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Schlagwort: Kuna Yala

San Blas – Eine Insel für jeden Tag im Jahr

San Blas – Eine Insel für jeden Tag im Jahr

24.12.2023 – 19.01.2024, San Blas, Logstand seit Start 8’156 sm

Wir sind nun seit kurz vor Weihnachten in San Blas bzw. Kuna Yala (oder Guna Yala) wie die Indianer ihr Territorium lieber nennen. Die Guna- (oder Kuna-, beide Schreibweisen scheinen OK zu sein) Indianer verwalten dieses Gebiet mehrheitlich autonom, obwohl es eigentlich zu Panama gehört. Das führt dann auch zu einem etwas kuriosen Anmeldeprozedere, da beide „Nationen“ ihre Administration haben. Nachdem man es verstanden und alles korrekt gemacht hat, ist man frei ein wahrhaft traumhaftes Inselparadies zu erkunden.

Porvenir, die „Einklarierungsinsel“. Sogar mit richtigen Telefonzellen!
Das grösste Bauwerk auf Porvenir ist diese Landebahn, die aus Korallenblöcken vom Riff aufgeschüttet ist. Sie bedeckt die ganze Insel, ist aber nicht gerade in einem vertrauenserweckendem Zustand…
Die Regeln an die man sich in San Blas halten soll und die Tarife für die Segelerlaubnis

Dieses Gebiet umfasst fast 365 kleine bis sehr kleine Inseln unweit des Panamaischen Festlandes und erstreckt sich von der Kolumbianischen Grenze bis nach Colon. Das dahinterliegende Festland ist der „Darien“ und ist meistenteils völlig unwegsames Dschungelgebiet. In dieser Inselwelt gibt es eine Vielzahl von Ankerplätzen, wie man sie aus Ferienprospekten kennt – ausser, dass es keinerlei Infrastruktur hat. Lass alles weg, was wir so als selbstverständlich kennen und du bekommst eine Vorstellung davon wie es hier ist. Hier gibt es keine Autos – und daher natürlich auch keine Verkehrsstaus – nicht mal Roller sieht man hier. Es gibt hier schlichtweg gar keine Fahrzeuge oder ausgebaute Strassen. Das braucht es gar nicht, denn die Inseln sind so klein, dass man sie locker zu Fuss umrunden kann – manchmal in weniger als 10 Minuten. Schuhe braucht man übrigens auch keine, denn meistens läuft man barfuss entlang den Sandstränden oder über von Hand angelegte Pfade auf den Inseln, wo es anscheinend keine stacheligen Pflanzen gibt.

Eine typische Kuna Hütte, welche innen erstaunlich kühl ist
Wer Schuhe trägt ist over dressed:-)

Ausser auf ganz wenigen Inseln nahe am Festland gibt es nirgends Strom oder fliessend Wasser. Auch Häuser sucht man vergebens, die meisten Behausungen sind aus Holz, Bambus und Palmwedeln gemacht. Als Boden dient ein Erdboden und auch Möbel sind unbekannt – ein paar Hängematten und grob zusammengezimmerte Holzbänke ist alles was es braucht. Apropos brauchen – es gibt hier auch keine Supermärkte, auf den allermeisten Inseln gibt es nicht mal einen kleinen Laden. Es gibt einfach nichts zu kaufen. Wir gehen davon aus, dass der Januar 2024 der billigste Monat unsere bisherigen Reise sein wird. Auch mal gut.

Wie in den Ferien 🙂

Viele der Kleinstinseln sind trotzdem bewohnt, wenn auch nur von einer Familie. Alles was sie vom Festland benötigen, wird mit kleinen offenen Motorbooten oder sogar mit von Hand gepaddelten Einbäumen gebracht. Denn ausser Fisch und Kokosnüssen gibt es auf den Inseln nichts, nicht mal Trinkwasser! Abends gehen manchenorts ein paar vereinzelte Solarlampen an. Manchmal hört man einen kleinen Benzingenerator surren, aber meistens ist es dunkel und still. Das einzige Geräusch was immer zu hören ist, ist die Brandung auf den vorgelagerten Riffen – ein ewiges Rauschen und Grollen, das niemals aufhört.

Coco Bandero: Die Insel im linken Bild ist tatsächlich von einer Familie bewohnt. Ihre Hütte nimmt einen grossen Teil der Insel ein.
Green Island, hinter der Insel ist das Riff, wo die Brandung nie aufhört.

Mehr als einmal werden wir von den Kunas nach Wasser gefragt, was wir ihnen selbstverständlich gerne geben. Einen eigenen Wassermacher zu haben ist hier ein wahrer Segen. Aber um den zu betreiben braucht man Energie was hier ebenfalls Mangelware ist. Obwohl wir es mit eigenen Augen sehen, ist es schwer zu verstehen, wie die Leute in so einfachen Verhältnissen leben können und trotzdem sehr zufrieden und glücklich wirken. Wie anders sind wir doch, die wir denken ohne all diesen Luxus nicht auskommen zu können? Solche Erlebnisse stimmen nachdenklich und führen uns wieder einmal vor Augen, wie unendlich privilegiert wir sind.

Ein Einbaum „Cayuco“ vor den ankernden Yachten. Zwei Welten prallen aufeinander.
Gemeinsames Feuer und Fischgrillen am Strand in Bandedup

Etwas was hier auch komplett „fehlt“ ist Kriminalität. Die Kunas sind extrem friedlich, freundlich und unaufdringlich und wir haben uns selten irgendwo so sicher gefühlt, wie hier. So wie es scheint ist die Kunagesellschaft in dieser Hinsicht selbstregulierend und Verstösse gegen ihre Ordnung werden intern vom Ältestenrat im „Congresso“ beraten und gegebenenfalls Massnahmen zur Wiedergutmachung verhängt. Obwohl es inzwischen einige Hundert Yachten hier hat, ist seit Jahren kein einziger Fall von einem Diebstahl bekannt.

