und ganz ohne Landausflüge wollten wir Grenada doch nicht verlassen.
Der erste Schlag ging nur kurz «ums Eck» zur Bucht Grand Mal an der Westküste von Grenada. Dort ist der Moliniere Underwater Sculpture Park. Das ist eine Sammlung von Skulpturen vom britischen Künstler Jason DeCaires-Taylor, die er in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung erstellt hat. Viele der Skulpturen sind Zement-Abdrücke von lokalen Personen. Seine Intention war, die lokale Bevölkerung mit diesem Projekt für die delikate Unterwasserwelt vor ihren Küsten zu sensibilisieren. Die Einzelfiguren oder Gruppen von Menschen sowie andere Skulpturen sind über eine relativ grosse Fläche auf dem Meeresboden verteilt. Für uns als Hobbyschnorchler war leider nur ein Teil zu erreichen, der Rest liegt so tief, dass man richtig tauchen müsste. Es war trotzdem ganz eindrücklich.
Nach zwei Nächten an der Boje ging es mit dem ersten Morgenlicht Richtung Norden los. Wegen des anhaltend frischen Nordostwinds hatten wir eine unangenehme Welle genau von vorne. Unser kleiner Katamaran kann zwar Ozeane überqueren, aber bei Wind und Welle von vorne ist er nicht mehr in seinem Element. Wegen seiner geringen Länge tendiert er dazu sich festzustampfen, d.h. der Bug knallt in die Welle, die Gischt spritzt über das ganze Boot und wir stehen kurzzeitig fast still. Danach nimmt er wieder Fahrt auf, um bei der nächsten grösseren Welle wieder aufgestoppt zu werden usw. usw. Dass es dabei immer 2-3 m hoch und runter geht macht das Leben an Bord sehr anstrengend. So waren wir auch sehr froh, als wir nach gerade mal 35 Seemeilen nachmittags den Anker vor Sandy Island fallen lassen konnten.
Endlich hatten wir auch unsere Vorsätze umgesetzt und jeden Morgen mit «Plank»-Übungen begonnen. Dann gab’s Frühstück und danach etwas rumwursteln (z.B. Blogschreiben oder den Hängestuhl ausprobieren 😉) bis es zum Schnorcheln ging.
V.a. Biggi hat das Schnorcheln für sich entdeckt und kann stundenlang im Wasser rumdümpeln und den Fischen zuschauen. Ich als ehemaliger Taucher bin wohl etwas verwöhnt, aber ich freue mich, wie es ihr Spass macht.
Wenn wir schon im Wasser sind, werden auch gleich die Rümpfe mit der Wurzelbürste und Spachtel gereinigt. Unsere bewuchshemmende Farbe ist noch erstaunlich wirksam, aber wir merken langsam, wie es anfängt nachzulassen. Bei gerade mal 2 ½ m Wassertiefe kann man schon fast am Grund stehen um das Schiff zu putzen.
Weniger als 1m Wassertiefe unter den Kielen ist mir persönlich zu riskant, hier sieht man aber manchmal ganz „wagemutige“ Skipper, die offenbar keine Hemmungen haben, ihr Schiff mit nur wenige Dezimeter Wasser unter dem Kiel zu ankern…
Nach ein paar Tagen kam MOANA auch nach und wir verbrachten wieder schöne Stunden mit Gottfried und Sandra, sei es beim Schnorcheln, am Strand oder auch abends im Paradise Beach Club (Adieu Erholung fürs Portemonnaie…)
Das Wetter ist seit wir in der Karibik sind ziemlich untypisch, denn eigentlich wäre jetzt Trockenzeit. Der Wind bläst oft stark bis teilweise sehr stark und es regnet verhältnismässig oft und intensiv. So war es dann auch vor Sandy Island. Der Ankerplatz ist dort ziemlich offen und so gab es einige bange Stunden, wenn der Wind mit bis zu 32 Knoten über uns hinwegfegte. Kurz nach dem Durchgang eines solchen Squalls war es wieder schön sonnig, aber schon eine halbe Stunde später herrschte wieder Weltuntergangsstimmung mit waagerecht peitschendem Regen und rabenschwarzen Wolken. An einigen Tagen war es so unruhig, dass wir nicht mal von Bord konnten um zu schnorcheln, geschweige denn mit dem Dinghy an Land zu fahren, weil die Wellen einfach über uns hinweg rollen würden. Auch unser neues Dinghy kam hier an seine Grenzen.
So war es hochwillkommen, als Rennie mit seinem Motorboot mit frischem Gemüse vorbeikam. Top Ware zu fairen Preisen direkt an die Bordwand geliefert. So blieben die Konserven doch wieder in der Bank.
