Grenadinen statt Clementinen – Weihnachten in der Karibik
21.12.2021 – 11.01.2022 St. Vincent / Grenadinen, Logstand seit Start: 5289 Seemeilen
Am Tag nach unserer Ankunft ging es mit der Einklarierung los. Über Funk habe ich angefragt, ob wir wegen Quarantäne usw. überhaupt von Bord dürfen. Alles ganz easy, einfach an Land fahren und zu «Daffodil’s Yacht Service» gehen, die hätten unsere Akte schon vorliegend. Gesagt getan, Dinghy ins Wasser, Motor dran und ab die Post. Nach knapp 19 Tagen zum ersten Mal wieder festes Land unter den Füssen zu spüren war ein spezielles feeling. Biggi musste zum ersten Mal im Leben das Beiboot anbinden und von dort auf den Steg rauf. Das alleine war schon eine kleine Herausforderung, in Kombination mit dem «schwankenden» Land ist sie fast umgefallen. Halb so schlimm, das Wasser ist ja schön warm hier 🙂
Das ganze Prozedere war in wenigen Minuten abgeschlossen. Stand da nicht etwas von einem Health Check in den Einreisebestimmungen? Fehlanzeige! Einfach Zettel unterschreiben und Gebühr bezahlen, Passierschein erhalten und wir konnten quer über die Admiralty Bay zu den restlichen Behörden (Immigration und Customs) tuckern. Auch dort x Unterschriften und den üblichen Obolus bezahlen. Nach weniger als einer Stunde waren wir einklariert und hatten die Erlaubnis, für 30 Tage im Land zu bleiben. Fast schon eine Antiklimax nach all den Sorgen, Voranmeldungen usw. die wir noch in den Kanaren gemacht hatten. Aber besser so als an Bord Quarantäne machen zu müssen.
Hier regnet es nahezu täglich – mal mehr, mal noch mehr. So auch am Tag nach unserer Ankunft. Es hat geschüttet, wie wenn jemand alle Himmelsschleusen aufgemacht hätte. Und das ganze Salz von der Überfahrt war somit auch vom Boot gewaschen. Wer braucht da eine Marina mit Wasserschlauch?
Bequia ist eine kleine und sehr beschauliche Karibikinsel. Es ist sehr sicher und die Leute sind hilfsbereit und aufgestellt. Wir haben uns sofort wohl gefühlt, sind überall rumgelaufen und haben uns an den farbenfrohen Häusern und den handgemalten Schildern erfreut. Egal wo wir durchgelaufen sind, wir haben uns niemals auch nur ansatzweise unsicher oder unwohl gefühlt.
Ausser ein paar Mal umankern bzw. an Bojen gehen haben wir das Boot nicht bewegt. RARE BREED ist zum schwimmenden Campinghäusle mutiert. Vorerst hatten wir keine Lust auf Segeln und haben uns auf Weihnachten gefreut. Hier lagen bzw. kamen noch weitere Schiffe aus unsere «Lossegler»-Gruppe dazu und allabendliche «Sundowner» wurden zur Regel. Nach drei Wochen auf dem Atlantik hatten alle das Bedürfnis mit anderen zusammen zu sein und das Erlebte zu verarbeiten. Logisch haben wir dann alle auch zusammen Weihnachten gefeiert. Statt Familie haben wir die Feiertage dieses Mal mit neu gewonnenen Freunden verbracht. Aber ausser Weihnachtsdekoration und dem ein oder anderen mitgebrachten Lebkuchen, ist eigentlich kein richtiges Weihnachtsgefühl aufgekommen. Aber das hat wohl niemand wirklich gestört. Der Reiz des Neuen, die Wärme, das warme klare Wasser und der allgegenwärtige «Soca»-Sound hat uns «Last Christmas» nicht vermissen lassen 😉
Ausser Früchten, Gemüse und etwas Frischwaren mussten wir nicht gross einkaufen. Unsere Vorräte sind immer noch prall gefüllt, was aber bei den hiesigen Preisen sehr angenehm ist. Wir fragen uns schon, wie die Leute hier zurechtkommen, denn vieles ist auf schweizer Preisniveau. Sogar die Früchte und das Gemüse ist relativ teuer. Und da wir mitbekommen haben, was die Einheimischen bezahlen mussten, wissen wir auch, dass sie von uns keine Fantasiepreise verlangt haben. Vermutlich läuft vieles über eigenen Anbau oder über Tauschgeschäfte. Wo es aber schon sehr krasse Unterschiede gibt, ist bei den Restaurants. Bei den bekannten Touristenrestaurants (wo man aber auch keine Einheimischen als Gäste sieht) kann man gut 100.- EC$ (ca. €33.-) für eine einfache Pizza zahlen. In kleinen unscheinbaren Restaurants bekommt man für 15-20 EC$ einen grossen Teller karibische Hausmannskost. Dort waren wir dafür die einzigen Touristen und die Einheimischen haben sich echt über unsere Begeisterung für ihre Küche gefreut.
