Au revoir Martinique
27.03. – 20.04.2022, Martinique – St. Lucia, Logstand seit Start: 5600 sm
Nach der langen Zeit in der Marina, den Reparaturen und den damit verbundenen Kosten (wir haben unser Monatsbudget glatt um 100% überschossen!) wollten wir erst mal in Ruhe ankern und unsere Bordkasse etwas schonen. Zum Glück kostet das Ankern (meistens) nichts und auch das Wandern, Schwimmen und Schnorcheln ist umsonst.
Anse Chaudiere, wo wir vor Anker lagen, ist eigentlich der südliche Teil der (Petite) Anse d’Arlet. Quer durch die Bucht kommt man zu einem kleinen verschlafenen Ort am nördlichen Teil mit einem Strand, der für seine guten Schnorchelgründe bekannt ist.
Bis auf die Gemüsehändler, eine Bäckerei, eine Polizeistation und eine Apotheke hat es hier nur einige Restaurants am Strand und ein paar Stände mit lokalen «Handwerks»-Erzeugnissen. Das ist wohl wirklich der ruhigste Ort, den wir bis jetzt gesehen haben.
Von hier aus geht auch ein Wanderweg über den Hügel zur nördlich gelegenen Grand Anse d’Arlet. Auf dem Schild stand 1,2 km 45 Minuten. 1,2 km ist ja nichts (die 45 Minuten hätten uns aber stutzig machen sollen…), also haben wir spontan entschieden die Miniwanderung zu machen. Als die wahren Tropenprofis waren wir natürlich zur grössten Mittagshitze unterwegs und da wir ja anfangs «nur» das Dörfchen anschauen wollten, hatten wir gerade mal einen halben Liter Wasser dabei – für uns beide! Der Weg hat steil angefangen und schon nach wenigen Metern waren wir recht heftig am Schnaufen, aber nach kurzer Zeit wurden wir mit einer sehr schönen Aussicht über die Bucht belohnt. Der Weg war nicht sehr gut markiert und zudem gab es immer wieder Abzweigungen. Es kam wie es kommen musste, wir haben uns prompt verlaufen und sind irgendwie immer tiefer ins Dickicht reingekommen. Als uns dann Google Maps mangels Netzes im Stich liess und auch das Wasser langsam knapp wurde, ist die Stimmung etwas angespannt geworden. «Ich habe ja immer gesagt, dass wir nicht ohne Wasser da reinlaufen sollten!»
Naja, die Tatsache, dass du dies hier lesen kannst legt die Vermutung nahe, dass wir doch irgendwann in die Zivilisation zurückgefunden haben. Anderthalb Stunden sind wir im Dickicht rumgeirrt und haben schlussendlich unseren Einstieg wiedergefunden. Das eiskalte Bier im erst besten Strandrestaurant hat göttlich geschmeckt! Und das darauffolgende über Zuckerrohr grillierte Huhn hat ebenso dazu beigetragen, dass unsere Lebensgeister bald wiederhergestellt waren.
Ein paar Tage später haben wir es dann nochmals, und zwar mit genug Wasser und früher am Morgen, probiert. Dieses Mal haben wir auch besser aufgepasst und sind nach etwa einer Stunde auf der anderen Seite angekommen. Der Weg war wirklich nicht einfach und glich teilweise einer Kletterpartie. Der Badestopp am Strand der Grand Anse d’Arlet hat uns aber für die Strapazen entschädigt.
Frisch gestärkt und erhobenen Hauptes haben wir den Rückweg angetreten. Ein Klacks, jetzt kannten wir ja den Weg… Vertieft in ein Gespräch ist Biggi plötzlich aufgefallen, dass wir an einer Stelle waren, wo wir bereits 15 Minuten vorher vorbeigelaufen sind. Wir hatten es tatsächlich geschafft wieder im Kreis zu laufen! Ich will ja nicht sagen, dass ein Anflug von Panik aufkam, aber ab dort haben wir uns wieder 100% auf die Wegmarkierungen konzentriert und sind schlussendlich heil am Einstieg angekommen. So was Blödes aber auch!