Nach etwa einer Woche wollten wir langsam weiter gegen Norden, aber das Wetter spielte einfach nicht mit. So blieb es nur abzuwarten, bis sich ein Fenster mit etwas weniger Wind auftun würde. Aber wir beklagen uns nicht – es gibt wahrlich schlimmere Orte als Sandy Island, um etwas Zeit tot zu schlagen.
Gegen Ende Woche sagten die Wetterprognosen eine kurze Beruhigung für kommenden Montag und Dienstag voraus, danach sollte der Wind wieder auf über 30 Knoten hochgehen. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen und sind am Montag pünktlich zur Öffnungszeit um 8 Uhr morgens vor dem Büro der Immigration gestanden. Da wir das Gebiet von Grenada verlassen würden, mussten wir ausklarieren bevor wir loskonnten. Das kann ja eigentlich nur einem Schweizer einfallen, dass die Behörden in der Karibik am Montagmorgen pünktlich aufmachen würden. Naja wenigstens hat das Café rechtzeitig aufgemacht und wir konnten die Wartezeit mit einem Kaffee überbrücken. Um 8:40 Uhr kam dann der Beamte gemütlich gelaufen und meint nur «Give me some minutes to prepare the office.» Naja ca. 45 Minuten später («Sorry, the system is very slow today.»)… war unser Formular verarbeitet und wir ordnungsgemäss ausklariert.
Wir wollten direkt nach Martinique. Das sind rund 125 Seemeilen, vorbei an die Grenadinen, St. Vincent und St. Lucia auf einem nordöstlichen Kurs, also fast gegen den vorherrschenden Nordost- bis Ostwind. Wir rechneten mit ca. 24 Stunden Dauer, was einen Nachttörn bedeutete, um am nächsten Tag bei gutem Licht anzukommen.
Nun, die Wettervorhersage hat leider nicht gestimmt und wir hatten einen Törn zum Abgewöhnen. Hinter den Inseln war es sehr ruhig, aber in den drei, jeweils ca. 20-30 Seemeilen breiten Kanälen zwischen den Inseln, haben wir gehörig Prügel kassiert. Mehrere Squalls mit sintflutartigem Regen und vor allem Wind bis über 30 Knoten und den damit einhergehenden Wellen von schräg vorne waren alles andere als lustig. Unter gerefftem Grossegel und der kleinen Fock sind wir gegenan gestampft. Um wenigstens nicht zu weit nach Westen abgetrieben zu werden lief die leeseitige Maschine mit 1800-2100 Umdrehungen mit. Nach ziemlich genau 24 Stunden gingen wir in Le Marin, Martinique vor Anker. Fix und fertig und ziemlich frustriert, weil das Wetter alles andere als karibisch schön war, haben wir uns zuerst mal etwas Warmes zu Essen gemacht und das Boot rudimentär aufklariert.
Das Einklarieren in Martinique war wohltuend einfach. Am PC ein Formular ausfüllen, € 5.- bezahlen und gut ist. Keine Fragen nach irgendwelchen Papieren vom letzten Hafen oder nach einem PCR-Test. Französisches «Laissez-faire» halt. In allen ehemals britischen Inseln wird ein Riesen-Tam-Tam um’s Ein- & Ausklarieren, Cruisingpermits, Healthchecks und PCR-Tests gemacht. Damit lassen sich natürlich vorzüglich Arbeitsplätze erhalten und Einnahmen generieren. Vor allem die PCR-Tests sind zum Teil mit US$ 150-200.- pro Person absurd teuer. Kein Wunder, werden die Tipps, wo man günstigere Test machen kann und wie die Einklarierungen ablaufen unter Seglern rege ausgetauscht. Offiziell verlangt Martinique auch, dass man einen aktuellen PCR-Test vorweisen kann. Wir wussten aber von anderen Seglern, dass dies nicht kontrolliert wird und haben in Carriacou gar keine Tests gemacht.