Das Leben an Bord ist hier auch ganz anders als in Europa. Es gibt fast keine Marinas, man liegt stattdessen vor Anker oder manchmal auch an einer Boje in einer Bucht. Das heisst, um an Land zu kommen muss man das Beiboot oder SUP nehmen oder schwimmen. Das Beiboot wird zum Autoersatz und ist ständig im Einsatz. Dabei geht es natürlich immer über welliges Wasser und alles wird mehr oder weniger nass. Das Salzwasser ist allgegenwärtig und alles ist leicht klamm und klebrig. Süsswasser ist dafür ein kostbares Gut, da es schlichtweg keinen Wasserhahn oder Schlauch gibt. Da es aber schön warm ist, braucht man viel weniger Kleider und so kann man mit einer kleinen Handwäsche die am meisten benützen Shorts, T-Shirts und Badesachen immer wieder auswaschen. Das Abduschen mit Süsswasser wird natürlich erst nach dem Abwaschen der Seife mittels Sprung ins Meer «erlaubt». Unser Badezimmer wird ohnehin nur noch zum Zähneputzen verwendet, die restlichen Waschaktivitäten passieren im Cockpit bzw. auf der Badeplattform.
Auch die Steckdosen sind hier draussen ziemlich dünn gesät und der benötigte Strom muss erst selber produziert werden. Jetzt zahlt sich unsere Investition in die Solarzellen und die Lithium-Akkus erst richtig aus. Wir haben immer genug Strom, um Wasser zu machen, zu kochen und alle elektrischen Verbraucher zu betreiben. Das ist ein enormer Luxus und gleichzeitig ein kleiner Beitrag zum Umweltschutz, da wir für die Strom- oder Wasserherstellung keine fossilen Brennstoffe benötigen. Der Aussenborder braucht nicht sehr viel Benzin und unsere Dieselmotoren laufen wirklich nur zum An- oder Ablegen. Die Dieseltanks sind immer noch randvoll mit Diesel aus den Kanaren.
Bequia ist ca. 18 qkm gross und hat um die 5’000 Einwohner. An Sehenswürdigkeiten gibt es ausser Natur und einige Strände eigentlich nur eine Schildkrötenaufzuchtstation und das Bootsmuseum. Zusammen mit drei anderen Yachten haben wir uns ein Taxi (Sprich ein Pick-Up mit zwei Längsbänken und ein Dach über der Ladepritsche) organisiert und beides besucht.
Das Turtle Sanctuary wird von einem inzwischen 83-jährigen Mann betrieben. Er sammelt jedes Jahr einige Dutzend frisch geschlüpfter Karettschildkröten am Strand ein. Diese werden dann fünf bis sieben Jahre grossgezogen und als ausgewachsene Schildkröten ins Meer entlassen. Auch wenn es pro Jahr nur relativ wenige Schildkröten sind, hat es doch eine grosse Wirkung, denn die Überlebenschance der frischgeschlüpften Schildkröten liegen bei 1% – sprich von 100 Jungtieren wird nur eins das Erwachsenenalter erreichen. Bei ihm ist die Erfolgsrate sehr hoch, denn die Tiere lassen sich relativ einfach halten und grossziehen. Die kleinen werden mit Thunfisch aus der Dose, die grösseren mit Sardinen gefüttert. Er hat es auch mit den Leatherback Schildkröten probiert, aber diese ernähren sich von Quallen und fressen in Gefangenschaft nicht. Leider wird er seit einiger Zeit nicht mehr von der Regierung unterstützt und ist auf Spenden angewiesen. Auch die Nachfolge ist noch nicht ganz klar, aber er hofft, dass seine Tochter, die heute auf St. Vincent als Lehrerin arbeitet, das übernehmen wird.
Bequia hat vom IWC nach wie vor das Recht jedes Jahr vier Buckelwale zu erlegen. Das wird noch mit offenen Booten und Handharpunen gemacht und ist alle andere als ungefährlich. Es gibt immer weniger Personen, die die dafür benötigten Fähigkeiten und Kenntnisse haben und so wird manche Jahre kein einziger Wal erlegt. Da man zu Recht die Sinnhaftigkeit vom Walfang auf dieser Insel – die davon in keiner Weise abhängig ist – hinterfragen muss, ist zu hoffen, dass es bald ganz aufhört.