Auf einigen Inseln haben die Kunas einfache Strandbars oder Restaurants eröffnet, die von den Yachties gerne besucht werden. So auch auf Banedup, eine Insel, vor der wir einige Tage lagen. Die Strandbar wird abends zum Treffpunkt und auch wir besuchen sie gerne. Eines Abends wollen wir wieder zur Strandbar fahren als wir feststellen, dass unser Portemonnaie fehlt. Schnell wird uns klar, dass wir es am Vorabend in der Bar haben liegen lassen (Man soll seine Sachen IMMER sofort einpacken…). Kaum dort angekommen, werde ich von der Barbetreiberin, eine ältere Kuna freundlich angelächelt und mit einem „Billetera?“ begrüsst. Auf mein aufgeregtes „Si, Si!“ bekomme ich unseren Geldbeutel ausgehändigt – inkl. des gesamten Inhalts! Es wurde nichts rausgenommen, vermutlich haben sie nicht mal reingeschaut. Selbstredend, bekommt sie einen grosszügigen Finderlohn.

Besuch in der Beachbar, wo wir unser Portemonnaie vergessen haben mit den Crews der CATHERINE (NL), ELIN (SWE) und ODINE (D).
Drei Blondinen an der Bar. 🙂

Die Strecken zwischen den Ankerplätzen sind hier schon fast absurd kurz, oft weniger als 5 Seemeilen. Bei diesen Abständen lohnt sich das Segeln nicht wirklich. Das liegt jetzt weniger an unserer (zugegeben) ausgeprägten Faulheit, sondern daran, dass wir unsere Motoren nur dann anstellen, wenn wir das Boot bewegen. Viele andere benutzen ihre Maschinen um die Batterien zu laden. Das haben wir mit genügend Solarzellen bewusst anders gelöst, weil es ziemlich ineffizient ist, einen grossen Dieselmotor laufen zu lassen nur um die Batterien zu laden. Im Gegenzug schauen wir, dass unsere Maschinen – wenn sie denn gebraucht werden – auch richtig warm werden. Da ist es sinnlos die Motoren sofort nach dem Anker heben wieder abzustellen, 4 Meilen zu segeln und sie dann wieder anzustellen. So mutiert RARE BREED hier ein wenig zum Motorboot.

Links was wir im Dezember gesegelt sind. Die Strecke im rechten Bild ist was wir seither hier in San Blas gemacht haben und umfasst gerade mal 50 sm…
Gemütliche Kurztörns von Insel zu Insel
Obwohl wir jedes Mal unseren Köder baden, hat hier bis jetzt noch nichts angebissen. Übrigens ist diese günstige Handleine viel einfacher und effizienter als die teure Angelrute mit Rolle… wenn dann mal einer anbeisst.

Die Ankerplätze die wir aufsuchen sind oft wirklich im Niemandsland, wo es ausser unbewohnten Palmeninseln (für Strandspaziergänge und vielleicht ein abendliches Strandfeuer) und Riffe (zum Schnorcheln) nichts gibt.

Vor Anker in der kleinen Lagune bei Esnadup

Manchmal kommen ein paar Kunas in einem Cayuco (Einbaum) angepaddelt und bieten Fisch, Krabben oder Lobster an. Alles zu sehr moderaten Preisen. Ab und zu kaufen wir ihnen etwas ab, denn so können sie etwas dazu verdienen und wir haben dafür etwas Besonderes zum Abendessen. So bekommen wir z.B. im Coco Bandero Atoll eine grosse Krabbe angeboten. Erst nachdem wir mit der Krabbe alleine sind und uns überlegen, wie wir das Riesenvieh zubereiten sollen, wird uns klar, dass es sich um eine Königskrabbe (auch Monsterkrabbe genannt) handelt. Diese Krabben sollen anscheinend eine heiss begehrte Delikatesse sein. Uns schmeckt sie auf jeden Fall sehr gut und die fünf(!!) Dollar, die wir dafür bezahlt haben stehen in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Wert. Das wissen wohl auch die Kunas nicht, denn die Lobster (Hummer) werden üblicherweise für den dreifachen Preis angeboten, was aber immer noch sehr moderat ist. Bisher haben wir erst einmal einen Lobster gekauft, denn meistens sind die angebotenen Tiere viel zu klein und hätten gar nicht erst gefangen werden dürfen. Leider hält sich niemand an diese Regeln, aber wir wollen es wenigstens nicht noch fördern indem wir solche Babylobster kaufen.

Regelmässig kommen fliegende (oder eher schwimmende) Händler mit ihren Booten vorbei und bieten Gemüse, Früchte, Eier und manchmal auch Bier, Wein, Softdrinks, Benzin und sogar ganze Hühner inkl. Kopf und Füsse an. Da es die einzige Einkaufsmöglichkeit ist, wird dieser Service von den Yachties sehr geschätzt.

Manchmal ist das Gemüseboot am Strand…
… und manchmal kommen sie direkt zum Boot.

Das Schnorcheln ist hier schon anders als in der östlichen Karibik. Das Wasser ist oft nicht wirklich klar, da die Flüsse vom Festland Sediment bis zu den Inseln raustragen. Die Riffe sind mit vielen Weichkorallen oft in einem besseren Zustand und man sieht hier öfter mal grössere Spezies wie Adlerrochen und Ammenhaie. Fische sieht man leider wenig, was uns wundert und traurig stimmt. Die Befischung ist wohl auch hier zu stark.