Das war mitunter auch ein Grund, dass wir die Inseln (St. Vincent und St. Lucia) unterwegs nicht anlaufen konnten. Wir haben die Hoffnung, dass die weltweiten Massnahmenlockerungen bis im Frühling auch in der Karibik ankommen und wir die Inseln auf dem Rückweg in den Süden ohne Tests anlaufen können. Aber wir haben so unsere Zweifel, ob die Inseln so ohne weiteres die für sie lukrativen Tests einfach aufgeben werden…
Ein weiterer Grund möglichst schnell nach Martinique zu gehen war technischer Natur. Hier bekommt man fast alles an Yachtzubehör was das Herz begehrt und zwar zu halbwegs fairen Preisen. Unsere Wasserversorgung an Bord hatte angefangen Ärger zu machen und der Fehler musste gefunden und behoben werden. Dafür wollte ich Zugang zu eventuell nötigen Ersatzteilen haben. Wir haben einen Wassertank der 400 l fasst, eine Wasserpumpe mit einem Drucktank um das Wasser unter Druck zu halten, einen Boiler für Warmwasser und ein Rohrsystem, das dies alles miteinander verbindet und alle Zapfstellen (Küche, zwei Bäder und die Aussendusche) an Bord bedient. Im Normalfall ist die Pumpe immer eingeschaltet und läuft jeweils nur kurz an, wenn irgendwo ein Hahn geöffnet wird. Vor ein paar Monaten hatte die Pumpe angefangen drei oder vier Mal pro Stunde für 1-2 Sekunden anzulaufen. Das deutet auf eine Undichtigkeit im System hin, aber ich konnte einfach nichts finden. Dazu muss gesagt sein, dass das gesamte Rohrsystem beim Bau des Bootes verlegt wurde und grösstenteils nicht mehr zugänglich ist, ohne dass man Wände oder Zwischenböden aufschneiden würde. Dies und die Tatsache, dass ich einfach nirgends Leckwasser im Boot finden konnte, hat dazu geführt, dass ich entschieden habe, dies erst im Sommer anzugehen, wenn das Boot ohnehin an Land geholt wird. Aber wie das so ist, die Realität hält sich nicht an Pläne und die Pumpe fing an immer öfter zu laufen. Abgesehen davon, dass das nervig war haben wir auch langsam realisiert, dass wir den Wassertank tatsächlich immer öfter auffüllen mussten. Jetzt war es sonnenklar, dass unser Süsswasser irgendwohin lief – aber wohin? Zum Schluss haben wir, obwohl wir sehr sparsam mit dem Wasser umgingen, pro Tag geschätzt 80-100 l Wasser verbraucht bzw. verloren! Das Wasser MUSSTE irgendwohin nach draussen laufen, denn sonst wären wir bei diesen Wassermengen schon lange abgesoffen!
Sobald wir eine Nacht geschlafen hatten und uns von dem anstrengenden Törn erholt hatten gingen wir ans Werk. Es wurde jede vorhandende Serviceöffnung aufgeschraubt, um zu sehen ob es irgendwo Leckspuren gibt, aber alles war staubtrocken. Mit dem Bordmanual von der Bauwerft (ja das gibt es tatsächlich!) haben wir versucht den Verlauf der Rohre zu folgen, Völlig unmöglich, da sie zwischen der Innen- und Aussenschale verlegt worden waren. Nebenbei haben wir auch festgestellt, dass die Rohrführungspläne im Manual gar nicht mit unserer Installation übereinstimmen konnten…
Irgendwann sind wir beim Boiler angelangt und haben festgestellt, dass die Werft das Überdruckventil 180° verkehrt herum eingebaut und es mit einem Schlauch versehen hat, der durch ein Seeventil (verschliessbares Loch in der Aussenhaut vom Boot) direkt nach aussen geht… Mir ging langsam ein Licht auf!
Diese Öffnung liegt so nahe der Wasserlinie, dass dort vermutlich Seewasser reingekommen ist und das Ventil langsam aber stetig zum korrodieren gebracht hat. Das korrodierende Überdruckventil hat wohl langsam immer mehr geleckt und so unser Süsswasser über den Schlauch immer schneller aussenbords «entsorgt». Kein Wunder war drin alles trocken!
Kaum hatte ich das Seeventil vom Schlauch geschlossen, verstummte die Pumpe und der Wasserverlust stoppte! Die Erleichterung, als auch am Tag danach die Pumpe ruhig war und der frisch gefüllte Wassertank voll blieb, war enorm! Wir konnten wieder normal an Bord leben.
Am zweiten Tag in der Bucht von Le Marin wurden wir von den Behörden verscheucht, da wir angeblich in einer Fischereisperrzone lagen. In der Seekarte war es als Ankerbucht bezeichnet und es gab auch keine Seezeichen die auf irgendeine Sperrzone hinwiesen… Also zirkelten wir uns durch die vielen Riffe in der Einfahrt von Le Marin die paar Seemeilen nach St. Anne rüber. Als wir dort den Anker fallen lassen wollten, hat sich nichts getan. Die Kette war vom Aufholen so stark angezogen, dass die Ankerwinsch einfach geklemmt hat. Während ich versucht habe das Problem zu lösen ist natürlich wieder ein Sqall gekommen und wir waren kurzzeitig wegen dem Wind und dem vielen Regen ziemlich am rotieren. Nach wenigen Minuten war der Spuk vorbei und wir beide bis auf die Haut pitschnass.
Auf Martinique wollen wir ein noch eine Weile bleiben, da es hier noch viel zu sehen gibt.