Wir sind dann mal wech…

Wir sind dann mal wech…

Wir sind inzwischen schon einige Wochen unterwegs, aber mit dem Pflegen des Blogs etwas in Rückstand, also wird die Hafenzeit in l’Aber Wrac’h unter anderem dafür benutzt um das schlechte Gewissen etwas zu beruhigen 😉

Der Juni war sehr intensiv. In den ersten beiden Juniwochen haben wir alles gepackt, was mit auf’s Boot sollte. Unsere Wohnung glich am Schluss eher einem Warenlager. Am 12. Juni haben wir den Mietwagen geholt und ich (Jan) bekam meine zweite Corona-Impfung. Am 15. hat auch Biggi ihre zweite Impfung erhalten und am 16. ging es im Morgengrauen mit dem bis unters Dach gefüllten Auto los gen Norden.

Abends sind wir müde, aber glücklich neben RARE BREED gestanden und haben die vom Metallbauer gemachten Veränderungen begutachtet. Erfreulicherweise hat der Metallbauer sein Versprechen eingehalten und alle Arbeiten inkl. die Anpassung des Geräteträgers für die grösseren Sonnenzellen termingerecht ausgeführt.

In den folgenden drei Tagen haben wir von früh morgens bis spät abends ohne Pause geschuftet um den geplanten Abfahrtstermin vom 20.6 einhalten zu können.

Vorsegel anschlagen

Dass es ausgerechnet dann eine Hitzewelle von 30° hatte war einerseits schön (Ferien :-)) andererseits eine echte Mehrbelastung. Unter Deck herrschten Saunabedingungen und die Kleider waren innert kürzester Zeit pitschnass. Die neue Kleiderordnung lautete: weniger ist mehr… Dass wir schon in Norddeutschland nachts unter der Hitze ächzen würden, damit hatten wir wirklich nicht gerechnet.

An unserem Liegeplatz im Stadthafen von Neustadt/Holstein gab es weder Wasser noch Strom. Ersteres war ein bisschen blöd, weil wir so mit dem Wasser aus unserem Tank haushalten mussten. Ausserdem wurde unmittelbar neben uns ein Gebäude renoviert (also eher abgerissen), alles wurde ständig eingestaubt, was die Sache auch nicht besser gemacht hat. Das wir keinen Strom hatten, war hingegen kein Problem, denn nach dem Anschliessen lieferten die neuen Solarzellen Strom im Überfluss. Die Investition in die neuen Batterien, Solarzellen und den Inverter haben sich schnell ausgezahlt.

Volle Batterien

Am 19. Juni stand die Rückgabe unseres Mietwagens an – so sind wir am 18. losgetigert um einen, um nicht zu sagen „den“ Lebensmittelgrosseinkauf zu tätigen. Das hat sage und schreibe den ganzen Tag in Anspruch genommen! Wir kamen mit der letzten Ladung so spät zum Boot zurück, dass wir nach dem Verstauen der Frischwaren im Kühlschrank gerade noch kurz vor Küchenschliessung im Restaurant angekommen sind. Dass wir unsere sorgfältig geplante Einkaufsliste grosszügig „ignoriert“ haben, bekamen wir am nächsten Tag beim Verstauen der Einkäufe schmerzhaft zu spüren. RARE BREED’s Wasserlinie sank immer tiefer und tiefer…