Anscheinend soll es hier auch Bullen- und Zitronenhaie und sogar vereinzelte Krokodile geben, von dem wir bisher (zum Glück) keine gesehen haben. Die beiden grossen Ammenhaie, die in Coco Bandero immer wieder um unser Boot schwimmen, sind für Biggi schon Grund genug auf’s Schnorcheln zu verzichten. Ich hätte wohl besser nichts gesagt, als ich die Tiere unter dem Boot entdecke just in dem Moment wo sie sich zum Schnorcheln bereit macht…

Neugierige Ammenhaie am Heck von RARE BREED

Ein Ankerplatz wird der „Hot Tub“ genannt. Es ist eine Art Pool zwischen den Riffen. Da das Wasser zuerst relativ weit über das flache Riff strömt, wärmt es sich entsprechend in der Sonne auf. Leider kann man dort aber gar nicht ins Wasser, da es mit einer Strömung von etwa drei Konten durch den Ankerplatz „düst“. Ich wundere mich noch, dass RARE BREED beim Ankern so schnell nach hinten treibt. Als wir dann still liegen gurgelt es von der Wasserströmung am Heck, wie wenn wir noch segeln würden. Wer da unvorbereitet ins Wasser springt (z.B. um den Anker zu kontrollieren) findet sich urplötzlich weit hinter dem Boot ohne Chance selbst zurück zu kommen… Unangenehme Vorstellung…

Die Einfahrt in den Hot Tub zwischen den Riffen. Wenn man hier nicht ganz vorsichtig und genau navigiert kann man ganz schnell in Schwierigkeiten geraten.
Die Reste einer Yacht, die auf ein Riff aufgelaufen ist…

Unser SUP hat sich hier leider auch „in Luft aufgelöst“. Plötzlich macht es draussen ein lautes „Pffsschhh“ und das prall aufgeblasene SUP verwandelt sich in eine runzelige Wurst. Eine Reparatur ist zwecklos, denn die Klebenähte weisen an viel zu vielen Stellen Ablöseerscheinungen auf. Gerade mal zwei Jahre alt und schon futsch, obwohl es die meiste Zeit unter Deck in seinem Sack verbracht hat – das ist ärgerlich. Getreu dem Motto „Jeder Schaden hat auch sein Gutes“ wird die Aufnahme für die kleine Finne unten am SUP weggeschnitten und stattdessen an „Pinky“, unserem kleinen Kajak aus Grenada geklebt, damit das Ding endlich einen etwas besseren Geradeauslauf bekommt. Doof nur, dass wir erst nach dem Ankleben merken, dass wir die Aufnahme 180 Grad verkehrt herum angebracht haben – jetzt schaut die Finne halt nach vorne statt nach hinten. Shit happens…

Nicht ganz so wie wir uns das vorgestellt hatten…

Gewisse Ankerplätze sind regelrechte „Cruiser-Hot Spots“, wo es eine Strandbar oder vielleicht sogar ein kleines Restaurant hat. Nach ein paar Tagen Robinsonleben ist es manchmal ganz schön wieder andere Yachties zu treffen. Von den Booten, die wir in Curaçao kennen gelernt haben, sind noch einige hier und daneben haben wir hier auch ein paar neue Freunde gewonnen. Über WhatsApp tauscht man sich aus und schaut, dass man sich immer wieder irgendwo trifft. „Isla Banedup“ in den Cayos Holandeses ist so ein Ort. Dort gibt es Ibin’s Restaurant, eine rustikale aus Holzbrettern zusammengebastelte Hütte am Strand bzw. über dem Wasser.

Gekocht wird auf uralten Gasherden, abgewaschen mit Meerwasser (es gibt auf Banedup kein fliessend Wasser) und der Kühlschrank und das Licht wird von Sonnenzellen und einem kleinen Benzingenerator mit Energie versorgt. Eine Speisekarte gibt es nicht, denn gekocht wird, was jeweils gerade verfügbar ist und das ist was Elmer, der Besitzer vom Gemüseboot, in Panama bekommen und was die anderen Kunas im Meer fangen konnten. Auf den ersten Blick würde man dort bestenfalls einfachstes Essen erwarten, aber weit gefehlt! Ibin (ebenfalls ein Kuna) ist ausgebildeter Koch und hat früher in wirklich guten Restaurants gearbeitet. Was er mit diesen begrenzten Mitteln auf den Teller zaubert grenzt schon bald an ein Wunder! Hier verbringen wir auch Weihnachten und geniessen zusammen mit vielen Freunden ein hervorragendes, wenn auch etwas ungewohntes, Weihnachtsdinner.

Weihnachtsdinner am 25. Dezember 2023 mit den Crews von KUJIRA (NZL) und CATHERINE (NL)
Natürlich besuchen wir Ibin nochmals. Auch seine Pizzen sind sensationell!
Silvester verbringen wir auf einem einsamen Ankerplatz in Waisaladup, weil wir dem Rummel in Banedup aus dem Weg gehen wollen
Ein feines Silvestermenu à la Biggi: Panierte Auberginenscheiben mit Kartoffelgratin und einen kühlen Weisswein – Lecker!

Jeder, der schon eine Zeit in den San Blas ist, kennt die „Molas“. Das sind bunte von Hand bestickte Vierecke aus mehreren Stofflagen. Ursprünglich dienten sie als Schmuck auf den Vorder- und Rückseiten auf den Blusen der Frauen. Inzwischen werden sie vor allem als kunstvolle Souvenirs verkauft. Sie sind allesamt sehr schön anzuschauen und haben verschiedene Muster mit Tier- oder Pflanzenmotiven, geometrische Muster oder spirituelle Symbole. Die Qualitätsunterschiede sind erst beim genauen Hinschauen zu entdecken. Die „einfacheren“ Molas werden für USD 15-20.- gehandelt, es gibt aber durchaus solche, die 100.- oder mehr kosten.