Das Wetter hatte sich inzwischen richtig gemausert und es hat nur noch selten geregnet. Also haben wir den schönen Ankerplatz in der Anse Chaudiere genutzt wieder mal draussen zu übernachten. Was soll ich sagen, ist ja romantisch, aber wenn der Luftmatratze langsam die Luft ausgeht wird es irgendwann unbequem. Aber wir haben eisern durchgehalten und sind am Morgen entsprechend gerädert aufgestanden. Ja, man wird wohl nicht jünger…
Während wir in der Anse Chaudiere lagen, haben wir zwei neue Crews kennengelernt. Ein kleiner norwegischer Kat (kleiner als unserer) mit sechs(!) Leuten an Bord. Die sind echt nett und hart im Nehmen! Eine Familie mit zwei kleinen Jungs und ein Pärchen, welches für drei Monate bei ihnen an Bord mitsegelt. Privatsphäre Fehlanzeige! Dann wurden wir von einem deutschen Pärchen per WhatsApp kontaktiert und waren zum Sundowner bei ihnen an Bord. Echt komische Typen, wir haben uns beide überhaupt nicht wohlgefühlt dort.
Das Ankern in der Anse Chaudiere (wie auch in der nächsten Bucht) war so ganz anders als man sich es hier in der Karibik normalerweise gewöhnt ist. Hier bläst der Wind immer aus östlicher Richtung, das heisst man kann davon ausgehen, dass die geankerten Boote alle in östlicher Richtung ausgerichtet sind. Wenn man einen Platz sucht muss man daher nur schauen, dass man seinen Anker etwa neben dem Boot wirft hinter dem man nachher zum Liegen kommen will. Nach dem Werfen werden 30 bis 40 m Kette rausgelassen während das Boot vom Wind nach hinten getrieben wird. Am Schluss fährt man den Anker mit dem Rückwärtsgang richtig in den Grund rein, damit er auch wirklich hält. Danach liegt man etwa drei Bootslängen hinter dem Vordermann und gut ist. So können zur Not auch ziemlich viele Boote auf engem Raum sicher ankern, wie zum Beispiel in St. Anne. In der Anse Chaudiere hat das aber überhaupt nicht funktioniert. Der Wind hat in Fallböen, die die Hügel runter «fallen», kurz, aber dafür zum Teil sehr heftig aus allen Richtungen geweht. Dazu kamen abrupte intensive Strömungswirbel, die das Boot ständig in alle Richtungen gedreht haben. Nachts ist der Wind häufig ganz eingeschlafen und so haben die Boote wegen der Strömung regelrechte Reisen in der Bucht unternommen. Manchmal war der Anker unter dem Boot und manchmal nördlich oder südlich davon. Wir haben dreimal umgeankert und auch andere mussten manchmal Hals über Kopf Ankerauf gehen, weil der Nachbar plötzlich fast auf Tuchfühlung lag. Dabei gilt die «Regel», dass der, der zuerst da ist immer das Vorrecht hat zu bleiben, alle die später kommen müssen schauen, dass sie den bereits dort liegenden Yachten nicht in den Weg kommen. Da wir insgesamt zehn Tage dort geblieben sind, waren wir bald die Alteingesessenen und konnten gelassen beobachten, wie die Neuankömmlinge völlig verdutzt realisierten, was in der Bucht an Verschiebungen abging.
Über Umwege haben wir erfahren, dass Thilo und Leonie, die den erfolgreichsten deutschen Seglerkanal «Blue Horizon» auf Youtube betreiben, eine Drohne suchen. Wir hatten im Vorfeld der Reise gedacht, dass wir auch Drohnenaufnahmen machen würden und uns zuerst eine kleine Drohne gekauft. Um Aufnahmen vom segelnden Boot machen zu können, muss die Drohne genug Power haben, um gegen den Wind anzukommen und das hatte die kleine Drohne nicht. Also wurde eine grössere «DJI Phantom IV» Drohne erstanden. Damit haben wir in der Schweiz ein paar Mal geübt, aber viel zu wenig um uns zu trauen damit über das offene Wasser zu fliegen. Also lag sie unbenutzt bei uns rum und wir hatten schon lange realisiert, dass wir nicht die Drohnenflieger werden würden und uns überlegt sie zu verkaufen. Da hat es natürlich super gepasst, dass die beiden dringend eine gebraucht haben. Der Grund dafür war übrigens, dass sie inzwischen vier(!) Drohnen ins Meer versenkt hatten. War wohl doch nicht so blöd, dem Fliegen über das offene Wasser mit dem nötigen Respekt zu begegnen.