Tiefer und tiefer versank auch Biggi’s Brille in der trüben Brühe des Hafenbeckens bei der abendlichen Rückkehr aufs Boot. Beim übersteigen an Bord ist ihre Brille, die sie in ihre Halskette eingehängt hatte, rausgerutscht und ausgerechnet in den schmalen Spalt zwischen Kaimauer und Bordwand gefallen… Plumps! Der Frust war natürlich gross, da es sich um eine teure und auch schöne Gleitsichtbrille handelte. Zum Glück gab es in der Nähe eine lokale Tauchschule und bereits am nächsten Nachmittag kam tatsächlich ein Taucher vorbei und hat angefangen zu suchen. Das war wohl im letzten Moment, denn die Strömung hatte die Brille schon ein paar Meter nach hinten rutschen lassen und nur noch der Bügel schaute aus dem Schlick hervor. Manchmal muss man einfach Glück haben und die 90 Euro waren gut investiertes Geld. Den tags zuvor ebenso verloren gegangenen Inbusschlüssel mussten wir abschreiben – der hatte sich wohl schon zu tief vergraben 🙂 Trotz unseres vollen Programms haben wir im Anschluss noch ein nettes Schwätzchen bei einem kühlen Bier mit dem Taucher gehalten. Er ist schon seit 30 Jahren dort als Tauchlehrer tätig und wusste viele interessante Anekdoten zu berichten.

Am Samstag haben wir den Mietwagen in Lübeck zurückgebracht und ein klein wenig Touristenprogramm durchgezogen. Wir haben das schräge Holstentor bewundert und eine leckere Lübecker Marzipantorte gekostet. 

Unseren letzten Abend haben wir erst in einem feinen griechischen Restaurant in der Nähe und zurück an Bord bei einem Gläschen Roten ausklingen lassen. Zum Sundowner konnten wir zu unserer grossen Überraschung und Freude noch ein tolles Feuerwerk geniessen – extra für uns – ähm, nein, natürlich nicht. Der Grund für das Feuerwerk war eine Hochzeit in der Nachbarschaft.

Und wenn es am schönsten ist, soll man gehen – oder wie in unserem Fall: ablegen. Pünktlich um 6 Uhr morgens am Sonntag, 20. Juni haben wir – stolz wie Hulle – die Leinen gelöst und sind aus dem Neustädter Hafen rausgetuckert. Genauso pünktlich hat sich das Hochsommerwetter verabschiedet und wir hatten auf der 66 Seemeilen langen Überfahrt nach Kiel das volle Programm – von Nieselregen bis Sonnenschein war alles dabei. Nur, guten Segelwind hatten wir keinen. Leider sollte das in den kommenden Wochen so bleiben.

Wir sind tatsächlich unterwegs!!

Das Gefühl, als wir zum (hoffentlich) letzten Mal für lange Zeit unter der Fehmarnsundbrücke gefahren sind, war unbeschreiblich! Unsere lang geplante und vorbereitete Reise hatte wirklich begonnen! Als ausgerechnet dann auch noch die Sonne rausgeguckt hat, sind wir vor Freude auf dem Deck rumgehopst. 

Im Jachthafen Stickenhörn, Kiel haben wir den Luxus vom Wasserschlauch am Steg voll ausgekostet und das ganze Schiff gründlich vom Staub aus Neustadt befreit. Am späten Nachmittag bekamen wir Besuch von Freunden aus Kiel und haben zusammen einen sehr schönen Abend verbracht.

Am Tag darauf hat es nur einmal geregnet, das dafür aber lange und ausgiebig. Die nächste Etappe sollte durch den Nord-Ostsee-Kanal gehen und da das bei Regen wenig Spass macht, haben wir spontan einen Hafentag in Kiel eingelegt. Wir erholten uns ein wenig vom Stress der letzten Tage und ausserdem konnten uns auch ein paar Freunde aus unserem Segelverein Trans-Ocean an Bord besuchen und verabschieden.

„Sonntagsfrühstück“ a Montag 🙂

Am Tag danach sind wir wieder früh los, denn der Nordostseekanal ist fast 100 km lang und wir wollten ihn in einem Tag schaffen. Der Kanal ist eine vielbefahrene Wasserstrasse und es ist immer wieder spannend, wenn man so nah an den ganz grossen Pötten kommt, etwas was man draussen auf dem Meer tunlichst vermeidet. Das Warten hat sich übrigens gelohnt, denn wir konnten die Fahrt durch den Kanal bei schönstem Sonnenwetter geniessen.