„Touristen-Molas“ in Porvenir

In Waisaladup in den westlichen Cayos Holandeses kommt Venacio, ein etwa 70-jähriger Kuna zu uns ans Boot um Molas zu verkaufen. Anfänglich lehnen wir dankend ab, da wir ein paar Tage zuvor zwei (in unseren Augen) schöne Molas erstanden hatten. Aber Venacio gibt so leicht nicht auf. Er hat eine verschmitzte und doch überzeugende Art, spricht ein wenig Englisch und so dauert es nicht lange bis er bei uns im Cockpit sitzt und seine Schätze ausbreitet. Was folgt ist eine ca. zweistündige „Mola-Ausbildung“ und nach und nach kommen immer teurere und tatsächlich auch wirklich viel aufwändigere Molas zum Vorschein. Es kommt wie es kommen muss – am Schluss kaufen wir ihm doch zwei Molas ab und zwar für USD 180.- (!!) Das nenne ich einen super Verkäufer! Aber wir müssen wirklich zugeben, dass diese beiden Molas in einer ganz anderen Liga als die ersten beiden sind, die wir vorher erstanden haben. Diese Molas sind bis ins Detail haargenau gefertigt und eine wahre Pracht zum Anschauen. Im nachfolgenden Gespräch (mit unseren begrenzten Spanischkenntnissen teilweise ziemlich holperig) versucht Venacio uns einige Brocken der Kuna-Sprache beizubringen. Alles in allem ein teurer, aber doch sehr lehrreicher und vergnüglicher Nachmittag.

Detailaufnahme einer richtig guten Mola. Das ist alles von Hand genäht.

Ein Wermutstropfen bleibt aber. Obwohl so abgelegen und von der Zivilisation unberührt, sind die San Blas Inseln leider von Plastikabfall übersäht. Dabei ist es kein selbergemachtes Problem, sondern die Tatsache, dass die Riffe und Inseln der San Blas wind- und strömungstechnisch gesehen „am Ende“ vom Karibischen Meer liegen. Hier wird täglich neuer Plastikabfall angeschwemmt. Die Strände sind von Petflaschen, Crocs, Flipflops, Styropor, Plastiksäcken, Rucksäcken und sonstigem Müll übersäht. Es sind unvorstellbare Mengen, die hier rumliegen und es kommt täglich Neues hinzu. Anfänglich sammeln wir es noch ein, aber nachdem es keine Möglichkeit gibt, es hier los zu werden müssen wir schweren Herzens damit aufhören. Wenn man das sieht fällt es einem sehr schwer daran zu glauben, dass unser Planet nicht im Müll ersticken wird.

PET Flaschen, Crocs und anderen (Plastik-)Müll ist leider auf allen Inseln zu sehen.

Um dem beschaulichen Leben hier etwas entgegen zu setzen, haben wir wieder angefangen jeden Morgen Sport zu machen. Das ist auch bitter nötig, denn ausser ein paar Strandspaziergängen und etwas Schnorcheln bewegen wir uns viel zu wenig. Im Heimaturlaub haben wir ausserdem beide (wen wundert‘s…) ein paar Pfunde zugelegt, also muss etwas gemacht werden. Mit der Wiederaufnahme vom 16/8 Speiseplan und dem Sport, merken wir langsam erste Ergebnisse. Yess! Ein positiver Nebeneffekt ist, dass wir wegen 16/8 tatsächlich weniger essen und unsere Vorräte an Frischwaren länger herhalten. Das ist etwas was hier durchaus von Vorteil ist. Unsere Gefriertruhe, die wir letzten Frühling in St. Martin gekauft haben, wird plötzlich zum richtigen Luxusgut. So haben wir immer noch Fleisch vom Thunfisch eingefroren, den wir auf dem Weg hierher gefangen haben.

Die Regentage nutzen wir, um kleinere Arbeiten an Bord zu erledigen.
Unsere nicht mehr benötigten Sonnenschütze der vorderen Fenster werden zu seitlichen Schattenspendern im Cockpit – „Up Cycling Projekt 1“
Die Gurtbandrolle für den Heckanker bekommt einen Sonnenschutz aus Stoffresten.- „Up Cycling Projekt 2“
Und wenn es schön ist, machen wir Strandspaziergänge
Besuch auf Tiadup, einer Insel die am Verschwinden ist. Vor ein paar Jahren standen hier noch ausgewachsene Palmen. Jetzt sieht man die Strünke noch im Wasser. Der steigende Wasserspiegel ist auch in den San Blas ein Riesenproblem und die Inseln schrumpfen immer weiter, bis sie irgendwann einfach verschwinden bzw. noch als Untiefe in der Seekarte stehen.
Nächtlicher Besucher
Der Katamaran „SIRIUS 2“ fängt die Sonne ein

Die ruhigen Tage hier in den San Blas geniessen wir ganz bewusst, denn danach wird es mit grösseren Segelstrecken losgehen. Wenn die Planung aufgeht wollen wir Mitte März durch den Panamakanal gehen und dann liegt das grösste Meer der Welt – der Pazifik – vor uns. Dann ist für lange Zeit nichts mehr mit kurzen Tagestörns.

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Ein Wetterfenster zu Weihnachten

Ein Wetterfenster zu Weihnachten

29.11. – 23.12.2023, Curaçao – San Blas, Logstand seit Start 8103 sm

Die beiden Wochen nach unserer Rückkehr aus Europa haben wir in der Marina in Curaçao verbracht. Einerseits, weil wir noch zwei Sachen am Boot machen mussten, für die wir gerne externe Hilfe in Anspruch genommen haben und andererseits, weil die Gemeinschaft unter den Seglern dort so angenehm war.