Das kombinierte Boots- und Walfangmuseum war gar nicht offen, aber durch die offene Bauweise vom Gebäude konnten wir trotzdem gut in den einzigen Ausstellungsraum reinschauen.
Nach etwa einer Woche im «Rummel» mit all den anderen Booten in Bequia hatten wir wieder den Wunsch nach etwas mehr Ruhe und sind zu den Tobago Cays aufgebrochen. Das ist ein weitläufiger Ankerplatz hinter einem grossen Riff (Horseshoe Reef) umgeben von ein paar unbewohnten Inseln. Hier lagen zwar auch viele Schiffe, aber durch unseren geringen Tiefgang konnten wir fast ganz vor bis zum Riff fahren und relativ einsam ankern.
Statt Landausflüge und Schiffsbesuche haben wir jetzt die Zeit gefunden ausgiebig zu schnorcheln und das SUP auszuprobieren. Das Schnorcheln war für Biggi Neuland. Vor Jahren hat sie das mal gemacht und jetzt hat sie es bei Strömung, kabbeliger See und viel Wind zum zweiten Mal probiert. Nachdem sie nach wenigen Minuten bereits Kofferfische und Rochen gesehen hat, war es um sie geschehen und sie ist fortan bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Maske, Schnorchel und Flossen ins Wasser gesprungen.
Eine kleines Fotoshooting haben wir natürlich auch gemacht 🙂
Wegen dem als «Christmas Winds» gekannten starken Passats in dieser Jahreszeit waren die offenen Ankerplätze in den Tobago Cays sehr unruhig. Der Anker hält im Sandgrund zwar bombenfest – beim drüber schnorcheln konnte man ihn gar nicht mehr sehen, so tief hatte er sich eingegraben- aber das Boot hat doch recht gerollt und geruckelt. Der Schutz vor der Atlantikdünung ist nur durch die Riffkante gegeben, die aber nicht die gesamte Dünung auffangen kann. Vor dem Riff liegt der offene Atlantik und der Wind pfeift ungehindert ans Boot. Aber das türkisfarbige Wasser und das Gefühl mit dem Boot auf weniger als 2m Wassertiefe über weissem Sand zu ankern ist schon einmalig. So eine einsame Silvesternacht ist wohl schwer sonst wo zu erleben. Statt Feuerwerk waren abermillionen Sterne über uns zu sehen.
Am Neujahrstag sind wir «um’s Eck» zur Insel Mayreau getuckert, wo wir das Silvesterdinner nachgeholt haben.
Nach einem kurzen Fussmarsch zur anderen Inselseite waren wir in der «Escapade Ranch» angekommen. Eine absolut einmalige Location am Strand mit Blick rüber zu den Tobago Cays. Als einzige (!) Gäste wurde uns ein sehr leckerer Lobster (Hummer) serviert. Das Strandlokal war liebevoll eingerichtet und hatte sogar eine offene Terrasse auf Stelzen direkt am Meer mit einer Schaukel. Wir hoffen, dass sie bald wieder mehr Gäste begrüssen können, denn es wäre wirklich schade, wenn diese Perle schliessen müsste.
Da auch der Ankerplatz auf Mayreau ziemlich unruhig (=rollig) war, haben wir nicht lange überlegt, als Marco und Kerstin von der Segelyacht ROSA II uns gefragt haben, ob wir nicht Lust hätten nochmals zu den Cays zu kommen um mit ihnen zu schnorcheln.
Sie sind mit ihren zwei Kindern Sofia und Jonas unterwegs. Die Kinder sind natürlich voller Energie und unternehmungslustig und so wurden es ein paar kurzweilige Tage mit Schnorcheln mit Rochen und Schildkröten, Strandwandern, Leguane suchen und ein Lobster-BBQ am Strand.
Die «Rosas» hatten wir schon in Bequia kennen gelernt und manche vergnügliche Stunde zusammen verbracht. Das ist wieder so ein Beispiel, wie man unterwegs innert kürzester Zeit Leute kennen und mögen lernt. Dadurch, dass wir – wortwörtlich – alle im gleichen Boot sitzen – entstehen Freundschaften innerhalb von Tagen, die so zuhause vermutlich nie zustande gekommen wären.
Nach einer guten Woche «in der Wildnis» wollten wir wieder nach Bequia hoch, um von dort den Absprung nach Martinique zu machen. Statt wie der erwartete (eher unangenehme) Kurs gegen den vorherrschenden Nordostwind wurden wir mit einem angenehmen Südostwind beglückt und sind unter vollen Segeln und mit wenig Welle nach Bequia gerauscht. Biggi sass dabei die längste Zeit vorne im rechten Bugkorb und genoss die Fahrt und den warmen Wind. Trotz Geschaukel ist ihr dabei nicht schlecht geworden und wir hoffen beide, dass das ein gutes Zeichen ist.