Kurzum haben wir mit den beiden in der nächsten Bucht abgemacht und die Drohne übergeben. Abends kamen sie nochmals zum Essen zu uns an Bord. Unser Alkoholabstinenzprogramm wurde kurzfristig auf Eis gelegt und wir verlebten einen sehr feuchtfröhlichen Abend. Entsprechend mau waren wir dann am nächsten Morgen zwäg… Aber auch wir sind hart im Nehmen und schon um 9:30 Uhr todesmutig in See gestochen, um rechtzeitig in der Anse Noire anzukommen. Die knapp drei Meilen haben wir auch mit Brummschädel überstanden.
Die Anse Noire gilt als der Schnorchel-Hotspot von Martinique, ist aber so klein, dass vernünftigerweise maximal 5 Boote dort drin Platz haben. Mit uns waren es dann 10…!
Wir lagen so nahe am Steilufer, dass man schon fast rüber springen konnte.
Sind dann aber trotzdem schnorcheln gewesen und konnten prompt mit zwei Meeresschildkröten schwimmen.
Danach ging es notgedrungen weiter (dort zu übernachten war uns zu riskant) und nach einem erfolglosen Ankerversuch in Anse a L’Ane, sind wir etwas weiter in der Anse Mitan gelandet. Nach der Beschaulichkeit der letzten Woche ein regelrechter Stress – und das alles mit einem Kater.
Die Anse Mitan war ebenfalls sehr voll, aber gross genug, dass wir einen guten Platz unmittelbar vor dem Ufer, aber relativ weit weg vom Ort gefunden haben. Am Tag darauf haben wir einen Landausflug gemacht, aber der Ort hatte nur wenig Charme. Es ist eines der ersten Touristenzentren von Martinique und wirkte irgendwie künstlich.
Inzwischen stand das Wochenende vor Ostern vor der Tür und wir haben unsere Optionen bis zur Hurrikansaison diskutiert. Wir sind beide lieber vor Anker als unterwegs und geniessen es, genug Zeit zu haben einen Ort länger zu besuchen. Daher haben wir beschlossen jetzt umzukehren und den Kurs wieder Richtung Grenada abzustecken. So würden wir genug Zeit haben die Orte zu besuchen, die wir auf dem Weg nach Norden ausgelassen haben. Erster Zwischenstopp sollte St. Anne werden, dort wollten wir grosse Wäsche machen und auch unsere Frischwarenvorräte nochmals aufstocken, bevor es wieder zu den englischen Inseln gehen würde. Auf dem Weg sind wir wieder an der Anse Noire vorbeigekommen und als wir sahen, dass dort nur drei Schiffe lagen und ein guter Platz in der Mitte der Bucht noch frei war, haben wir spontan umentschieden und uns dorthin gelegt.
Wir blieben schlussendlich drei Nächte und haben ausgiebig geschnorchelt. Hier hat Biggi auch zum ersten Mal mit dem Abtauchen angefangen. Ist wohl gar nicht so einfach, wenn man es vorher nie probiert hat. Wir mussten beide herzhaft lachen, als sie einfach nicht runterkam und immer wieder wie ein Korken hochgeploppt ist. Sie sah dann ein klein wenig wie eine auf dem Kopf stehende Ente aus. Aber sie hat nicht lockergelassen und irgendwann war der Dreh dann draussen und Biggi unten am Grund.
Während wir in der Anse Noire lagen, wurden wir von Thilo und Leonie angeschrieben. Ihr alter Aussenborder hätte endgültig den Geist aufgegeben und wir hätten doch noch einen kleinen 3.5 PS Aussenborder, den wir loswerden wollten?