Einige Projekte, wie diese Dieselfilteranlage haben wir so nebenher gemacht
Unser Bordgecko auf Aussenmission

Projekt 1: Neues UKW Kabel in den Mast einziehen

Geschätzter Zeitaufwand: 1 Stunde… Wir hatten bemerkt, dass unser UKW und AIS Empfang, welche beide von der gleichen Antenne im Masttopp abhängen, immer schlechter wurden. Die Antenne hatten wir vor einem Jahr in Grenada schon erneuert, aber das Kabel im Mast war so alt wie das Boot. Das neue Kabel hatten wir aus Deutschland mitsamt zugehörigem Spezialstecker mitgebracht. Die Bedienungsanleitung für den Steckerzusammenbau entsprach leider nicht dem Modell, welches wir hatten. Zum Glück gibt es für fast Alles Instruktionsvideos auf YouTube…

Zusammen mit Uwe von der LUWINA, versuchen wir uns schlau zu machen, wie der Stecker zu löten ist

Das neue Kabel war ausserdem etwa doppelt so dick wie das alte, entsprechend schwierig war es dann auch, es durch die Löcher im Mast zu bekommen. Das alte Kabel wurde oben im Masttopp mit dem neuen mittels Schnur und extrastarkem Klebeband verbunden. Der Rigger hing oben im Masttopp und fütterte das Kabel Zentimeter um Zentimeter rein während ich unten am Mastfuss am alten Kabel gezogen habe. Es ging alles gut, bis wir mit dem neuen (dickeren) Kabel durchs kleine Loch unten im Mast mussten. Die Verbindung hielt den Belastungen nicht stand und ich sass plötzlich mit dem abgerissenen Ende vom alten Kabel da und das neue war unerreichbar im Mast drin! Typisch Bootsarbeiten: Wie aus einer stündigen Arbeit plötzlich deren drei werden. Nachdem wir mit einem Endoskop (ja, haben wir tatsächlich an Bord!) das neue Kabel im Mast drin identifiziert hatten konnte ich ein neues grösseres Loch oberhalb vom alten bohren und irgendwann war das Werk dann vollendet.

Oben schieben, unten ziehen.
Neues Loch im Mast und das fertig gesicherte Kabel
Der zweite Stecker (für die Montage unten im Boot drin) ging dann ganz fix.

Projekt 2: Abdichten vom Plexiglasdom über dem Niedergang

Geschätzter Zeitaufwand: 1 Stunde… Da der „Klebefuzzi“ nach dem ersten Augenschein erst wieder nach gut einer Woche an Bord aufgetaucht ist, war die Zeitplanung mal wieder im Eimer. Leider war nur eine Art Notreparatur möglich indem von aussen und innen neue Klebenähte gelegt wurden. Ich hätte den Dom am liebsten ganz ausgebaut und komplett neu verklebt. Aber das Risiko, dass der selbige dabei beschädigt wird, war einfach zu gross. Ein Ersatz des in zwei Ebenen gewölbten Doms wäre auf Curaçao nicht aufzutreiben bzw. herzustellen gewesen. Hoffen wir, dass der Spezialkleber so gut hält, wie es auf der Verpackung versprochen wird…

Dies ging natürlich – wir sind in der Karibik – alles viel länger als geplant und plötzlich waren wir schon zwei Wochen in der Marina. Das war (abgesehen von den lästigen Stechmücken dort) gar nicht so schlimm, denn die bunte Mischung aus Seglern, die fast alle ihr Boot auf den Pazifik vorbereiteten, war wohltuend anders als die, die wir bis jetzt in der Karibik oft getroffen hatten. In der östlichen Karibik waren viele grosse Katamarane mit wohlhabenden Amis oder Kanadiern, die zwar auch nett waren, aber sich mehr für die sozialen Anlässe als fürs Segeln interessierten. Es waren oft Rentner, die das Winterhalbjahr auf ihren Booten in der Karibik verbrachten, kurze Tagestörns zwischen den Inseln machten und das Sommerhalbjahr zuhause bei den Enkeln verbrachten. Ein längerer Schlag war nie vorgesehen und die Segelerfahrung der Skipper, die ihre Boote zum Teil in der Karibik gekauft hatten war zum Teil erschreckend gering.

Hier in Curaçao, 400 sm westlicher als die kleinen Antillen waren nur diejenigen, die entweder in den Pazifik wollten, oder den Aufwand auf sich nahmen die langen und anspruchsvollen Strecken quer über das Karibische Meer zu den grossen Antillen Inseln zu segeln. Es waren oft ältere und manchmal auch kleinere Boote, wir waren der einzige Katamaran in der Runde. Die Segler wirkten entspannter und die Gespräche drehten sich um Themen wie Reparaturen, Segelrouten, Proviantierung usw. Alle hatten etwas zum Reparieren an ihren Booten und man half sich gegenseitig. Abend sass man häufig in der „Palapa“, eine gedeckte Hütte mit einer Grillstelle, zusammen und hat gemeinsam gegrillt und gequatscht.

Einer der Segler, Moritz, ein Deutscher aus der Schweiz, hatte seine alte Segelyacht an Land und zudem ein kleines Auto gemietet. Dieses Auto hat er freundlicherweise jedem ausgeliehen, der etwas besorgen musste – und das waren viele! Das Auto bekam schnell den Namen „Die Werftschlampe – jeder darf bei ihr auf- (bzw. ein-) steigen!“

Die „Werftschlampe“ haben wir auch benutzen dürfen um Gas zu holen. Der Minibus Fahrer war wohl kein Fan vom übermässigen Autowaschen…
Auch im Baumarkt weihnachtet es sehr…

Gerne haben wir uns bei Moritz erkenntlich gezeigt und neben einigen Spaghetti Essen bei uns an Bord konnte er mit unserer starken Winkelbohrmaschine zwei grosse Löcher in seinen Edelstahltank bohren. Win-win Situation.