In der Schleuse Kiel Holtenau – Der westliche Zugang zum Nordostseekanal.
NOK wir kommen!

Die nächste Etappe hat uns aus der Elbe hinaus auf die Nordsee nach Helgoland geführt. Weil der angesagte Wind wieder von vorne kam, aber eher moderat sein sollte, sind wir mit dem Hochwasser gegen Mittag aus der Schleuse Brunsbüttel gefahren. Obwohl der Wind tatsächlich moderat war, hat er gegen den auslaufenden Tidenstrom geweht. Das Resultat war eine kurze und sehr unangenehme Welle, welche unserem überladenen Kat ganz und gar nicht gepasst hat. RARE BREED ist zwar mit bis zu 10 Knoten gelaufen, hat aber dabei so erbärmlich gebockt und in die Wellen geknallt, dass Biggi zum ersten Mal seekrank wurde.

Gegen 20 Uhr kamen wir – beide ziemlich erschöpft und durchnässt – auf Helgoland an. Zum Essen kochen waren wir zu müde, also sind wir an Land um etwas zu essen. Nachdem an Land alle Geschäfte schon geschlossen waren, aber wir Leute mit Pizzaschachteln gesehen haben, begaben wir uns auf dieSuche nach dem Pizzabäcker. Wenn wir gewusst hätten, dass wir (noch im Ölzeugs) den ganzen Ort durchqueren mussten um ans Ziel zu gelangen, hätten wir vermutlich darauf verzichtet. So kamen wir wenigstens zu etwas Bewegung und sind danach todmüde ins Bett gefallen.

Die nächste Etappe nach Borkum waren fast 80 Seemeilen. Dieses Mal hatten wir aber den Wind von hinten und das war eine Wohltat nach der Tortur vom Vortag. Auf dieser Strecke muss man mehrere Gebiete mit sehr viel Schiffsverkehr kreuzen und so war immer Action angesagt. Aber vor allem für Biggi natürlich sehr spannend und lehrreich zu sehen, wie man sich als langsames Segelboot einen Weg zwischen den bis zu 4 mal schnelleren Dampfern suchen kann. 

So sieht das auf der AIS Anzeige aus. Die grösseren blauen Symbole sind Berufsschiffe, Frachter usw..
Helgoland – ungewöhnliche leer.

Die letzte Etappe in deutschen Gewässern hat uns vom Borkum über die Ems Richtung Delfzijl geführt. Durch den mitlaufenden Strom sind wir natürlich wieder schnell unterwegs gewesen und haben nicht schlecht gestaunt, als die Geschwindigkeitsanzeige auf dem Kartenplotter plötzlich rot geworden ist, weil wir die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 10 Knoten überschritten haben. Schnell haben wir die Geschwindigkeit reduziert und gehofft, dass die Holländer keine Radarkontrollen auf dem Wasser durchführen.

Wir sind zu schnell!!

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4 Gedanken zu „Wir sind dann mal wech…

  1. Guten Morgen Ihr zwei Baldweltenbummler! Was für ein Abenteuer! Ich finde es total schön und sehr spannend, dass ihr diese Seite habt und ich euch so begleiten kann! DANKE EUCH VIELMALS Herzliche Grüsse (noch) über den Zürichsee! ☀️
    Daniela

  2. Hallo Jan
    Es ist schön zu hören das die Vorarbeiten ( mit Hindernisse ) so gut geklappt haben und ihr jetzt unterwegs seit. Zu neuen Abenteuer. Ich lese deine Zeilen gerne und versuche im Geist diese auch zu durchleben. Sehr schön auch deine mir gekannten Zwischentöne. Im Kommentar weiter so und genug Wasser unterm Kiel.
    Viele Grüße aus Düsseldorf dein Walter

    1. Danke für die netten Worte Walter! Liebe Grüsse aus den Kanaren. Ich melde mich mal bei dir in September, wenn ich in der Schweiz bin.
      Liebe Grüsse
      Jan

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