In Bequia kamen wir uns schon fast wie Heimkehrer vor und haben unsere morgendliche Wanderung über einen kleinen Trail am Wasser entlang über drei Strände wieder aufgenommen. Wir hatten damit angefangen, um etwas mehr Bewegung zu bekommen.
Bei der letzten Wanderung hat uns ein schwarzer Hund begleitet. Obwohl ich Tiere an Bord eigentlich nicht gut finde, wäre ich hier fast schwach geworden. Wenn er nicht irgendwann wieder verschwunden wäre, weiss ich nicht, ob wir nicht plötzlich einen Bordhund gehabt hätten…
Direkt neben uns war ein Partyfloss verankert. Am Samstagabend war dort der Bär los und wir hatten Soca-Sound bis in unser Cockpit. Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung und am Sonntagabend schwangen wir uns und alle anderen umliegenden Yachties in die Beiboote und fuhren zum Sundowner zum Floss. Dort draussen war die Lautstärke ohrenbetäubend und das Floss hat auch vor den Drinks ordentlich geschwankt. Irgendwie cool, wenn statt Autos x Beiboote auf dem «Parkplatz» angebunden sind.
Wir wollten eigentlich nach Martinique, um uns dort die Boosterimpfung zu holen und danach weiter nach St. Maarten segeln. Dort wollten wir unter anderem ein neues Beiboot kaufen, da unseres langsam Alterserscheinungen (=Lecks und versagende Klebstellen) zeigt. Die Sonne hier in der Karibik ist Gift für ein altes PVC-Boot und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihm endgültig die Puste ausgeht. Diese starke Sonneneinstrahlung halten nur Schlauchboote aus Hypalon langfristig aus. Da das Neue in unsere Davits (Beiboot-Halterung hinten am Boot) reinpassen und möglichst robust, aber trotzdem gleichzeitig so leicht wie möglich sein sollte, ist die Auswahl sehr begrenzt. Wegen Covid sind ausserdem die Lieferzeiten für neue Boote völlig unberechenbar, man muss also das nehmen was an Lager ist. Auf St. Maarten hatten sie noch ein passendes Modell an Lager. Also war klar, dass wir ziemlich zügig dorthin wollten. Aber wie so oft kommt alles anders…
Gottfried und Sandra von der MOANA lagen schon seit Weihnachten in Grenada und hatten dadurch einen guten Überblick was es dort so alles gab. Da er sich überlegte einen neuen (leichteren) Aussenborder zu kaufen, habe ich ihn gebeten auch wegen einem Beiboot für uns zu schauen. Da es dort genau unser Wunschboot (1/3 leichter als unser heutiges) und den passenden stärkeren Aussenborder gab, hat er kurzerhand beides für uns gekauft und wir unsere Pläne geändert und sind stattdessen nach Süden Richtung Grenada gesegelt.
Wenn sich jetzt jemand frägt, wieso wir auch einen Aussenborder gekauft haben: Unser 3.5 PS Modell ist bei dem Wind und Wellen an den Ankerplätzen hier etwas unterdimensioniert (wenigstens behaupte ich das immer, wenn ich Biggi auf alle die tollen schnellen Beiboote, die in Gleitfahrt an uns vorbeirauschen aufmerksam mache ;-)) Das Beiboot und der Aussenborder ist, wenn man fast nur vor Anker liegt, sowas wie ein Familienauto und da ist es natürlich schön, wenn man bei Bedarf auch grössere Strecken zügig zurücklegen kann.
Am 11. Januar sind wir von Bequia nach Union Island im Süden gesegelt. 30 Seemeilen herrlichstes Segeln. Der Wind ist hier so konstant und zuverlässig, dass man auch durch engere Passagen segeln kann, ohne Angst zu haben irgendwo abzutreiben oder aufzulaufen. Als Biggi sich etwas hinlegt hat, habe ich kurzerhand eine kleine «Abkürzung» zwischen der Insel und ein paar vorgelagerten Untiefen gemacht und bin ganz nah an Mayreau ran gesegelt. So macht das Segeln wirklich Spass!
Auf Union machten wir den für Grenada verlangten PCR Test, klarierten aus und tuckerten zur 11 Meilen entfernten Tyrell Bay auf der Nachbarinsel Carriacou, wo wir für Grenada einklarieren konnten. Der nächste Karibikstaat liegt vor uns.