Abendlicher Ausflug nach Willemstad mit Moritz
Die Floating Bridge im Weihnachtskleid

Gegen Mitte der zweiten Woche kam bei vielen die Aufbruchsstimmung auf. Es kündigte sich ein Wetterfenster für die Strecke von Curaçao nach Panama an. Diese Strecke ist bei Seglern berühmt berüchtigt und am ehesten mit der Biskaya im Atlantik zu vergleichen. Jeder wusste eine Story zu erzählen, wie Leute auf dieser Strecke „gehämmert“ worden sind. Der Grund für diese Sorgen ist sehr berechtigt, denn die Passatwinde sind um diese Jahreszeit (Christmas Winds) meistens sehr stark und der Seegang kann sich auf einer Strecke von knapp 1000 sm über die offene See zu gewaltigen Höhen aufbauen. Dazu kommt der Kontinentalschelf vor der Küste von Kolumbien, der (wie in der Biskaya) die Wellen noch höher werden lässt. Von Curaçao sind es ca. 650 sm bis Panama, eine Strecke, die – je nach Boot – vier bis fünf Tage dauert.

Die Route von Curaçao nach Panama führt in einem weiten Bogen durch die Karibische See

Das Wetterfenster versprach eine Periode von 3-4 Tagen mit schwachen bis moderaten Winden und eine starke mitlaufende Strömung. Besser als so kann es hier eigentlich nicht werden. Also haben wir uns auch Gedanken gemacht, ob wir nicht doch jetzt schon gehen wollten… Ich hatte diese Strecke vor 30 Jahren schon mal gemacht und wusste was auf uns zukommen könnte und wollte Biggi mit ihrer Anfälligkeit für Seekrankheit nicht unnötig leiden lassen. Also statt nochmal zurück nach Spanish Water und Weihnachten auf Curaçao zu verbringen und danach nach Kolumbien zu gehen, haben wir entschieden, jetzt sofort die ganze Strecke nach Panama in einem Rutsch zu machen. Und damit haben wir wieder einmal unsere Pläne selber umgekrempelt.

Moritz hilft beim Ablegen. Ein letztes Mal unter der Konigin Julianabrug durch

Der Exodus aus der Marina war eindrücklich. Es sind insgesamt sechs Boote mehr oder weniger zusammen aufgebrochen. Am Freitag den 15.12. haben wir die Marina verlassen und sind die 20 sm zu einer Bucht namens Santa Krus im Nordwesten von Curaçao gesegelt.

Dort habe ich die Propeller und Rümpfe nach der langen Liegezeit in der Marina gereinigt, während Biggi Essen für die nächsten Tage vorgekocht hat.

Auf dem Weg in die Bucht ist unser Garmin InReach-Gerät ausgestiegen bzw. gar nicht erst angesprungen. Das Gerät dient zwei Zwecken. In erster Linie ist es ein Satellitenkommunikationsgerät mit dem wir SMS und Emails via dem Iridium Satellitennetzwerk verschicken können – im Notfall auch von der Rettungsinsel aus, da es eine eingebaute Batterie hat und wasserdicht ist. Zweitens schickt es alle 30 Minuten auch via den Iridiumsatelliten eine Positionsangabe zu Garmin, mit der jeder unsere aktuelle Position sehen kann. Letzteres ist natürlich eine coole Sache, aber ersteres ist sicherheitsrelevant. Ohne dieses Gerät gibt es keine Möglichkeit von der Rettungsinsel aus nach Aussen zu kommunizieren. Verständlich, dass uns das Sorge bereitet und geärgert hat und wir sogar überlegt haben, ob wir deswegen den Törn verschieben sollten. Schlussendlich verbrachten wir etwa zwei Stunden mit diversen Garmin Supportleuten im Chat und haben versucht, das Gerät zu wieder zum Leben zu erwecken. Nichts zu machen, alle Versuche es zurückzusetzen schlugen fehl, weil es sich gar nicht erst zum Leben erwecken liess. Ziemlich frustrierend, aber deswegen auf dieses Wetterfenster zu verzichten wollten wir dann doch nicht. Mittelfristig müssen wir uns überlegen, ob wir das Gerät ersetzen (wer weiss ob das Neue nicht auch grundlos aussteigt?) oder eine andere Lösung suchen. Um wenigstens die monatlichen Kosten zu sparen, haben wir das Satelliten-Abo online gekündigt.

Ironie des Schicksals: Am letzten Tag vom Törn hat es sich plötzlich wieder starten lassen. Jetzt lassen wir es einfach laufen, aber ohne ein aktuelles Abo ist es nicht viel mehr als eine ziemlich teure Geschwindigkeitsanzeige im Boot drin…

Die Nacht in Santa Krus war nicht ganz so erholsam wie erhofft, denn es war ziemlich schauklig – dafür waren wir die elende Stechmückenplage endlich los.

Am Samstag den 16. gingen wir Anker auf. Der erste Wegpunkt führte uns nach NW damit wir etwa 100 sm weit von der Küste weg kamen. Erstens wollten wir im tiefen Wasser bleiben (Kontinentalschelf!) und zweitens wollten wir möglichst in der mitlaufenden Strömung bleiben, die in einem grossen Bogen Richtung Panama läuft.

Der Wind war die ersten drei Tage moderat bis schwach, aber die Strömung war tatsächlich gewaltig. Am ersten Tag haben wir unser bisher grösstes Etmal (die Strecke, die man innerhalb von 24 Stunden mit dem Boot zurücklegt) erreicht: 187 sm. Das ist gewaltig für unser kleines Boot. Das war dann schliesslich doch kein Wunder, denn dank der Strömung waren wir mehrmals mit gut über 11 kn unterwegs.

Diese ersten Tage vom Törn waren reinstes Traumsegeln. Kaum Welle, moderate Winde von hinten und, wegen der Strömung, trotzdem schnelles Vorankommen.