Demzufolge haben wir auf dem Weg zurück nach St. Anne nochmals einen kurzen Stopp in der Grande Anse d’Arlet gemacht und Thilo und Leonie auch noch unseren kleinen Aussenborder übergeben. Biggi ist dabei zum ersten Mal ein Anlegemanöver längsseits an ein anderes Schiff gefahren. Da das Boot von Thilo und Leonie an einer Boje hing und sich immer leicht gedreht hat, war das nicht ganz einfach, hat jedoch gut geklappt.
Zurück in St. Anne haben wir die Tage vor Ostern zum Einkaufen genutzt. Da wir nicht während der Feiertage an unserem nächsten Ziel St. Lucia ankommen wollten, haben wir entschieden erst nach Ostern hier Auszuklarieren und am Mittwoch nach St. Lucia zu segeln.
Am Ostersamstag haben wir nochmals die Wanderung zu den verschiedenen Stränden südlich von St. Anne gemacht. Unterwegs sind wir an regelrechten Zeltdörfern vorbeigekommen. Ein Teil der Lokalbevölkerung hat offenbar die Ostertage im Zelt am Strand verbracht. Dabei waren die halben Hausstände mitgekommen und richtige Freiluftküchen und Partytische usw. aufgebaut worden. Mit kleinen Generatoren wurde der Strom für’s Licht und die überall laut aufgedrehten Musikanlagen erzeugt. Kaum war man ein paar hundert Meter vom nächsten Parkplatz weg, wurde es aber wieder still und (fast) menschenleer. So konnten wir einen lauschigen Strandtag in der Petit Anse des Salines geniessen.
Zwei ereignisreiche Monate in Martinique liegen hinter uns: Shoppingcenter besucht und im Stau gestanden, viele schöne Ausflüge und Wanderungen gemacht, (zu) viele Croissants und Pain au Chocolat gegessen, sehr schöne Strände besucht und Schnorchelausflüge gemacht, (zu) wenig gesegelt, (viel zu) viele Reparaturen gemacht und Zeit in der Marina verbracht und – nicht zu vergessen – einen Zahn ziehen lassen.
Am 20. April haben wir Martinique verlassen. Das Ziel Rodney Bay auf St. Lucia liegt ca. 23 sm weiter im Süden. Zum ersten Mal nach dieser langen Zeit sind wir wieder über offenes Wasser gesegelt. Und wie! Der Wind war mit 20 bis 23 Knoten frisch und kam von der Seite, das heisst der schnellstmögliche Kurs zum Wind. Und schnell waren wir, mit etwas Unterstützung durch die hereinrollende Atlantikdünung kamen wir in Spitzen auf 10 Knoten Speed und das Speedometer pendelte die meiste Zeit zwischen 7 und 8 Knoten. Das war eine wahre Rauschefahrt mit dem zugehörigen Geschaukel und einer richtig heftigen Salzwasserdusche, als eine Welle voll gegen die Seite vom Boot klatschte und sich über das Cockpit ergoss. Da blieb kein Fleckchen trocken. Besonders schön – Biggi wurde es trotz des Geschaukels nie schlecht.
Nach den Hunderten von Booten in der Bucht vor St. Anne war es eine Wohltat in der Rodney Bay anzukommen und gerade mal 15 Boote vorzufinden. Platz a gogo zum Ankern.
Nach dem Aufklaren vom Boot und einem Mittagessen ging es zu den Behörden an Land um Einzuklarieren. Zuerst zum Health Check, drei Formulare, danach zum Customs, sechs(!) Formulare, und schliesslich zur Immigration, nochmals zwei Formulare. Dass überall das Gleiche ausgefüllt werden muss und dass wir zwei Tage vorher von Martinique aus alles schon elektronisch eingegeben hatten, tat nichts zur Sache. Vor Ort muss man trotzdem dieselben Angaben wieder x-Mal machen. Ausser als Arbeitsbeschaffung kann ich mir nicht vorstellen wozu das alles gut sein soll? Aber es waren alle zuständigen Personen nett und aufgestellt und am Schluss bekamen wir Armbänder angelegt, die uns berechtigen überall ohne Zertifikat reinzukommen. Ein bisschen kommen wir uns wie Gäste in einem «All-Inclusive»-Resort vor.