Faulenzen an Bord
Mit einem Fliegenden Fisch den wir eines morgens an Deck fanden, habe ich versucht einen natürlichen Köder zu basteln. Hat zwar nicht so funktioniert, dafür biss auf der anderen Leine ein Barrakuda an. Dem haben wir das Leben geschenkt, da wir grosse Barrakudas wegen dem Vergiftungsrisiko mit Ciguatera nicht essen wollen

In der Nacht auf den vierten Tag ist der Wind dann vollends eingeschlafen. Wir mussten in der Nacht sogar alle Segel runternehmen, weil sie in der Dünung lautstark hin und her geschlagen haben und die eine Maschine mitlaufen lassen.

Abendstimmung bei totaler Flaute mit spiegelglatter See
Der Morgen danach. Der Wind kommt langsam wieder und die See wird langsam unruhiger
Dann hatten wir kurzzeitig Besuch von Delfinen

Am nächsten Morgen hat noch alles gut angefangen, moderater Wind und wir konnten wieder gut segeln. Just haben wir noch einen zweiten Fisch gefangen. Dieses Mal war es ein Gelbflossenthunfisch von einem Meter Länge! So etwas Grosses hatten wir bisher noch nie reingeholt.

Eine Bemerkung am Rande: Dort wo wir segeln ist es meistens sehr warm und um nicht ständig alle Kleider salzig zu machen haben wir oft – ausser dem Sicherheitsgurt und Handschuhen – gar nichts an. Wenn ich beim Arbeiten an Deck eine Salzwasserdusche abbekomme ist das ohne Kleider kein Problem, weil ich mich einfach abtrocknen kann. Beim Fisch fangen und ausnehmen trifft das ebenfalls zu, denn bei einem grossen Fisch ist danach alles mit Blut vollgespritzt. Blutflecken auf der Haut lassen sich leicht abduschen, aber aus den Kleidern wären sie wesentlich mühsamer zu entfernen.

Noch während wir den Fisch filetierten, fing der Wind an spürbar zuzunehmen. Biggi hat tapfer bis zum Schluss durchgehalten, aber als das letzte Stück im Kühlschrank war, war sie ganz bleich im Gesicht… Sukzessive haben wir die Segelfläche verkleinert bis wir nur noch mit einem gerefften Grossegel und einer halb ausgerollten Fock unterwegs waren. Der Wind kam auch nicht mehr von hinten sondern von der Seite. Eigentlich eine gute Windrichtung, denn das Boot ist bei dieser Richtung am schnellsten, aber leider laufen wir dann auch quer zu den Wellen. Und diese haben sich erstaunlich schnell aufgebaut. Bald hat das Boot derart gebockt, dass auch ich nicht mehr machen konnte als das absolut Nötigste.

Abends hat es nur für eine Ramensuppe gereicht. Nix mit frischem Sushi…

Es waren nur noch ca. 150 sm übrig, aber die hatten es in sich und es hat sich bestätigt, wieso diese Strecke einen so schlechten Ruf hat. Wir haben sozusagen nur dahinvegetiert. Abends konnten wir nicht mal richtig kochen (Sushi adieu!) und ich habe nur etwas Wasser für zwei Schüsseln Nudelsuppe heiss gemacht, damit wir etwas Warmes intus bekamen. Das Boot hat erbärmlich gebockt und ist immer wieder im freien Fall ins Wellental geknallt. Das sind so Momente, wo man sich wundert, was das Material alles aushält. Irgendwann in der Nacht hat Biggi völlig entnervt gemeint „Menschen sind dafür gemacht an Land zu leben und nicht fürs Segeln!“ Am nächsten Morgen sah es leider nicht besser aus – grau in grau und heulender Wind und diese ungezügelte See – aber wir waren wenigstens kurz vor dem Ziel.

Die Inseln tauchen am Horizont auf

Im Lee der Inseln mussten wir „nur noch“ die Segel einrollen und reinfahren, aber die Fock hat geklemmt, da liess sich nichts mehr drehen. Das ist eine der dümmsten Situationen, wenn sich ein Segel bei soviel Wind nicht eindrehen lässt. Mir blieb nichts anderes übrig als zum Bug zu krabbeln und das Leinengetüddel zu lösen (Stichwort Salzwasserdusche…) und zwar subito, denn wir standen ja unmittelbar vor der Einfahrt der Lagune. Ein paar Kraftausdrücke später war die Leine soweit befreit, dass ich das Segel von dort vorne wenigstens notdürftig einrollen konnte. Immerhin ist das nicht nachts draussen beim Geschaukel passiert.

Um kurz vor 11 Uhr lokale Zeit (Panama ist um eine Stunde später als Curaçao) sind wir ­– immer noch bei starkem Wind aber im Lee des Riffes – in ruhigeres Wasser in die Lagune von den Holandes Cays in den San Blas Inseln eingelaufen. Der Ankerplatz wird der „Swimmingpool“ genannt. Er ist dem Wind immer noch ausgesetzt, aber das Saumriff bricht die Wellen, sodass man halbwegs ruhig liegt.  Das Wetter ist hingegen windig und trüb geblieben und die Regenfronten sind im Viertelstundentakt über uns hinweg gezogen. Nix mit Schnorcheln und Strandspaziergänge, aber schlussendlich war das doch viel besser als dieses Wetter draussen auf dem Meer zu haben.

Unser Ankerplatz im „Swimmingpool“. Links am ersten Tag und rechts bei schönem Wetter

Nach einer erholsamen Nacht (der Wind hat nachgelassen und es wurde ganz ruhig am Ankerplatz) haben wir angefangen das Boot aufzuräumen und die salzigen Sachen einzuweichen. Die letzten 24 Stunden der Überfahrt hatten uns x Salzwasserduschen beschert, als die Wellen an der Bordwand gebrochen sind und sich über’s Boot ergossen haben. Entsprechend war im Cockpit nichts, aber auch gar nichts verschont geblieben und musste nun mit Süsswasser ausgewaschen werden.

Während Biggi noch am Schrubben war habe ich mich ins Dinghy gesetzt und uns bei den umliegenden Booten als „die neuen Nachbarn“ vorgestellt und dabei wichtige Infos über die Inseln hier erhalten. Debbie von der Segelyacht RUNNER hat mich besonders erstaunt. Sie ist eine geschätzt 70-jährige Amerikanerin, die in den letzten neun Jahren mit ihrem Mann hier in Panama gesegelt ist. Ihr Mann ist dieses Jahr verstorben und nun lebt sie alleine auf einem riesigen Zweimaster hier vor Anker. Sie kann das grosse Boot alleine nicht segeln und benutzt es als schwimmendes Haus. Sie kennt hier wohl jeden und ist komplett durchorganisiert. So hat sie letzthin sogar eine neue Waschmaschine direkt ans Boot geliefert bekommen. Ein Kuna Indianer, der die Maschine in Panama City abgeholt hat, hat sie mit einem kleinen offenen Motorboot bis zu Debbies’ Boot gebracht.

Etwa einmal in der Woche kommt ein Boot mit Gemüse und anderen Frischwaren hierher. Und man kann sogar per WhatsApp eine Bestellung aufgeben. Debbie hat mir das alles in einer Viertelstunde erklärt und sie war dabei ganz quirlig und aufgestellt. Es kam mir trotzdem irgendwie traurig vor, wie sie tagein, tagaus alleine auf ihrem Boot hier draussen lebt, aber es scheint ihr zu gefallen.

Dann liegt hier noch ein anderer Kat mit – die Welt ist ein Dorf – einem Deutschen Paar an Bord. Anette und Ingo scheinen in etwa die gleichen Pläne wie wir zu haben und wir werden uns vielleicht des Öfteren sehen. Sie sind schon im dritten Jahr hier und kennen natürlich die Ankerplätze hier gut. Anette hat mir auch von den beiden Haien erzählt, die hier anscheinend regelmässig im Ankerfeld rumschwimmen. Es sind zwar nur Riffhaie, aber sie sind mit drei Metern Länge doch recht eindrücklich und ziemlich neugierig. Aber sie schauen nur und schwimmen dann wieder weg. Auch die Krokodile die es hier hat, seien recht unproblematisch… Muss ich extra erwähnen, dass Biggi heute „keine Zeit“ zum Schwimmen hatte? Aber morgen ist ja auch noch ein Tag…

Besuch an Bord. Ein Kuna-Indianer kassiert die Ankergebühr: 10 US$ für einen Monat. Das ist ja ganz OK.

Stattdessen haben wir heute Nachmittag unseren Wassermacher zum ersten Mal seit langer Zeit wieder angeworfen. Irgendwie schien er nicht die volle Leistung zu bringen und als ich runter ging um nachzuschauen wurde ich von einem feinen Sprühregen im Bad eingenebelt. Zuerst konnte ich nicht mal sagen woher es kam, so fein war der Strahl. Nach kurzer Suche stand fest, dass der Hochdruckschlauch zwischen der Pumpe und den Filtermembranen einen kleinen Riss hat. Dieser Schlauch hat knapp 8 bar Druck (etwa vier Mal soviel, wie in einem normalen Autoreifen) und entsprechend hat dieser feine Strahl zuerst die Decke und danach das ganze Bad mit salzigem Seewasser getränkt. Abgesehen von der Sauerei im Bad war uns schnell klar, dass wir so etwas nicht mit Bordmitteln reparieren können, soviel Druck hält keine Klebestelle aus. Der Teufel weiss wieso, aber ich habe vor etwa einem Jahr genau so einen Schlauch beim Wassermacherhersteller als Ersatzteil bestellt – und das obwohl der Vertreter der Firma gemeint hat, dass diese Schläuche eigentlich niemals kaputt gehen würden… Wie sagte James Bond damals? „Sag niemals nie!“

Der Austausch war zwar auch Neuland für uns, aber da es hier in den Inseln wirklich niemanden gibt, der sich mit so etwas auskennt, hiess es Mut zur Lücke und drauflos schrauben. Und tatsächlich lief der Wassermacher ein paar Stunden später wieder, ohne Sprühnebel und uns ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen! Und ich sah mich wieder bestätigt, dass es doch seinen Grund hat, warum ich für (fast) alles an Bord Ersatzteile horte.

Inzwischen sind auch alle anderen Boote die gemeinsam mit uns in Curaçao los gefahren sind, hier in Panama angekommen und es war schon bezeichnend, wie ausnahmslos alle das Gleiche von der Überfahrt berichteten: Drei Tage traumhaftes Segeln, eine Nacht Flaute und dann die letzten 24-36 Stunden Hölle auf Erden (bzw. eher im Wasser). 30-35 kn Wind und 3m Welle, alle haben sie das letzte Stück Prügel kassiert und der eine oder andere hat sich dabei gefragt wieso sie sich das Segeln antun. Hohe Hochs und tiefe Tiefs – so ist das Seglerleben halt.

Als „Belohnung“ für die Strapazen machen wir einen Ausflug zur BBQ Island
Was macht man auf BBQ Island? Richtig – ein BBQ! Zusammen mit Erik, Karin und Liselott vom Holländischen Boot CATHERINE grillen wir den von uns gefangenen Thunfisch

Jetzt bleibt uns nur euch allen eine wunderschöne Weihnachtzeit zu wünschen und uns bei euch für die Treue beim Lesen zu bedanken.

Merry Christmas and a Happy New Year von den San Blas Inseln

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